21.11.2024
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Dokument-Nr. 26952

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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil22.01.2019

Gewährung bezahlter Feiertage allein für Mitglieder bestimmter Kirchen stellt unionsrechtlich verbotene Diskriminierung wegen der Religion darRecht auf Feiertag am Karfreitag muss allen Arbeitnehmern zustehen

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass die Gewährung eines bezahlten Feiertags am Karfreitag in Österreich allein für diejenigen Arbeitnehmer, die bestimmten Kirchen angehören, eine unionsrechtlich verbotene Diskriminierung wegen der Religion darstelle. Solange Österreich seine Rechts­vor­schriften nicht zur Wieder­her­stellung der Gleich­be­handlung geändert hat, ist ein privater Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet, auch seinen anderen Arbeitnehmern einen bezahlten Feiertag am Karfreitag zu gewähren.

In Österreich (wo die Bevölkerung mehrheitlich der römisch-katholischen Kirche angehört) ist der Karfreitag nur für die Angehörigen der evangelischen Kirchen des Augsburger und des Helvetischen Bekenntnisses, der Altkatholischen Kirche und der Evangelisch-methodistischen Kirche ein bezahlter Feiertag*. Diese Sonderregelung zielt darauf ab, den Angehörigen dieser Kirchen die Ausübung ihrer Religion an diesem für sie besonders hohen Feiertag zu ermöglichen, ohne eine Urlaubs­ver­ein­barung mit ihrem Arbeitgeber treffen zu müssen. Arbeitet ein Angehöriger einer dieser Kirchen am Karfreitag, hat er Anspruch auf ein zusätzliches Feier­tag­sentgelt.

Nicht zu fraglichen Kirchen gehörender Arbeitnehmer fühlt sich diskriminiert

Herr Markus Achatzi ist Arbeitnehmer bei Cresco Investigation, einer privaten Detektei, und gehört keiner der fraglichen Kirchen an. Er ist der Ansicht, ihm sei für die von ihm am 3. April 2015, einem Karfreitag, geleistete Arbeit das Feier­tag­sentgelt in diskri­mi­nie­render Weise vorenthalten worden, und begehrte aus diesem Grund von seinem Arbeitgeber eine entsprechende Zahlung.

Nationales Gericht erbittet Vorab­ent­scheidung des EuGH

Der mit dem betreffenden Rechtsstreit befasste Oberste Gerichtshof (Österreich) befragte den Gerichtshof der Europäischen Union zur Vereinbarkeit der in Rede stehenden öster­rei­chischen Regelung mit dem unions­recht­li­chen** Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Religion.

Nationales Regelung stellt mittelbare Diskriminierung der Religion wegen dar

Mit seinem Urteil befindet der Gerichtshof, dass eine nationale Regelung wie die in Rede stehende, nach der zum einen der Karfreitag ein Feiertag nur für die Arbeitnehmer ist, die bestimmten christlichen Kirchen angehören, und zum anderen nur diese Arbeitnehmer, wenn sie zur Arbeit an diesem Feiertag herangezogen werden, Anspruch auf ein Zusatzentgelt haben, einen mittelbare Diskriminierung der Religion wegen darstellt.

Eine solche Regelung kann weder mit der Berufung auf zur Wahrung der Rechte und Freiheiten anderer notwendige Maßnahmen noch mit der Berufung auf spezifische Maßnahmen zum Ausgleich von Benach­tei­li­gungen wegen der Religion gerechtfertigt werden.

Privater Arbeitgeber muss auch anderen Arbeitnehmern Recht auf Feiertag am Karfreitag gewähren

Solange Österreich seine Rechts­vor­schriften nicht zur Wieder­her­stellung der Gleich­be­handlung geändert hat, ist ein privater Arbeitgeber, der diesen Rechts­vor­schriften unterliegt, verpflichtet, auch seinen anderen Arbeitnehmern das Recht auf einen Feiertag am Karfreitag zu gewähren, sofern diese zuvor mit dem Anliegen an ihn herangetreten sind, an diesem Tag nicht arbeiten zu müssen, und ihnen folglich, wenn er sie abschlägig beschieden hat, das Recht auf ein Zusatzentgelt für die an diesem Tag erbrachte Arbeitsleistung zuzuerkennen.

Österreichische Regelung begründet unmittelbar auf der Religion der Arbeitnehmer beruhende unter­schiedliche Behandlung

Zum Vorliegen einer unmittelbaren Diskriminierung aus Gründen der Religion stellt der Gerichtshof fest, dass die in Rede stehende österreichische Regelung eine unmittelbar auf der Religion der Arbeitnehmer beruhende unter­schiedliche Behandlung begründet. Das Unter­schei­dungs­kri­terium, dessen sich diese Regelung bedient, entspringt nämlich unmittelbar der Zugehörigkeit der Arbeitnehmer zu einer bestimmten Religion.

Der Reglung unterfallende Arbeitnehmer müssen nur formal einer der Kirchen angehören

Diese Regelung bewirkt auch eine unter­schiedliche Behandlung vergleichbarer Situationen nach Maßgabe der Religion. Der Gerichtshof weist dazu insbesondere darauf hin, dass ein Arbeitnehmer, der einer der fraglichen Kirchen angehört, damit ihm am Karfreitag ein Feiertag gewährt wird, an diesem Tag nicht eine bestimmte religiöse Pflicht erfüllen muss, sondern dass er nur formal einer dieser Kirchen angehören muss. Somit steht es ihm frei, die auf diesen Feiertag entfallende Zeit nach seinem Belieben, z. B. zu Erholungs- oder Freizeitzwecken, zu nutzen.

Nationale Regelung zum Schutz der Religi­o­ns­freiheit nicht notwendig

Was etwaige Recht­fer­ti­gungen dieser unmittelbaren Diskriminierung betrifft, stellt der Gerichtshof fest, dass mit der Gewährung eines Feiertags am Karfreitag für die Arbeitnehmer, die einer der fraglichen Kirchen angehören, der besonderen Bedeutung Rechnung getragen werden soll, die die mit diesem Tag verbundenen religiösen Feierlichkeiten für die Angehörigen dieser Kirchen haben. Allerdings kann nach Ansicht des Gerichtshofs von der in Rede stehenden Regelung nicht angenommen werden, dass sie zum Schutz der Religi­o­ns­freiheit notwendig ist.

Möglichkeit zur Nutzung der Feiertage für Arbeitnehmer ohne Kirchen­zu­ge­hö­rigkeit obliegt allein Fürsorgepflicht des Arbeitgebers

Der Möglichkeit für nicht den fraglichen Kirchen angehörende Arbeitnehmer, einen religiösen Feiertag zu begehen, der nicht mit einem der allgemeinen Feiertage in Österreich zusammenfällt, wird nämlich im öster­rei­chischen Recht nicht durch die Gewährung eines zusätzlichen Feiertags Rechnung getragen, sondern hauptsächlich durch die Fürsorgepflicht der Arbeitgeber gegenüber ihren Beschäftigten, aufgrund deren diese gegebenenfalls das Recht erhalten können, sich für die Dauer, die zur Befolgung bestimmter religiöser Riten notwendig ist, von ihrer Arbeit zu entfernen.

Beachtung des Gleich­heits­grund­satzes wird nicht so weit wie möglich gewährleistet

Die in Rede stehende österreichische Regelung kann auch nicht als Regelung angesehen werden, die spezifische Maßnahmen enthält, mit denen eine Benachteiligung wegen der Religion unter Beachtung des Grundsatzes der Verhält­nis­mä­ßigkeit und so weit wie möglich des Gleich­heits­grund­satzes ausgeglichen wird. Mit den in Rede stehenden Bestimmungen wird nämlich den Arbeitnehmern, die einer der fraglichen Kirchen angehören, am Karfreitag eine Ruhezeit von 24 Stunden gewährt, während sich Arbeitnehmer anderer Religionen, deren hohe Feiertage nicht mit den allgemeinen Feiertagen in Österreich zusammenfallen, grundsätzlich nur mit der im Rahmen der Fürsorgepflicht erteilten Zustimmung ihres Arbeitgebers von ihrer Arbeit entfernen dürfen, um die zu diesen Feiertagen gehörenden religiösen Riten zu befolgen. Daraus folgt, dass die in Rede stehenden Maßnahmen über das hinausgehen, was zum Ausgleich einer solchen mutmaßlichen Benachteiligung notwendig ist, und dass sie eine unter­schiedliche Behandlung von mit vergleichbaren religiösen Pflichten konfrontierten Arbeitnehmern begründen, die die Beachtung des Gleich­heits­grund­satzes nicht so weit wie möglich gewährleistet.

Erläuterungen

* § 7 Abs. 3 des Arbeits­ru­he­ge­setzes (BGBl. Nr. 144/1983) in der anwendbaren Fassung.

** Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleich­be­handlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. 2000, L 303, S. 16).

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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