15.11.2024
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil05.06.2008

EuGH: Fixierung auf Staats­an­ge­hö­rigkeit bei Entschä­di­gungs­zah­lungen verstößt gegen Gemein­schaftsrechtNicht gerechtfertigte Diskriminierung bei Entschä­di­gungs­zah­lungen

Das Gemein­schaftsrecht steht den Rechts­vor­schriften eines Staats entgegen, die in bestimmten Fällen Staats­an­ge­hörige der anderen Mitgliedstaaten allein aufgrund ihrer Staats­an­ge­hö­rigkeit von einer Entschädigung ausschließen. Diese Ungleich­be­handlung, die ausschließlich auf die Staats­an­ge­hö­rigkeit gestützt wird, stellt eine unmittelbare Diskriminierung dar, die nicht gerechtfertigt werden kann. Dies hat der Europäische Gerichtshof entschieden.

Der britische Staats­an­ge­hörige James Wood wohnt, arbeitet und zahlt Steuern in Frankreich, wo er seit mehr als 20 Jahren mit seiner Ehefrau, einer französischen Staats­an­ge­hörigen, lebt. Die drei gemeinsamen Kinder haben ebenfalls die französische Staats­an­ge­hö­rigkeit. Bei einem Verkehrsunfall in Australien verunglückte das älteste dieser Kinder tödlich.

Die Familie wandte sich an die Commission d''indemnisation des victimes d'infractions du tribunal de grande instance de Nantes (Ausschuss für die Entschädigung der Opfer von Straftaten beim Tribunal de grande instance de Nantes) und beantragte, den immateriellen Schaden, den die Famili­en­mit­glieder erlitten hatten, zu ersetzen. Die Commission d'indemnisation beurkundete die Vereinbarung mit dem Fonds de Garantie (Garantiefonds) über die Höhe der geforderten Entschädigung, die die Hinterbliebenen der Verstorbenen erhalten sollten, nicht aber deren Vater. Nach Ansicht des Fonds de garantie erfüllt Herr Wood nicht die Voraussetzungen des Code de procédure pénale (Straf­ver­fah­rens­ge­setzbuch), wonach der Antragsteller die französische Staats­an­ge­hö­rigkeit besitzen oder die Straftat im Inland begangen worden sein muss.

Herr Wood focht die ablehnende Entscheidung an und erhob Klage beim Tribunal de grande instance de Nantes, das den Gerichtshof nach der Vereinbarkeit der französischen Regelung mit dem Gemein­schaftsrecht fragt.

Der Gerichtshof stellt zunächst fest, dass die Situation von Herrn Wood, der in Frankreich wohnt und arbeitet, in den Anwen­dungs­bereich des Vertrags fällt und dass er sich auf sein Recht berufen kann, nicht aus Gründen der Staats­an­ge­hö­rigkeit diskriminiert zu werden. Der Gerichtshof weist sodann darauf hin, dass nach dem Diskri­mi­nie­rungs­verbot gleiche Sachverhalte nicht ungleich und ungleiche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden dürfen. Eine solche Behandlung wäre allenfalls dann gerechtfertigt, wenn sie auf objektiven, von der Staats­an­ge­hö­rigkeit der Betroffenen unabhängigen Erwägungen beruhte und in einem angemessenen Verhältnis zu einem legitimerweise verfolgten Zweck stünde. Nach Ansicht des Gerichtshofs befindet sich Herr Wood in Bezug auf den Verlust seiner Tochter bei einem Verkehrsunfall, der sich außerhalb des Gebiets der Gemeinschaft zugetragen hat, und den daraus entstandenen Schaden offensichtlich in einer Situation, die mit derjenigen einer Person wie seiner französischen Ehefrau vergleichbar ist. Abgesehen von ihrer Staats­an­ge­hö­rigkeit unterscheidet sich beider Situation im Hinblick auf die Voraussetzungen für das Recht auf Entschädigung nicht. Dennoch hat aufgrund ihrer Staats­an­ge­hö­rigkeit nur die Ehefrau von Herrn Wood eine Entschädigung erhalten.

Somit stellt diese Ungleich­be­handlung, die ausdrücklich und ausschließlich auf die Staats­an­ge­hö­rigkeit von Herrn Wood gestützt wird, eine unmittelbare Diskriminierung dar, die nicht gerechtfertigt werden kann.

Unter diesen Umständen kommt der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass das Gemein­schaftsrecht Rechts­vor­schriften eines Mitgliedstaats wie den hier streitigen französischen entgegensteht, die Staats­an­ge­hörige der anderen Mitgliedstaaten, die im ersten Mitgliedstaat wohnen und arbeiten, allein aufgrund ihrer Staats­an­ge­hö­rigkeit von einer Entschädigung ausschließen, mit der Schäden ersetzt werden sollen, die Folge von Beein­träch­ti­gungen einer Person durch eine Straftat sind, die nicht im ersten Mitgliedstaat begangen wurde.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 36/08 des EuGH vom 05.06.2008

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