23.11.2024
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Dokument-Nr. 7020

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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil18.11.2008

Unter­haltss­ti­pendium für EU-Ausländer kann an Minde­st­auf­enthalt geknüpft werden

Der Europäische Gerichtshof stellt klar, unter welchen Voraussetzungen Studierende aus anderen Mitgliedstaaten Anspruch auf ein Unter­haltss­ti­pendium haben. Das Gemein­schaftsrecht verbietet nicht, von diesen Studierenden einen vorherigen Aufenthalt von fünf Jahren zu verlangen

Am 5. März 2000 ließ sich Frau Förster, eine deutsche Staats­an­ge­hörige, im Alter von 20 Jahren in den Niederlanden nieder, wo sie sich an der Hogeschool van Amsterdam für eine Grund­schul­leh­rer­aus­bildung und am 1. September 2001 für ein Bachelor-Studium im Fach Pädagogik einschrieb. Während ihres Studiums übte Frau Förster mehrere Tätigkeiten im Lohn- oder Gehalts­ver­hältnis aus. Die IB-Groep, die für die Studi­en­fi­nan­zierung zuständige Behörde, gewährte Frau Förster ab September 2000 ein Unter­haltss­ti­pendium, wobei sie annahm, dass Frau Förster als "Arbeitnehmerin" anzusehen und daher in Bezug auf Unter­haltss­ti­pendien Studierenden mit nieder­län­discher Staats­an­ge­hö­rigkeit gleichzustellen sei.

Bei einer Kontrolle stellte die IB-Groep jedoch fest, dass Frau Förster von Juli bis Dezember 2003 keine entgeltliche Tätigkeit ausgeübt hatte. Da sie der Ansicht war, dass Frau Förster nun nicht länger als Arbeitnehmerin angesehen werden könne, nahm sie die Entscheidung über die Gewährung des Unter­haltss­ti­pendiums für die Monate Juli bis Dezember 2003 zurück. Frau Förster wurde aufgefordert, die zu viel gezahlten Beträge zurückzuzahlen.

Im Rahmen ihrer Klage gegen diese Entscheidung machte Frau Förster u. a. geltend, dass sie in der entschei­dungs­er­heb­lichen Zeit bereits so weit in die niederländische Gesellschaft integriert gewesen sei, dass sie als Studentin nach dem Gemein­schaftsrecht Anspruch auf ein Unter­haltss­ti­pendium gehabt habe. Sie führt hierfür das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Bidar an, in dem entschieden wurde, dass ein gewisser Integra­ti­o­nsgrad als nachgewiesen angesehen werden kann, wenn der betreffende Studierende sich für eine gewisse Zeit im Aufnah­me­mit­gliedstaat aufgehalten hat.

Im Anschluss an das Urteil Bidar erließ die IB-Groep eine Verwal­tungs­vor­schrift, wonach sich Studierende der Europäischen Union mindestens fünf Jahre lang ununterbrochen rechtmäßig in den Niederlanden aufgehalten haben müssen, bevor sie für eine Studi­en­fi­nan­zierung in Betracht kommen können.

Der Centrale Raad van Beroep, der in der Berufungs­instanz über die Klage von Frau Förster zu entscheiden hat, hat den Gerichtshof angerufen, damit dieser klarstellt, unter welchen Voraussetzungen ein Studierender aus einem anderen Mitgliedstaat Anspruch auf ein Unter­haltss­ti­pendium haben kann.

In seinem Urteil erinnert der Gerichtshof daran, dass sich ein Studierender, der sich rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat aufhält, im Hinblick auf den Bezug eines Unter­haltss­ti­pendiums auf das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staats­an­ge­hö­rigkeit berufen kann.

Da die Voraussetzung bezüglich der Aufent­haltsdauer Studierenden mit nieder­län­discher Staats­an­ge­hö­rigkeit nicht entge­gen­ge­halten werden kann, stellt sich die Frage, welche Grenzen dem Anspruch von Studierenden aus anderen Mitgliedstaaten auf ein Unter­haltss­ti­pendium gesetzt werden können, ohne dass die sich möglicherweise daraus ergebende Ungleich­be­handlung als diskriminierend angesehen werden muss.

In diesem Zusammenhang erinnert der Gerichtshof daran, dass es legitim ist, dass ein Mitgliedstaat eine Beihilfe zur Deckung der Unter­halts­kosten von Studierenden nur jenen gewährt, die nachgewiesen haben, dass sie sich bis zu einem gewissen Grad in die Gesellschaft dieses Staates integriert haben, und dass dieser Integra­ti­o­nsgrad durch die Feststellung, dass der betreffende Studierende sich für eine gewisse Zeit im Aufnah­me­mit­gliedstaat aufgehalten hat, als nachgewiesen angesehen werden kann.

Im vorliegenden Fall stellt der Gerichtshof fest, dass das Erfordernis eines fünfjährigen ununter­bro­chenen Aufenthalts geeignet ist, sicherzustellen, dass derjenige, der das fragliche Unter­haltss­ti­pendium beantragt, im Aufnah­me­mit­gliedstaat integriert ist. Es kann auch nicht als unver­hält­nismäßig angesehen werden.

Da das Aufent­halts­kri­terium in der Verwal­tungs­vor­schrift der IB-Groep den Betroffenen ermöglicht, ihre Rechte und Pflichten eindeutig zu erfassen, kann es durch seine bloße Existenz ein erhöhtes Maß an Rechts­si­cherheit und Transparenz im Rahmen der Vergabe von Unter­haltss­ti­pendien an Studierende gewährleisten.

Unter diesen Umständen verbietet das Gemein­schaftsrecht nicht, von Angehörigen anderer Mitgliedstaaten einen vorherigen Aufenthalt von fünf Jahren zu verlangen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 80/08 des EuGH vom 18.11.2008

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