23.11.2024
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Dokument-Nr. 1388

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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil01.12.2005

EuGH: Bereit­schafts­dienste sind in vollem Umfang als Arbeitszeit anzurechnen

Die Nachtwache, die ein Erzieher in einer Einrichtung für Behinderte versieht, ist bei der Prüfung, ob die Schutz­be­stim­mungen des Gemein­schafts­rechts fur Arbeitnehmer - insbesondere, was die zulässige wöchentliche Höchst­a­r­beitszeit angeht - eingehalten werden, in vollem Umfang zu berücksichtigen.

Die Richtlinie über die Arbeits­zeit­ge­staltung enthält Mindest­vor­schriften für Sicherheit und Gesund­heits­schutz in diesem Bereich. Sie gibt den Arbeitnehmern Anspruch auf tägliche und wöchentliche Minde­stru­he­zeiten und angemessene Ruhepausen. Ferner setzt sie die wöchentliche Höchst­a­r­beitszeit auf 48 Stunden einschließlich der Überstunden fest. In diesem Zusammenhang unterscheidet die Richtlinie zwischen "Arbeitszeit" und "Ruhezeit". Sie sieht keine Zwischen­ka­tegorie vor, und die Einstufung als "Arbeitszeit" hängt nicht von der Intensität der geleisteten Arbeit ab. Demgemäß hat der Gerichtshof der Europaischen Gemeinschaften bereits entschieden, dass im Sinne der Richtlinie die Bereit­schafts­dienste der Ärzte, des Pflegepersonals in Einrichtungen der notärztlichen Versorgung, der Rettung­s­as­sis­tenten und der Feuerwehrleute, die am Arbeitsort geleistet werden, unabhängig davon in vollem Umfang als Arbeitszeit anzusehen sind, welche Arbeits­leis­tungen tatsächlich erbracht werden.

In Frankreich sieht ein Dekret fur Nachtdienste von Arbeitnehmern bestimmter sozialer und medizinisch-sozialer Einrichtungen ein Gewich­tungs­system für die Berechnung der Vergütung und der Überstunden vor, das dem Umstand Rechnung tragen soll, dass diese Bereit­schafts­dienste Zeiten der Inaktivitat der Betroffenen umfassen. Zu diesem Zweck legt das Dekret zwischen den Anwesen­heits­zeiten und den tatsächlich angerechneten Arbeitszeiten ein Verhältnis von 3 zu 1 für die ersten neun Stunden und von 2 zu 1 für die folgenden Stunden fest.

Herr Dellas, ein spezialisierter Erzieher in Internaten für behinderte Jugendliche, wurde von seinem Arbeitgeber wegen Meinungs­ver­schie­den­heiten entlassen, bei denen es insbesondere um den Begriff der tatsächlichen Arbeit und um die Vergütung fur Nacht­a­r­beit­s­tunden ging, die im Bereit­schaftsraum geleistet wurden. Herr Dellas und mehrere Gewerkschaften erhoben beim französischen Conseil d'Ètat Klagen auf Nichti­g­er­klärung des betreffenden Dekrets.

Der Conseil d'Ètat wollte vom Gerichtshof wissen, ob eine derartige Regelung mit der Richtlinie vereinbar ist. Der Gerichtshof stellte zunächst fest, dass die Richtlinie keine Anwendung auf die Vergütung der Arbeitnehmer findet. Dagegen sind die fraglichen Anwesen­heits­s­tunden bei der Prüfung, ob alle Mindest­vor­schriften, die die Richtlinie 93/104 fur einen wirksamen Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer aufstellt, eingehalten wurden, in vollem Umfang als Arbeitsstunden anzurechnen. Das in Rede stehende pauschale Gewich­tungs­system berücksichtigt jedoch die Stunden der Anwesenheit der betreffenden Arbeitnehmer nur teilweise. So kann die Gesamt­a­r­beitszeit eines Arbeitnehmers 60 Stunden pro Woche erreichen oder sogar übersteigen. Daher überschreitet eine solche nationale Regelung der Anrechnung der Bereit­schafts­dienste die wöchentliche Höchst­a­r­beitszeit, die von der Richtlinie auf 48 Stunden festgesetzt ist.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 104/05 des EuGH vom 01.12.2005

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