23.11.2024
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Dokument-Nr. 1177

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Urteil02.11.2005Bayerischer Verwaltungsgerichtshof4 B 99. 2582
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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil02.11.2005

Scientology Kirche behält Rechtsfähigkeit als eingetragener Verein

Der Verein Celebrity Center Scientology Kirche München e. V. darf den Zusatz " e.V. " behalten. Dies hat der Bayerische Verwal­tungs­ge­richtshof festgestellt.

Die Landes­hauptstadt München hatte dem eingetragenen Verein die Rechtsfähigkeit entzogen, weil er entgegen seiner Satzung keine ideellen Ziele verfolge, sondern in Wirklichkeit einen wirtschaft­lichen Geschäfts­betrieb unterhalte. Dies ergebe sich im Wesentlichen daraus, dass die Mitglieder zum Teil erhebliche Geldmittel für Leistungen des Vereins aufwenden müssten.

Das Verwal­tungs­gericht München hat die gegen den Entzug der Rechtsfähigkeit gerichtete Klage abgewiesen. Es hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass die Satzung zwischen ordentlichen und fördernden Mitgliedern unterscheide und den fördernden Mitgliedern so wenige Rechte einräume, dass diese dem Verein letztlich wie anonyme Kunden gegen­über­stünden. Der BayVGH hat der Berufung des Vereins stattgegeben und den Bescheid der Landes­hauptstadt München sowie das Urteil des Verwal­tungs­ge­richts München aufgehoben.

Gegenstand des Berufungs­ver­fahrens war allein die Frage, ob das Celebrity Center weiterhin in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins tätig sein kann, die grundsätzlich nur Organisationen mit ideeller Zielsetzung vorbehalten ist. Nicht zu entscheiden war, ob der Verein seine Tätigkeit überhaupt ausüben darf (kein Vereinsverbot), eine Religi­o­ns­ge­mein­schaft ist oder ein Gewerbe im Sinne des Gewerberechts betreibt. Die maßgebliche Vorschrift des § 43 Abs. 2 BGB will die Sicherheit im Rechtsverkehr, insbesondere den Gläubigerschutz gewährleisten. Vereine mit wirtschaft­lichen Zielsetzungen sind auf die handels­recht­lichen Organi­sa­ti­o­ns­formen (z.B. GmbH, oHG, AG) verwiesen. Im Zentrum der Ausein­an­der­set­zungen stand daher allein die Frage, ob der Verein entgegen seinem Satzungszweck - Verbreitung und Pflege der Lehre von Scientology - als Unternehmer "auf dem Markt" tätig ist. Der Bayerische Verwal­tungs­ge­richtshof hat diese Frage verneint.

Nach höchst­rich­ter­licher Rechtsprechung liegt eine wirtschaftliche Betätigung im Sinne des Vereinsrechts vor, wenn es sich um eine planmäßige, auf Dauer angelegte und nach außen gerichtete, d.h. über den vereinsinternen Bereich hinausgehende eigen­un­ter­neh­me­rische Tätigkeit handelt. Auch wenn der Verein als Anbieter von Leistungen im Wesentlichen nur gegenüber seinen Mitgliedern auftritt, ist ausnahmsweise dann von einem wirtschaft­lichen Geschäfts­betrieb auszugehen, wenn diese Produkte und Dienst­leis­tungen üblicherweise von anderen auf dem Markt angeboten werden, wie dies z.B. bei Buchclubs der Fall ist. Nach der Entscheidung des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts vom 6. November 1997, das sich mit einem vergleichbaren Fall einer Scientology-Organisation zu beschäftigen hatte, besteht demgegenüber kein wirtschaft­licher Geschäfts­betrieb im Sinne des § 43 Abs. 2 BGB, wenn der Verein "seinen Mitgliedern Leistungen anbietet, in denen sich die Vereins­mit­glied­schaft verwirklicht und die unabhängig von den mitglied­s­chaft­lichen Beziehungen nicht von anderen Anbietern erbracht werden können". Dabei ist es nicht entschei­dungs­er­heblich, dass das einzelne Vereinsmitglied beachtliche finanzielle Aufwendungen für die vom Verein angebotenen Leistungen erbringen muss.

Nach diesen Grundsätzen ist der BayVGH - wie bereits der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg hinsichtlich einer anderen Scientology-Organisation - zu dem Ergebnis gelangt, dass der Verein Celebrity Center Scientology Kirche München e.V. keinen wirtschaft­lichen Geschäfts­betrieb unterhält. Die von ihm gegenüber seinen Mitgliedern angebotenen Leistungen, insbesondere das sog. Auditing und die Ausbildung zum Auditor, die nach seinem unbestrittenen Vortrag einen wesentlichen Teil seiner Tätigkeit ausmachen, sind zentraler Teil der Lehre von Scientology und können deshalb nicht von anderen, wie z.B. von Aussteigern, in vergleichbarer Weise erbracht werden. Für die Mitglieder werden diese Leistungen von der gemeinsamen scien­to­lo­gischen Überzeugung - mag es sich um eine Religion handeln oder nicht - getragen, von der sie nicht gelöst werden können, ohne ihren Wert für die einzelnen Mitglieder zu verlieren.

Der BayVGH teilt nicht die Auffassung des Verwal­tungs­ge­richts, dass die Förder­mit­glieder nicht zum vereinsinternen Bereich (Binnenmarkt) zählen. Denn auch für diese steht die Eigenart der Leistung und nicht die Ausgestaltung der Mitglied­s­chafts­rechte im Vordergrund. Anhaltspunkte dafür, dass der Verein derartige Leistungen in erheblichem Umfang auch gegenüber Dritten erbringt, bestehen nicht. Aus alledem schließt der BayVGH, dass der Verein Celebrity Center Scientology Kirche München e.V. sich nicht aus Gründen der Sicherheit des Rechtsverkehrs, insbesondere des Gläubi­ger­schutzes, auf handels­rechtliche Organi­sa­ti­o­ns­formen verweisen lassen muss. Dabei haben - wie schon das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hervorhob - Gefahren, die sich aus der Mitgliedschaft für die einzelnen Mitglieder ergeben können (einschließlich wirtschaft­licher Probleme), außer Betracht zu bleiben.

Die Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen. Die Landes­hauptstadt München und der Vertreter des öffentlichen Interesses können dagegen Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde zum Bundes­ver­wal­tungs­gericht in Leipzig erheben.

Quelle: Pressemitteilung des BayVGH vom 02.11.2005, bearbeitet von der ra-online Redaktion

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