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Bundesverwaltungsgericht Urteil09.07.2008
Erst- und letztinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts für bestimmte Straßenverkehrsprojekte verfassungsgemäßZum artenschutzrechtlichen Tötungsverbot
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Klage von eigentumsbetroffenen Bürgern und eines Naturschutzvereins gegen den straßenrechtlichen Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Detmold für den Bau einer Nordumgehung von Bad Oeynhausen (einschließlich notwendiger Folgemaßnahmen) abgewiesen und ist in dem Urteil insbesondere auf seine Ende 2006 eingeführte erst- und letztinstanzliche Zuständigkeit für bestimmte Straßenverkehrsprojekte sowie auf den Artenschutz eingegangen.
Durch das Planvorhaben soll eine Lücke im Fernstraßennetz zwischen der A 30 westlich und der A 30/A 2 östlich der Stadt geschlossen werden. Derzeit wird der Fernverkehr über eine Bundesstraße (B 61 – Kanal-/Mindener Straße) durch das Stadtgebiet von Bad Oeynhausen und Löhne geführt.
Erst- und letztinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgericht verfassungsgemäß
Das Bundesverwaltungsgericht hat aus Anlass dieses Falles auf entsprechende Rüge der Kläger hin entschieden, dass die Ende 2006 eingeführte erst- und letztinstanzliche Zuständigkeit des Gerichts für bestimmte Straßenverkehrsprojekte (auch) in den alten Bundesländern (§ 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO, § 17 e Abs. 1 FStrG) verfassungsgemäß ist. Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht gehindert, abweichend vom herkömmlichen Aufbau der Rechtswege einem obersten Bundesgericht, das grundsätzlich als Revisionsgericht für die Entscheidung über Rechtsfragen zuständig ist, ausnahmsweise auch Verfahren zuzuweisen, in denen es als einzige Instanz selbst Tatsachenfeststellungen zu treffen hat. Den für eine solche Ausnahmeregelung erforderlichen sachlichen Grund hat der Gesetzgeber hier darin sehen dürfen, dass er Planungsverfahren für bestimmte, von ihm aufgelistete Verkehrsprojekte aus bundesstaatlichen Gründen beschleunigen wollte. Dies ist mit Blick auf den dem Gesetzgeber insoweit zuzuerkennenden Entscheidungsspielraum nicht zu beanstanden. Allerdings folgt aus den verfassungsrechtlichen Bindungen des Gesetzgebers, dass die Zuweisung erstinstanzlicher Zuständigkeiten an ein oberstes Bundesgericht in quantitativer und qualitativer Hinsicht die Ausnahme bleiben muss; die sich daraus ergebenden Grenzen hat das Bundesverwaltungsgericht bei den hier maßgeblichen Vorschriften als derzeit (noch) nicht überschritten angesehen.
Kläger rügen Verstoß gegen Artenschutzrecht
In der Sache selbst hatten die Kläger gerügt, dass das Planvorhaben gegen Vorschriften des deutschen und europäischen Artenschutzrechts verstoße, weil es vorhandene Vorkommen von Fledermäusen und diversen Vogel- und Amphibienarten beeinträchtige, und dass die Planfeststellungsbehörde andere, sich aufdrängende Trassenvarianten (eine abgesenkte Troglösung auf der Trasse der bisherigen Stadtdurchfahrt und eine weite Südumfahrung) zu Unrecht aus der Planung ausgeschieden habe; ferner hatten sie die vorgesehenen Lärmschutzmaßnahmen als unzureichend beanstandet.
Nur ein signifikant erhöhtes Kollisionsrisiko erfüllt den Tatbestand des artenschutzrechtlichen Tötungsverbots
Dem ist das Bundesverwaltungsgericht nicht gefolgt. Es hat den Streitfall zum Anlass genommen, die rechtlichen Maßstäbe für die Ermittlung und Bewertung der von einem Straßenbauvorhaben voraussichtlich verursachten artenschutzrechtlichen Beeinträchtigungen (außerhalb von Schutzgebieten nach der sog. Fauna-Flora-Habitat- Richtlinie) und deren gerichtliche Überprüfung zu präzisieren. Hieran gemessen sind die dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden fachgutachtlichen Ermittlungen und Bewertungen einschließlich der festgesetzten umfangreichen naturschutzrechtlichen (Begleit- und Vermeidungs-) Maßnahmen im Ergebnis nicht zu beanstanden. Das Gericht hat insbesondere betont, dass nicht jedes, sondern nur ein durch das Straßenbauvorhaben signifikant erhöhtes Kollisionsrisiko den Tatbestand des artenschutzrechtlichen Tötungsverbots erfüllt. Der Planfeststellungsbeschluss leidet auch hinsichtlich der Variantenauswahl nicht an einem Abwägungsfehler. Die Planfeststellungsbehörde hat wegen des bei Verwirklichung der abgesenkten Troglösung nach den eingeholten hydrogeologischen Stellungnahmen der Fachbehörden nicht auszuschließenden Risikos für die Heilquellen im Stadtgebiet diese Variante verwerfen dürfen. Die von den Klägern vorgeschlagene weite Südumfahrung hat die Behörde vor allem wegen mit ihr verbundener Nachteile in der straßenentwurfstechnischen Beurteilung ebenfalls aus der weiteren Betrachtung ausscheiden dürfen. Schließlich ist auch die dem Lärmschutzkonzept des Planfeststellungsbeschlusses zugrunde liegende Lärmprognose nicht zu beanstanden.
Hinsichtlich zweier Kläger hatte die Planfeststellungsbehörde in der mündlichen Verhandlung zugesichert, über punktuell verbesserte Lärmschutzmaßnahmen an den Grundstücken dieser Kläger erneut zu entscheiden; insoweit war das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt worden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 09.07.2008
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 46/08 des BVerwG vom 09.07.2008
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