15.11.2024
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Dokument-Nr. 6344

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Bundesverwaltungsgericht Urteil09.07.2008

Erst- und letzt­in­sta­nzliche Zuständigkeit des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts für bestimmte Straßen­ver­kehr­s­projekte verfas­sungsgemäßZum arten­schutz­recht­lichen Tötungsverbot

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat die Klage von eigen­tums­be­troffenen Bürgern und eines Natur­schutz­vereins gegen den straßen­recht­lichen Planfest­stel­lungs­be­schluss der Bezirks­re­gierung Detmold für den Bau einer Nordumgehung von Bad Oeynhausen (einschließlich notwendiger Folgemaßnahmen) abgewiesen und ist in dem Urteil insbesondere auf seine Ende 2006 eingeführte erst- und letzt­in­sta­nzliche Zuständigkeit für bestimmte Straßen­ver­kehr­s­projekte sowie auf den Artenschutz eingegangen.

Durch das Planvorhaben soll eine Lücke im Fernstraßennetz zwischen der A 30 westlich und der A 30/A 2 östlich der Stadt geschlossen werden. Derzeit wird der Fernverkehr über eine Bundesstraße (B 61 – Kanal-/Mindener Straße) durch das Stadtgebiet von Bad Oeynhausen und Löhne geführt.

Erst- und letzt­in­sta­nzliche Zuständigkeit des Bundes­ver­wal­tungs­gericht verfas­sungsgemäß

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat aus Anlass dieses Falles auf entsprechende Rüge der Kläger hin entschieden, dass die Ende 2006 eingeführte erst- und letzt­in­sta­nzliche Zuständigkeit des Gerichts für bestimmte Straßen­ver­kehr­s­projekte (auch) in den alten Bundesländern (§ 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO, § 17 e Abs. 1 FStrG) verfassungsgemäß ist. Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht gehindert, abweichend vom herkömmlichen Aufbau der Rechtswege einem obersten Bundesgericht, das grundsätzlich als Revisi­ons­gericht für die Entscheidung über Rechtsfragen zuständig ist, ausnahmsweise auch Verfahren zuzuweisen, in denen es als einzige Instanz selbst Tatsa­chen­fest­stel­lungen zu treffen hat. Den für eine solche Ausnah­me­re­gelung erforderlichen sachlichen Grund hat der Gesetzgeber hier darin sehen dürfen, dass er Planungs­ver­fahren für bestimmte, von ihm aufgelistete Verkehr­s­projekte aus bundess­taat­lichen Gründen beschleunigen wollte. Dies ist mit Blick auf den dem Gesetzgeber insoweit zuzuerkennenden Entschei­dungs­spielraum nicht zu beanstanden. Allerdings folgt aus den verfas­sungs­recht­lichen Bindungen des Gesetzgebers, dass die Zuweisung erstin­sta­nz­licher Zuständigkeiten an ein oberstes Bundesgericht in quantitativer und qualitativer Hinsicht die Ausnahme bleiben muss; die sich daraus ergebenden Grenzen hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht bei den hier maßgeblichen Vorschriften als derzeit (noch) nicht überschritten angesehen.

Kläger rügen Verstoß gegen Arten­schutzrecht

In der Sache selbst hatten die Kläger gerügt, dass das Planvorhaben gegen Vorschriften des deutschen und europäischen Arten­schutz­rechts verstoße, weil es vorhandene Vorkommen von Fledermäusen und diversen Vogel- und Amphibienarten beeinträchtige, und dass die Planfest­stel­lungs­behörde andere, sich aufdrängende Trassen­va­rianten (eine abgesenkte Troglösung auf der Trasse der bisherigen Stadtdurchfahrt und eine weite Südumfahrung) zu Unrecht aus der Planung ausgeschieden habe; ferner hatten sie die vorgesehenen Lärmschutz­maß­nahmen als unzureichend beanstandet.

Nur ein signifikant erhöhtes Kolli­si­ons­risiko erfüllt den Tatbestand des arten­schutz­recht­lichen Tötungsverbots

Dem ist das Bundes­ver­wal­tungs­gericht nicht gefolgt. Es hat den Streitfall zum Anlass genommen, die rechtlichen Maßstäbe für die Ermittlung und Bewertung der von einem Straßen­bau­vorhaben voraussichtlich verursachten arten­schutz­recht­lichen Beein­träch­ti­gungen (außerhalb von Schutzgebieten nach der sog. Fauna-Flora-Habitat- Richtlinie) und deren gerichtliche Überprüfung zu präzisieren. Hieran gemessen sind die dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden fachgut­acht­lichen Ermittlungen und Bewertungen einschließlich der festgesetzten umfangreichen natur­schutz­recht­lichen (Begleit- und Vermeidungs-) Maßnahmen im Ergebnis nicht zu beanstanden. Das Gericht hat insbesondere betont, dass nicht jedes, sondern nur ein durch das Straßen­bau­vorhaben signifikant erhöhtes Kolli­si­ons­risiko den Tatbestand des arten­schutz­recht­lichen Tötungsverbots erfüllt. Der Planfest­stel­lungs­be­schluss leidet auch hinsichtlich der Varia­n­te­n­auswahl nicht an einem Abwägungsfehler. Die Planfest­stel­lungs­behörde hat wegen des bei Verwirklichung der abgesenkten Troglösung nach den eingeholten hydro­geo­lo­gischen Stellungnahmen der Fachbehörden nicht auszu­schlie­ßenden Risikos für die Heilquellen im Stadtgebiet diese Variante verwerfen dürfen. Die von den Klägern vorgeschlagene weite Südumfahrung hat die Behörde vor allem wegen mit ihr verbundener Nachteile in der straßen­ent­wurfs­tech­nischen Beurteilung ebenfalls aus der weiteren Betrachtung ausscheiden dürfen. Schließlich ist auch die dem Lärmschutz­konzept des Planfest­stel­lungs­be­schlusses zugrunde liegende Lärmprognose nicht zu beanstanden.

Hinsichtlich zweier Kläger hatte die Planfest­stel­lungs­behörde in der mündlichen Verhandlung zugesichert, über punktuell verbesserte Lärmschutz­maß­nahmen an den Grundstücken dieser Kläger erneut zu entscheiden; insoweit war das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt worden.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 46/08 des BVerwG vom 09.07.2008

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