18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen eine Reihe mit gelben Aktenordnern, die mit Barcodes markiert sind.

Dokument-Nr. 10474

Drucken
Urteil27.10.2010BundesverwaltungsgerichtBVerwG 8 C 43.09
Vorinstanzen:
  • Verwaltungsgericht Aachen, Urteil28.06.2007, 4 K 142/06
  • Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil22.06.2009, 15 A 2324/07
ergänzende Informationen

Bundesverwaltungsgericht Urteil27.10.2010

BVerwG zu den Grenzen des Hebesatzrechts einer Gemeinde bei anhaltender Haushalts­notlageRegelung in Gemeindeordnung mit Pflicht zur Aufstellung eines ausgeglichenen Haushalts und Herbeiführung eines schnellst­mög­lichen Haushalts­aus­gleichs nicht zu beanstanden

Das Selbst­ver­wal­tungsrecht der Gemeinden schließt eine Beanstandung der Senkung der Hebesätze für die Grund- und Gewerbesteuer nicht aus, wenn die betreffende Gemeinde sich in einer anhaltenden Haushalts­notlage befindet und das von ihr vorgelegte Haushalts­si­che­rungs­konzept nicht erkennen lässt, wie der Einnahmeverlust ausgeglichen werden soll. Dies entschied das Bundes­ver­wal­tungs­gericht.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Falls, eine kreisangehörige Gemeinde in Nordrhein-Westfalen, verfügt seit 1999 weder über einen ausgeglichenen Haushalt noch über ein genehmigtes oder geneh­mi­gungs­fähiges Haushalts­si­che­rungs­konzept. Bereits im Jahre 2003 hatte die staatliche Kommu­na­l­aufsicht ihr gegenüber im Wege der Ersatzvornahme den Hebesatz für die Grundsteuer B auf 391 v.H. und für die Gewerbesteuer auf 413 v.H. des Steuer­mess­be­trages festgesetzt. Für das Haushaltsjahr 2005 senkte die Klägerin den Hebesatz für die Grundsteuer B auf 350 v.H. und für die Gewerbesteuer auf 400 v.H. des Steuer­mess­be­trages und erklärte, sie wolle damit die Abgaben­be­lastung ihrer Bürger reduzieren und Inves­ti­ti­o­ns­anreize schaffen. Trotz Beanstandung durch den Bürgermeister hielt der Rat der Gemeinde an diesem Beschluss fest. Daraufhin hob der beklagte Landrat als Kommu­na­l­auf­sichts­behörde den Ratsbeschluss auf. Zur Begründung führte er aus, der Beschluss verletze die gesetzliche Pflicht der Gemeinden, den Haushalt möglichst bald auszugleichen. Der hiergegen gerichteten Klage hat das Verwal­tungs­gericht stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberver­wal­tungs­gericht das erstin­sta­nzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin ist erfolglos geblieben.

Eigen­ver­ant­wortliche Festsetzung der Hebesätze für Grund- und Gewerbesteuer nur im Rahmen der Gesetze gewährleistet

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat zur Begründung seiner Entscheidung darauf abgestellt, dass das Grundgesetz den Gemeinden das Recht, ihre Angelegenheiten eigen­ver­ant­wortlich zu regeln und die Hebesätze für die Grund- und die Gewerbesteuer festzusetzen, nur im Rahmen der Gesetze gewährleistet. Deshalb wird dieses Recht durch die in der Gemeindeordnung des Landes Nordrhein-Westfalen geregelte Pflicht beschränkt, einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen und ggf. den Haushalts­aus­gleich zum nächstmöglichen Zeitpunkt wieder herbeizuführen. Die Annahme des Oberver­wal­tungs­ge­richts, dies schränke das Recht der Gemeinden zur Senkung der Hebesätze in Fällen einer schweren Haushalts­notlage von unabsehbarer Dauer ein, ist verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden. In einer solchen Situation darf die Gemeinde die Hebesätze nicht auf ein im kreis- und landesinternen Vergleich besonders niedriges Niveau festsetzen, wenn ein Ausgleich des Einnah­me­n­ausfalls weder konkret in der Haushalts­planung vorgesehen noch absehbar ist. Dies schränkt die gemeindliche Finanzhoheit und das daraus fließende Hebesatzrecht nicht unver­hält­nismäßig ein und wahrt den Kernbereich des Selbst­ver­wal­tungs­rechts. Es belässt der Gemeinde die Entscheidung, wie der Haushalts­aus­gleich angestrebt werden soll, und verbietet nur, in Fällen einer anhaltenden Haushalts­notlage diesem Ziel zuwiderlaufende Maßnahmen zu treffen.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil10474

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI