18.10.2024
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Bundesverwaltungsgericht Urteil02.07.2008

So genannte „Biblis-Auflage“ für Kernkraftwerk Philippsburg weitgehend rechtswidrigKleine Störfälle müssen nicht gleich zur Abschaltung führen

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht in Leipzig hat entschieden, dass die so genannte „Biblis-Auflage“ weitgehend – bis auf die darin enthaltene Informations- und Meldepflicht der Betreiberin – wegen Unbestimmtheit rechtswidrig ist.

Mit der streitigen nachträglichen Auflage hatte die zuständige Landesbehörde auf Weisung des Bundes­mi­nis­teriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktor­si­cherheit der Betreiberin des Kernkraftwerkes Philippsburg aufgegeben, bei – nicht „offensichtlich unbedeutender“ – Nichteinhaltung von „Grenzwerten, Maßen oder anderen spezifizierten sicher­heits­tech­nischen Anforderungen zur Störfa­ll­be­herr­schung“ den Leistungs­betrieb von sich aus unverzüglich einzustellen. Das Gleiche sollte gelten, wenn „der Nachweis der Störfa­ll­be­herr­schung gescheitert ist, es sei denn, die Störfa­ll­be­herr­schung ist zweifelsfrei nur geringfügig beeinträchtigt“. Ferner war angeordnet worden, dass „die Aufsichts­behörde unverzüglich zu informieren“ ist, wenn „der Nachweis der Störfa­ll­be­herr­schung in Frage gestellt sein könnte“. Eine gleichlautende nachträgliche Auflage war auf Weisung des Bundes­um­welt­mi­nis­teriums erstmals für das Kernkraftwerk Biblis angeordnet worden; insoweit ist ein Klageverfahren noch bei dem Hessischen Verwal­tungs­ge­richtshof anhängig. Es ist beabsichtigt, vergleichbare Anordnungen für alle Atomkraftwerke im Bundesgebiet zu erlassen.

VGH Baden-Württemberg hielt die Auflage für zu unbestimmt

Der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg hatte die Auflage für zu unbestimmt gehalten und sie deshalb insgesamt aufgehoben. Dieser Auffassung schloss sich das Bundes­ver­wal­tungs­gericht an, soweit in der Auflage die Pflicht zur sofortigen Betrie­b­s­ein­stellung angeordnet wird.

BVerwG: Auflage ist wegen Unbestimmtheit rechtswidrig

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat zur Begründung ausgeführt, die Betreiberin könne in beiden Fällen nicht hinreichend deutlich erkennen, wann und unter welchen Voraussetzungen diese Pflicht ausgelöst werde. Es hat insbesondere beanstandet, dass das Verhältnis der angeordneten Betrie­b­s­ein­stellung zu den zahlreichen Auflagen in der Genehmigung und den darin enthaltenen differenzierten Reaktionen auf die Nichteinhaltung von Grenzwerten und anderen Kontrolldaten unklar sei. Soweit in der streitigen Auflage unabhängig von der Schwere der Überschreitung und der Bedeutung des nicht eingehaltenen Kontrollwerts für die Sicherheit pauschal die sofortige Einstellung des Leistungs­be­triebs verfügt werde, verstoße sie überdies gegen den Verhält­nis­mä­ßig­keits­grundsatz.

Melde- und Infor­ma­ti­o­ns­pflicht ist hinreichend bestimmt

Die angeordnete Melde- und Infor­ma­ti­o­ns­pflicht hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hingegen für hinreichend bestimmt gehalten und die Klage insoweit abgewiesen. In der mündlichen Verhandlung hatte der Beklagte erklärt, die Pflicht zur Information greife ein, wenn gesicherte natur­wis­sen­schaftlich-technische Erkenntnisse bei der Betreiberin Zweifel an dem Nachweis der Störfa­ll­be­herr­schung weckten. Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht ist der Auffassung, solche die Infor­ma­ti­o­ns­pflicht auslösenden Zweifel seien für die Betreiberin ohne Weiteres erkennbar, wenn sie etwa wegen Unklarheiten mit dem Hersteller in Erörterungen eingetreten sei.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 42/08 des BVerwG vom 02.07.2008

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