21.11.2024
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Dokument-Nr. 8692

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Urteil29.10.2009BundesverwaltungsgerichtBVerwG 7 C 22.08
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • JuS 2010, 843 (Christian Waldhoff)Zeitschrift: Juristische Schulung (JuS), Jahrgang: 2010, Seite: 843, Entscheidungsbesprechung von Christian Waldhoff
  • NVwZ 2010, 321Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ), Jahrgang: 2010, Seite: 321
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Bundesverwaltungsgericht Urteil29.10.2009

Kein Zugang zu amtlichen Informationen bei nachteiligen Auswirkungen auf internationale BeziehungenPrognose zu möglichen "Verstimmungen" anderer Länder muss stets unverändert tragfähig sein

Ob der Zugang zu amtlichen Informationen wegen möglicher nachteiliger Auswirkungen auf internationale Beziehungen abgelehnt werden muss, unterliegt einer Beurteilung der zuständigen Behörde, die von den Verwaltungs­gerichten nur eingeschränkt nachgeprüft werden kann. Dies hat das Bundes­verwaltungs­gericht entschieden.

Grundsätzlich hat nach dem Infor­ma­ti­o­ns­frei­heits­gesetz des Bundes jeder gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Dieser Anspruch ist aber unter anderem dann ausgeschlossen, wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen haben kann.

Sachverhalt

Der Kläger ist politischer Redakteur eines wöchentlich erscheinenden Magazins. Er recherchiert unter anderem über die Aktivitäten ausländischer Geheimdienste in Deutschland. Gestützt auf das Infor­ma­ti­o­ns­frei­heits­gesetz bat er das Bundes­ver­kehrs­mi­nis­terium, ihm aus den Flugplänen der Deutschen Flugsicherung Auskünfte zu geben über die Flugbewegungen von 20 im Einzelnen benannten Flugzeugen mit Regis­trier­nummern aus dem Registrierstaat USA im Zeitraum vom 1. Januar 2001 bis zum 31. Dezember 2005.

Herausgabe von Informationen könnte gute Zusammenarbeit mit Vereinigten Staaten gefährden

Das Bundes­ver­kehrs­mi­nis­terium lehnte den Antrag ab: Die Bundesregierung gehe davon aus, dass die Vereinigten Staaten es als unerwünscht ansähen, wenn sie die angefragten Flugdaten veröffentliche. Die erbetenen Informationen könnten möglicherweise dazu verwendet werden, einen Zusammenhang zwischen den Flugbewegungen bestimmter Flugzeuge sowie behaupteter Entführungen terror­ver­dächtiger Personen und deren Transport an geheim gehaltene Orte durch die CIA, den amerikanischen Auslands­nach­rich­ten­dienst, herzustellen. Würden die erbetenen Informationen amtlich freigegeben, sei zu befürchten, dass dies die gute Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten gefährde.

Gerichte weisen Klage ab

Verwal­tungs­gericht und Oberver­wal­tungs­gericht haben die Klage abgewiesen. Das Oberver­wal­tungs­gericht hat angenommen, die beklagte Bundesrepublik Deutschland habe nachvollziehbar dargelegt, dass das Bekanntwerden der erbetenen Informationen nachteilige Auswirkungen auf die Beziehungen zu den USA haben könne.

BVerwG bemängelt vom Oberver­wal­tungs­gericht nicht ausreichend und verfah­rens­feh­lerhaft geprüfte Prognosen und Umstände

Auf die Revision des Klägers hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht das Urteil des Oberver­wal­tungs­ge­richts aufgehoben und die Sache wegen eines Verfah­rens­fehlers zurückverwiesen. Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat dabei allerdings den rechtlichen Ansatz des Oberver­wal­tungs­ge­richts gebilligt: Für die Regelung der auswärtigen Beziehungen räume das Grundgesetz der Bundesregierung einen grundsätzlich weit bemessenen Spielraum eigener Gestaltung ein. Innerhalb dieses Spielraums bestimme die Bundesregierung die außen­po­li­tischen Ziele und die zu ihrer Erreichung verfolgte Strategie. Nur mit Blick auf diese Ziele und die insoweit verfolgte außenpolitische Strategie könne die Frage beantwortet werden, ob sich die Bekanntgabe von Informationen nachteilig auf die auswärtigen Belange auswirken könne. Die Ziele der Bundesregierung, die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten von weiteren „Verstimmungen" der amerikanischen Seite freizuhalten und die bisherige Zusammenarbeit mit den amerikanischen Nachrich­ten­diensten nicht zu beeinträchtigen, hielten sich in diesem weitgesteckten und gerichtlich nicht nachprüfbaren Spielraum außen­po­li­tischer Gestaltung. Der Eintritt solcher Nachteile könne nur Gegenstand einer Prognose sein, die ihrerseits nur in engen Grenzen verwal­tungs­ge­richtlich überprüfbar sei. Ob ein auswärtiger Staat das Bekanntwerden einer Information gelassen hinnehmen oder hierauf verstimmt reagieren werde, beruhe auf einer Einschätzung der Bundesregierung, der eine Vielzahl von Einze­lein­drücken und -beobachtungen zugrunde lägen, die sie im diplomatischen Verkehr mit dem auswärtigen Staat in der zurückliegenden Zeit gewonnen habe. Die Prognose müsse aber auch angesichts späterer Umstände unverändert tragfähig sein. Dies habe das Oberver­wal­tungs­gericht verfah­rens­feh­lerhaft nicht ausreichend geprüft. Der Kläger habe im Berufungs­ver­fahren auf den Abschluss­bericht des Ermitt­lungs­be­auf­tragten beim 1. Unter­su­chungs­aus­schuss des Deutschen Bundestages vom 31. März 2008 hingewiesen. Dieser Abschluss­bericht halte ausdrücklich fest, dass es ein Programm der CIA zur Entführung mutmaßlicher Terroristen auch nach Aussagen des Präsidenten der Vereinigten Staaten gebe und zwei von der CIA veranlasste Transporte gefangener Verdächtiger über deutsches Staatsgebiet stattgefunden hätten, wobei Flugzeuge zum Einsatz gekommen seien, die in dem Auskunft­s­er­suchen des Klägers genannt seien. Das Oberver­wal­tungs­gericht sei auf diesen Vortrag des Klägers nicht eingegangen, obwohl sich ihm die Frage hätte aufdrängen müssen, wie die Vereinigten Staaten auf die Herausgabe dieses Unter­su­chungs­be­richtes reagiert haben und ob die Herausgabe weiterer für sich neutraler Daten über Flugbewegungen durch die Bundesregierung überhaupt noch geeignet ist, „Verstimmungen" der USA auszulösen.

Quelle: ra-online, BVerwG

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