24.11.2024
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Bundesverwaltungsgericht Urteil29.09.2015

Straf­ge­richtliche Verurteilungen berechtigen nur bei Wissen­schaftsbezug zur Versagung der Promo­ti­o­ns­zu­lassungWeitgefasste Regelung zum möglichen Versagung einer Promo­ti­o­ns­zu­lassung verstößt gegen Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit

Das Bundes­verwaltungs­gericht hat entschieden, dass eine Universität die Zulassung zum Promo­ti­o­ns­ver­fahren wegen einer straf­ge­richt­lichen Verurteilung des Antragstellers nur dann ablehnen kann, wenn die begangene Straftat eine wissenschafts­bezogene Verfehlung darstellt.

Der Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens beantragte bei der beklagten Universität die Eröffnung eines Promo­ti­o­ns­ver­fahrens. Dem Antrag beigefügt war gemäß der Promotionsordnung der Beklagten ein polizeiliches Führungszeugnis, das keine Eintragung auswies. Tatsächlich war der Kläger zu diesem Zeitpunkt wegen sexueller Nötigung rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden war. Die zuständige Staats­an­walt­schaft hatte die Verurteilung bei Ausstellung des polizeilichen Führungs­zeug­nisses dem Bundesamt für Justiz noch nicht mitgeteilt. Die beklagte Universität promovierte den Kläger und verlieh ihm den Grad eines Dr.-Ing. Nachdem ihr die Verurteilung des Klägers bekannt geworden war, entzog sie ihm den verliehenen Doktorgrad. Der Kläger habe über wesentliche Zulas­sungs­vor­aus­set­zungen getäuscht, indem er die im polizeilichen Führungszeugnis fälschlich nicht eingetragene Vorstrafe nicht offengelegt habe. Das Verwal­tungs­gericht Chemnitz hat die gegen den Entzug des Doktorgrades erhobene Klage abgewiesen, das Oberver­wal­tungs­gericht Bautzen die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Strafrechtliche Verfehlung muss unmittelbaren Bezug zur fachlich-wissen­schaft­lichen Qualifikation für Promo­ti­o­ns­zu­lassung aufweisen

Auf die Revision des Klägers hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht seiner Klage stattgegeben und die Entscheidung der beklagten Universität über den Entzug des Doktorgrades aufgehoben. Nach der hier einschlägigen Bestimmung der Promo­ti­o­ns­ordnung ist dem Promo­ti­o­ns­antrag ein polizeiliches Führungszeugnis beizufügen. Damit behält sich die beklagte Universität vor, eine Zulassung zur Promotion abzulehnen, wenn der Antragsteller straf­ge­richtlich verurteilt ist, ohne jedoch die Fälle näher einzugrenzen, in denen eine straf­ge­richtliche Verurteilung eine Zulassung zur Promotion ausschließen soll. Eine derart weitgefasste Regelung verstößt gegen den Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit. Eine straf­ge­richtliche Verurteilung kann als Grund, die Zulassung zur Promotion zu versagen, nur dann legitimer Weise herangezogen werden, wenn die Universität dadurch die Funkti­o­ns­fä­higkeit des Wissen­schafts­pro­zesses sichern will. Das ist nur dort der Fall, wo die straf­recht­lichen Verfehlungen einen unmittelbaren Bezug zu der mit dem Doktorgrad verbundenen fachlich-wissen­schaft­lichen Qualifikation haben. Danach war die hier in Rede stehende Bestimmung nicht anwendbar und konnte nicht dazu herangezogen werden, dem Kläger die Zulassung zur Promotion zu versagen. Die vom Kläger verübte Täuschung über seine strafrechtliche Unbeschol­tenheit konnte nicht ursächlich für die Verleihung des Doktorgrades werden. Deshalb konnte ihm der Doktorgrad nicht wegen dieser Täuschung entzogen werden.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

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