Dokument-Nr. 4252
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Bundesverwaltungsgericht Urteil16.05.2007
"Fuckparade" muss als Demonstration behandelt werdenFür die Bewertung als "Versammlung" ist Gesamtschau alle maßgeblichen Gesichtspunkte notwendig
Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass der Polizeipräsident in Berlin die Veranstaltung "Fuckparade 2001" als Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes und damit im Sinne des Grundgesetzes hätte behandeln müssen. Damals war die "Fuckparade" noch als Gegendemonstration zur Berliner Loveparade angemeldet worden. Die Veranstaltung sei als Versammlung zu behandeln, weil nicht zweifelsfrei auszuschließen sei, dass die Veranstaltung mit Blick auf ihr Gesamtgepräge für einen Außenstehenden erkennbar auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet war, führten die Richter aus.
Der Kläger meldete für den 14. Juli 2001 die Veranstaltung „Fuckparade 2001 - 5 Jahre Hateparade“ als „Gegendemonstration zur Berliner Love Parade“ an. Die Veranstaltung sollte in Berlin als Sternmarsch stattfinden und auf drei näher bezeichneten Routen zum Alexanderplatz führen. Dort sollte eine Abschlusskundgebung stattfinden. Gerechnet wurde mit etwa 10 000 Teilnehmern, die von 40 bis 50 Lautsprecherwagen begleitet werden sollten. Von den Lautsprecherwagen sollten verschiedene Discjockeys Techno-Musik unterschiedlicher Stile spielen. Als Themen der Veranstaltung wurden in der Anmeldung angegeben „Keine Zensur durch Kommerz“, „Love Parade raus aus dem Tiergarten“, „Leben statt Hauptstadtwahn“ und „Keine Party ist illegal“. Während der Veranstaltung sollten Tausende von Handzetteln verteilt werden, die die genannten Forderungen wiedergeben und näher begründen. Danach sollte sich die Veranstaltung insbesondere gegen die Verdrängung von Anhängern bestimmter Techno-Musikstile aus den angestammten Stadtgebieten, gegen die Schließung von Clubs und die Auflösung von Partys sowie gegen die kommerzialisierte „Love Parade“ als „Pseudo-Demo“ richten. Auf den auf dem Sternmarsch mitgeführten Lastkraftwagen sollten Banner angebracht werden, die auf die Forderungen der Veranstaltung hinweisen sollten. In dem Internetauftritt des Klägers wurden diese Anliegen dargelegt und begründet. Auf Veranlassung des Klägers und unter Hinweis auf die "Fuckparade" fand eine Podiumsveranstaltung u.a. mit Politikern zu dem Thema „Wie wichtig sind Sub- und Clubkultur für eine lebenswerte Stadt“ statt.
Der Polizeipräsident in Berlin teilte dem Kläger mit, dass die angemeldete Veranstaltung nicht die Voraussetzungen einer Versammlung erfülle, weil sich die Rolle der Teilnehmer auf das Zuhören und Tanzen beschränke und das Verteilen der Handzettel und die Spruchbänder der Veranstaltung nicht das entscheidende Gepräge verleihen würden. Dem sind das von dem Kläger angerufene Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht gefolgt. Das Bundesverwaltungsgericht ist dem entgegengetreten.
Die von dem Kläger angemeldete Veranstaltung war als Versammlung zu behandeln, weil nicht zweifelsfrei auszuschließen ist, dass die Veranstaltung mit Blick auf ihr Gesamtgepräge für einen Außenstehenden erkennbar auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet war. Bei der Beurteilung des Gesamtgepräges einer Veranstaltung sind mit Blick auf die besondere Bedeutung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit im Wege einer Gesamtschau alle maßgeblichen Gesichtspunkte mit der ihnen zukommenden Bedeutung zu berücksichtigen. Dem hat das Oberverwaltungsgericht nicht ausreichend Rechnung getragen. Es hat mehrere relevante Umstände unberücksichtigt gelassen. Nach der vom Bundesverwaltungsgericht angestellten eigenständigen Beurteilung des Gesamtgepräges der Veranstaltung war diese als Versammlung zu behandeln. Dafür, dass die Veranstaltung erkennbar auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sein sollte, sprechen insbesondere die Handzettel, auf denen die Forderungen der Veranstaltung wiedergegeben und näher beschrieben wurden, und die beabsichtigte Wiedergabe der Forderungen auf den an den Lastkraftwagen befestigten Bannern. Von Bedeutung sind auch der Internetauftritt des Klägers, in dem die Forderungen der Veranstaltung ausführlich dargelegt und begründet wurden, und die von dem Kläger initiierte Podiumsdiskussion. Angesichts der zahlreichen uns aussagekräftigen Umstände, die für eine Versammlung sprechen, kann nicht angenommen werden, dass die auf Musik, Tanz und Unterhaltung gerichteten Elemente der Veranstaltung im Vordergrund gestanden hätten.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 18.05.2007
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 31/07 des BVerwG vom 16.05.2007
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