14.11.2024
14.11.2024  
Sie sehen das Schild des Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

Dokument-Nr. 4257

Drucken
Beschluss12.07.2001Bundesverfassungsgericht1 BvQ 28/01, 1 BvQ 30/01
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW 2001, 2459Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2001, Seite: 2459
Für Details Fundstelle bitte Anklicken!
ergänzende Informationen

Bundesverfassungsgericht Beschluss12.07.2001

"Love Parade" und "Fuck Parade" sind keine VersammlungenBundes­ver­fassungs­gericht lehnt einstweilige Anordnungen zu den Paraden ab

Das Bundes­ver­fassungs­gericht hat die Auffassung des Oberverwaltungs­gerichts Berlin bestätigt, nach der die "Love Parade" und die "Fuck Parade" keine Versammlungen im Sinne des Art. 8 GG sind. Die Zurschau­stellung eines Lebensgefühls, auch wenn sie dem Mehrheits­ge­schmack entsprechen sollte, sei keine Versammlung mit dem Ziel der Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung. Es überwiege hier der Charakter einer öffentlichen Massenparty und Vergnügungs­veranstaltung. Die Veranstaltungen würden nicht allein dadurch insgesamt zu einer Versammlung, dass bei ihrer Gelegenheit auch Meinungs­kundgaben erfolgten.

Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts hat zwei Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, mit denen die Veranstalter der "Love Parade" und der "Fuck Parade" jeweils die Bewertung ihrer Veranstaltungen als Versammlung erreichen wollten.

Zur Begründung führt sie u. a. aus:

Die Entscheidungen des OVG Berlin, mit denen beiden Paraden der Charakter einer von Art. 8 GG geschützten Versammlung abgesprochen worden sind, sind verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden. Das Grundrecht der Versamm­lungs­freiheit erhält seine besondere verfas­sungs­rechtliche Bedeutung in der freiheitlich demokratischen Ordnung des Grundgesetzes wegen des Bezugs auf den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung. Dementsprechend sind Versammlungen im Sinne des Art. 8 GG örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zwecks gemein­schaft­licher Erörterung und Kundgebung mit dem Ziel der Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung. Für die Eröffnung des Schutzbereiches von Art. 8 GG reicht es nicht aus, dass die Teilnehmer bei ihrem gemein­schaft­lichen Verhalten durch irgendeinen Zweck miteinander verbunden sind.

Daraus folgt, dass Zusammenkünfte zwar auch dann in den Schutzbereich der Versamm­lungs­freiheit fallen, wenn sie ihre kommunikativen Zwecke unter Einsatz von Musik und Tanz verwirklichen. Dies ist der Fall, wenn diese Mittel mit dem Ziel eingesetzt werden, auf die öffentliche Meinungsbildung einzuwirken. Andererseits fallen Volksfeste und Vergnü­gungs­ver­an­stal­tungen ebenso wenig unter den Versamm­lungs­begriff wie Veranstaltungen, die der bloßen Zurschau­stellung eines Lebensgefühls dienen oder die als eine auf Spaß und Unterhaltung ausgerichtete öffentliche Massenparty gedacht sind, einerlei ob der dort vorherrschende Musiktyp ein Lebensgefühl sogenannter Subkulturen ausdrückt oder dem Mehrheits­ge­schmack entspricht. Eine Musik- und Tanzver­an­staltung wird nicht allein dadurch insgesamt zu einer Versammlung im Sinne des Art. 8 GG, dass bei ihrer Gelegenheit auch Meinungs­kundgaben erfolgen.

Es ist danach unbedenklich, dass die vorhandenen Elemente öffentlicher Meinungs­kundgabe vom Oberver­wal­tungs­gericht Berlin weder bei der "Fuck Parade" noch bei der "Love Parade" als ausreichend angesehen werden, um die jeweilige Veranstaltung in ihrer Gesamtheit als Versammlung zu qualifizieren. Das Oberver­wal­tungs­gericht hat gewisse Elemente der Meinungs­kundgabe insbesondere bei der "Fuck Parade" erkannt, aber dahingehend bewertet, dass sie der Veranstaltung das Gepräge als Massenspektakel oder Volks­be­lus­tigung nicht nehmen. Das Schwergewicht liege auf dem Gebiet der Unterhaltung; die Meinungs­kundgabe sei nur beiläufiger Nebenakt. Diese Bewertung ist nicht zu beanstanden.

Quelle: ra-online, Bundesverfassungsgericht (pm)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Beschluss4257

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI