14.11.2024
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Dokument-Nr. 6276

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Bundesverwaltungsgericht Urteil25.06.2008

BVerwG bestätigt Verbot der Versammlung "Gedenken an Rudolf Heß"Bei Durchführung der Versammlung wäre mit Verstößen gegen § 130 Abs. 4 StGB zu rechnen gewesen

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht in Leipzig hat entschieden, dass das Verbot der Versammlung mit dem Thema "Gedenken an Rudolf Heß" an dessen Begräbnisort Wunsiedel/Fichtelgebirge im Jahr 2005 rechtmäßig war.

Das Verbot war in erster Linie darauf gestützt worden, dass bei Durchführung der Versammlung mit Verstößen gegen § 130 Abs. 4 StGB (Volksverhetzung) zu rechnen sei. Die dagegen gerichtete Klage war vor dem Verwal­tungs­gericht und dem Verwal­tungs­ge­richtshof erfolglos. Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat die Revision des Klägers zurückgewiesen.

§ 130 Abs. 4 StGB lautet: "Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die natio­nal­so­zi­a­lis­tische Gewalt- und Willkür­herr­schaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt."

§ 130 Abs. 4 StGB ist verfas­sungsgemäß

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht bejaht die Verfas­sungs­mä­ßigkeit dieser Bestimmung. Sie greift zwar in den Schutzbereich der in Art. 5 Abs. 1 GG grundrechtlich gewährleisteten Meinungs­freiheit ein. Der Eingriff ist jedoch gerechtfertigt, weil die Strafrechtsnorm die Meinungs­freiheit in zulässiger Weise, nämlich zum Schutz des öffentlichen Friedens und der Menschenwürde der Opfer und ihrer Nachkommen, einschränkt.

Delikte der Volksverhetzung waren zu erwarten

Die Versamm­lungs­behörde hat beim Erlass der angefochtenen Verfügung zutreffend mit Verstößen der Versamm­lungs­teil­nehmer gegen § 130 Abs. 4 StGB gerechnet, die sie durch das Versammlungsverbot rechtmäßig verhindert hat. Mit an Gewissheit grenzender Wahrschein­lichkeit wären die die natio­nal­so­zi­a­lis­tische Gewalt- und Willkür­herr­schaft kennzeichnenden schweren Menschen­rechts­ver­let­zungen gebilligt worden. Im Rahmen der Veranstaltung wäre die Person Rudolf Heß in einer besonderen Weise positiv bewertet worden. Dies ergibt sich aus Äußerungen im Zusammenhang mit der streitigen Veranstaltung und mit entsprechenden Versammlungen, die in den Vorjahren jeweils anlässlich des Todestags von Rudolf Heß in Wunsiedel stattgefunden hatten.

Natio­nal­so­zi­a­lis­tisches Regime wird als friedenswillig verharmlost

Eine positive Bewertung kommt bereits in dem Motto der Veranstaltung zum Ausdruck ("Rudolf Heß: Seine Ehre galt ihm mehr als die Freiheit"). Rudolf Heß wird u.a. als "Märtyrer" bezeichnet, der "uns und der Welt ein Beispiel unbeugsamer Treue bis in den Tod" gab. Er wird als integre Person mit Vorbildfunktion dargestellt. Damit beschränkt sich die Glorifizierung nicht auf Teilaspekte seiner Person oder seines Handelns. Als "Stellvertreter des Führers" war Rudolf Heß ein exponierter Repräsentant und Akteur des natio­nal­so­zi­a­lis­tischen Regimes. Indem dargelegt wird, Rudolf Heß sei als Stellvertreter Adolf Hitlers in dessen Auftrag im Mai 1941 nach Großbritannien geflogen, um dort Friedens­ver­hand­lungen zu führen, wird er als ein treuer Gefolgsmann Hitlers vorgestellt und darüber hinaus das natio­nal­so­zi­a­lis­tische System insgesamt als friedenswillig verharmlost. Bei der gebotenen Würdigung aller einschlägigen Äußerungen in ihrer Gesamtheit drängt es sich auf, dass die Glorifizierung der Person Rudolf Heß als Billigung des natio­nal­so­zi­a­lis­tischen Regimes in allen seinen Erschei­nungs­formen und damit auch als Gutheißen der von diesem Regime ausgeübten Gewalt- und Willkür­herr­schaft wahrgenommen worden wäre. Dafür kommt es nicht darauf an, ob die Menschen­rechts­ver­let­zungen ausdrücklich gebilligt worden wären; vielmehr reicht nach § 130 Abs. 4 StGB eine zwar verdeckte, aber gleichwohl – wie hier – für einen mit den Gesamtumständen vertrauten Beobachter klar erkennbare, einschrän­kungslose Billigung des natio­nal­so­zi­a­lis­tischen Regimes aus.

Verletzung der Würde der Opfer war zu befürchten

Mit der Billigung der natio­nal­so­zi­a­lis­tischen Gewalt- und Willkür­herr­schaft wäre zudem eine Verletzung der Würde der Opfer dieser Herrschaft verbunden gewesen. Denn in der Billigung der verbre­che­rischen Untaten des Regimes, insbesondere der menschen­ver­ach­tenden Verfolgung und Ermordung von Millionen Juden aus rassischen Gründen, liegt zugleich ein Angriff gegen die Menschenwürde sowohl der getöteten als auch der überlebenden Opfer.

Versammlung hätte eine Störung des öffentlichen Friedens bedeutet

Schließlich wäre bei Durchführung der Versammlung auch eine Störung des öffentlichen Friedens eingetreten, weil sie voraussichtlich weit über Wunsiedel hinaus Beachtung gefunden und insbesondere bei den überlebenden Opfern und bei den Nachkommen der getöteten Opfer die verständliche Furcht vor künftigen Angriffen auf ihre Menschenwürde und vor der gefährlichen Ausbreitung des zugrunde liegenden Gedankenguts ausgelöst hätte.

Quelle: ra-online, Bundesverwaltungsgericht

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