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Dokument-Nr. 35158

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Bundesverwaltungsgericht Urteil24.06.2025

Bundes­ver­wal­tungs­gericht hebt COMPACT-Verbot aufRechtsextremes Magazin COMPACT darf weiter erscheinen

Das mit Verfügung des Bundes­mi­nis­teriums des Innern und für Heimat (BMI) vom 5. Juni 2024 ausgesprochene Verbot der COMPACT-Magazin GmbH und ihrer Teilor­ga­ni­sation, der CONSPECT FILM GmbH, ist rechtswidrig. Das erst- und letzt­in­sta­nzlich zuständige Bundes­ver­wal­tungs­gericht in Leipzig hat es deshalb mit heute verkündetem Urteil aufgehoben.

Die Klägerin, die COMPACT-Magazin GmbH, gibt das monatlich erscheinende "COMPACT-Magazin für Souveränität" heraus und ist im Internet präsent. Neben einer eigenen Webseite mit einem Onlineshop veröffentlicht sie über ihren YouTube-Kanal in verschiedenen Rubriken fernsehähnliche Beiträge. Vor allem erscheint dort werktäglich eine Nachrich­ten­sendung. Über die journalistische Tätigkeit hinaus organisiert die Klägerin Veranstaltungen und Kampagnen. Im Wahljahr 2024 tourte sie mit einer Bühne unter dem Slogan "Die blaue Welle rollt" durch verschiedene Bundesländer.

Mit der Verbots­ver­fügung vom 5. Juni 2024 stellte das BMI unter Berufung auf Art. 9 Abs. 2 Var. 2 GG i. V. m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 2, § 17 Nr. 1 Var. 1 VereinsG fest, dass die Klägerin und ihre Teilor­ga­ni­sation sich gegen die verfas­sungs­mäßige Ordnung richteten, deshalb verboten würden und aufgelöst seien. Zur Begründung führte das BMI an, die Vereinigung lehne nach ihren Zwecken und ihrer Tätigkeit die verfas­sungs­mäßige Ordnung ab und weise eine verfas­sungs­feindliche Grundhaltung auf. Dies komme u. a. in zahlreichen Beiträgen des monatlich erscheinenden Magazins zum Ausdruck.

Der Senat hatte bereits mit Beschluss vom 14. August 2024 (BVerwG 6 VR 1.24) dem Antrag auf Wieder­her­stellung der aufschiebenden Wirkung der gegen die Verfügung erhobenen Klage mit bestimmten Maßgaben stattgegeben. Im Haupt­sa­che­ver­fahren hatte nunmehr auch die Klage Erfolg.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist das Vereinsgesetz anwendbar. Bedenken hieran ergeben sich weder aus der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, in der die Klägerin organisiert ist, noch aus dem Umstand, dass es sich bei ihr um ein Presse- und Medien­un­ter­nehmen handelt. Das Vereinsgesetz bezieht in § 17 Nr. 1 ausdrücklich Gesellschaften mit beschränkter Haftung als "Wirtschafts­ver­ei­ni­gungen" ein, wenn diese sich - worauf die Verbots­ver­fügung hier gestützt ist - gegen die verfas­sungs­mäßige Ordnung richten. Für den vereins­recht­lichen Zugriff auf eine als Presse- und Medien­un­ter­nehmen organisierte Vereinigung mangelt es zudem nicht an der Gesetz­ge­bungs­kom­petenz des Bundes. Vielmehr entspricht die Differenzierung zwischen der verbotenen Organisation als solcher und den von ihr herausgegebenen Presse- und Medien­er­zeug­nissen der Abgrenzung zwischen der konkurrierenden Gesetz­ge­bungs­kom­petenz des Bundes für das Vereinsrecht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 3 GG) gegenüber der Landes­ge­setz­ge­bungs­kom­petenz für das Presse- und Medienrecht (Art. 70 Abs. 1 GG). Die Gesetz­ge­bungs­kom­petenz des Bundes für das Vereinsrecht, die das von einem Kollektiv ausgehende spezifische Gefah­ren­po­tential im Blick hat, ist "blind" für den von der jeweiligen Organisation verfolgten Zweck.

Die von Art. 5 Abs. 1 GG gewährleistete Freiheit von Meinung, Presse und Medien steht der Anwendbarkeit des Vereinsgesetzes auf Presse- und Medien­un­ter­nehmen nicht entgegen. Der Bedeutung dieser grund­recht­lichen Gewähr­leis­tungen ist vielmehr bei der Rechtsanwendung im Einzelfall Rechnung zu tragen. Mit einem auf Art. 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 VereinsG gestützten Vereinsverbot gegen ein Presse- und Medien­un­ter­nehmen darf der Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG nicht unterlaufen werden. Entgegen der klägerischen Rechts­auf­fassung ist weder das Verbot der Vorzensur (Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG) betroffen noch ist der dem Bundes­ver­fas­sungs­gericht vorbehaltene Ausspruch einer Grund­rechts­ver­wirkung (Art. 18 GG) ein gegenüber dem Vereinsverbot vorrangiges Instrument des präventiven Verfas­sungs­schutzes.

Die Anwendung des Vereinsgesetzes auf die Klägerin erweist sich schließlich auch mit Blick auf den Gesetzeszweck als gerechtfertigt. Denn bei der Klägerin, die uneingeschränkt den Schutz der grund­recht­lichen Medien­frei­heiten genießt, handelt es sich nicht nur um ein Presse- und Medien­un­ter­nehmen. Vielmehr verfolgt der maßgebliche Perso­nen­zu­sam­men­schluss nach seinem eigenen Selbst­ver­ständnis eine politische Agenda, organisiert Veranstaltungen sowie Kampagnen und versteht sich als Teil einer Bewegung, für die er auf eine Macht­per­spektive hinarbeitet. Der aus Jürgen Elsässer als Zentralfigur, seiner Ehefrau Dr. Stephanie Elsässer und mehreren Mitarbeitern bestehende Perso­nen­zu­sam­men­schluss ("Elsässer-Kreis") bildet einen Verein i.S.d. § 2 Abs. 1 VereinsG. Denn er ist auf Dauer angelegt, verfolgt mit der Herausgabe der Print- und Onlinemedien und seiner politischen Agenda einen gemeinsamen Zweck und hat sich der straffen Willensbildung des Erstgenannten unterworfen.

Die Vereinigung erfüllt jedoch nicht sämtliche Voraussetzungen des eng auszulegenden Verbotsgrunds des Sichrichtens gegen die verfas­sungs­mäßige Ordnung (Art. 9 Abs. 2 Var. 2 GG, § 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 VereinsG). Dieser schützt nach der Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts die Menschenwürde, das Demokra­tie­prinzip und das Rechts­s­taats­prinzip. Die Menschenwürde ist egalitär; sie gründet ausschließlich in der Zugehörigkeit zur menschlichen Gattung, unabhängig von Merkmalen wie Herkunft, Rasse, Lebensalter oder Geschlecht. Dem Achtungs­an­spruch des Einzelnen als Person ist die Anerkennung als gleich­be­rech­tigtes Mitglied in der rechtlich verfassten Gemeinschaft immanent. Mit der Menschenwürde sind weder ein rechtlich abgewerteter Status noch demütigende Ungleich­be­hand­lungen vereinbar. Dies gilt insbesondere, wenn derartige Ungleich­be­hand­lungen gegen die Diskri­mi­nie­rungs­verbote des Art. 3 Abs. 3 GG verstoßen.

Das ist bei dem sog. "Remigra­ti­o­ns­konzept" der Fall, das ein Vordenker der Identitären Bewegung, Martin Sellner, entworfen hat. Diese Vorstellungen missachten - jedenfalls soweit sie zwischen deutschen Staats­an­ge­hörigen mit oder ohne Migra­ti­o­ns­hin­tergrund unterscheiden - das sowohl durch die Menschenwürde als auch das Demokra­tie­prinzip geschützte egalitäre Verständnis der Staats­an­ge­hö­rigkeit. Denn sie gehen von einer zu bewahrenden "ethno­kul­tu­rellen Identität" aus und behandeln deshalb deutsche Staats­an­ge­hörige mit Migra­ti­o­ns­hin­tergrund als Staatsbürger zweiter Klasse. Diejenigen, "die sich nicht assimilieren können oder wollen", sollen zumindest durch Druck - insbesondere durch eine "Politik der De-Islamisierung" - zur "Remigration" in ihre Herkunftsländer bewegt werden.

Die Klägerin hat sich mit dem sog. "Remigra­ti­o­ns­konzept" Sellners identifiziert. Dies kommt dadurch zum Ausdruck, dass sie Martin Sellner sowohl in ihren Print- als auch Online-Medien seit Jahren ohne jegliche Distanzierung einen breiten Raum einräumt. Zudem wird er bewundernd als "unser Held" bezeichnet und seine Strategie als "machbar" und "rechtsstaatlich" verharmlost. Die Zurechenbarkeit seiner Ideen wird dadurch bestätigt, dass bei einzelnen Akteuren völkische Vorstellungen aufscheinen. Ebenso wird dies durch den ideologischen Hintergrund des COMPACT-TV-Chefs mit seiner Nähe zur Identitären Bewegung gestützt. Ferner spricht dafür die Funktion eines Redakteurs und Autors als Pressesprecher der Partei "Die Heimat" (ehemals NPD). Deshalb belegen die das sog. "Remigra­ti­o­ns­konzept" unterstützenden Fundstellen aus den COMPACT-Medien gemeinsame Vorstellungen des "Elsässer-Kreises". Es handelt sich nicht um lediglich vereinzelte Ausreißer. Die dazu in der mündlichen Verhandlung abgegebenen relativierenden und verharmlosenden Einlassungen der Klägerseite erweisen sich als bloß prozess­tak­tisches, nicht glaubhaftes Vorbringen.

Auch wenn die die Grund­über­zeugung der Vereinigung zum Ausdruck bringenden Äußerungen als solche weder strafbar noch rechtswidrig sind, können sie als Indizien für ein Vereinsverbot herangezogen werden. Dieses Instrument des präventiven Verfas­sungs­schutzes dient dazu, frühzeitig - und ohne strafbares Handeln abwarten zu müssen - tätig werden zu können. Deshalb setzt ein Vereinsverbot mit der Voraussetzung des Sichrichtens erst an der geplanten Umsetzung der durch die Meinungs­freiheit geschützten verfas­sungs­widrigen Vorstellungen in kämpferisch-aggressiver Weise an; Art. 9 Abs. 2 GG ist kein Weltanschauungs- oder Gesin­nungs­verbot. Auch das Merkmal des Sichrichtens erfüllt die Klägerin angesichts ihrer politischen Agenda und des Ziels realweltlicher Umsetzung ihrer Vorstellungen im vorpolitischen Raum. Das Grundgesetz garantiert jedoch im Vertrauen auf die Kraft der freien gesell­schaft­lichen Ausein­an­der­setzung selbst den Feinden der Freiheit die Meinungs- und Pressefreiheit. Es vertraut mit der Verei­ni­gungs­freiheit grundsätzlich auf die freie gesell­schaftliche Gruppenbildung und die Kraft des bürger­schaft­lichen Engagements im freien und offenen politischen Diskurs. Deshalb ist ein Vereinsverbot mit Blick auf das das gesamte Staatshandeln steuernde Prinzip der Verhält­nis­mä­ßigkeit nur gerechtfertigt, wenn sich die verfas­sungs­widrigen Aktivitäten für die Vereinigung als prägend erweisen.

In der Gesamtwürdigung erreichen die verbots­re­le­vanten Äußerungen und Aktivitäten noch nicht die Schwelle der Prägung. Diese Überzeugung hat sich der Senat durch die Sichtung und Würdigung des umfangreichen Materials aus den COMPACT-Medien und weiteren seitens der Beklagten vorgelegten Unterlagen verschafft. Dabei war bei der Deutung von Äußerungen zum Schutz der der Klägerin zustehenden Meinungs­freiheit die Bandbreite möglicher Aussagegehalte zu berücksichtigen.

Eine Vielzahl der von der Beklagten als Beleg für den Verbotsgrund angeführten migra­ti­o­ns­kri­tischen bzw. migra­ti­o­ns­feind­lichen Äußerungen lässt sich danach auch als überspitzte, aber letztlich im Lichte der Kommu­ni­ka­ti­o­ns­grund­rechte zulässige Kritik an der Migra­ti­o­ns­politik deuten. Dazu kommt, dass die rechts­po­li­tische Forderung nach strengeren Einbür­ge­rungs­vor­aus­set­zungen und höheren Integra­ti­o­ns­an­for­de­rungen im Staats­an­ge­hö­rig­keitsrecht für sich genommen nicht als mit der Menschenwürde oder dem Demokra­tie­prinzip unvereinbar zu beanstanden ist.

Darüber hinaus enthalten insbesondere die Printmedien der Klägerin auch eine Vielzahl von Veröf­fent­li­chungen abseits des hier im Fokus stehenden Migra­ti­o­ns­themas, so etwa zu Coronamaßnahmen und zum Ukrainekrieg. Die darin generell zum Ausdruck kommende polemisch zugespitzte Machtkritik sowie die von der Klägerin bedienten Verschwö­rungs­theorien und geschichts­re­vi­si­o­nis­tischen Betrachtungen genießen den Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG und vermögen das Vereinsverbot nicht zu rechtfertigen.

Neben der verbotenen Vereinigung hatten auch die mitverbotene Teilor­ga­ni­sation sowie die in der Verfügung als Mitglieder bezeichneten Personen Klage erhoben, diese aber im Termin zur mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht, ra-online (pm/pt)

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