Dokument-Nr. 22627
Permalink https://urteile.news/
- Verwaltungsgericht Schleswig, Urteil11.10.2012, 15 A 6/11
- Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht, Urteil28.05.2015, 3 LB 9/14
Bundesverwaltungsgericht Urteil19.05.2016
BVerwG zu den Voraussetzungen für eine zulässige Kürzung des Pflegegeldes bei "Großelternpflege"Etwaiger Unterhaltsanspruch der Pflegeperson gegenüber dem Ehepartner muss berücksichtigt werden
Die Kürzung des Pflegegeldes, das einer Großmutter als Pflegeperson für die Pflege und Erziehung ihres Enkels grundsätzlich zusteht, setzt voraus, dass diese nach den Maßstäben des zivilrechtlichen Unterhaltsrechts in der Lage ist, dem Enkel Unterhalt zu gewähren. Bei der Ermittlung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit ist auch ein etwaiger Unterhaltsanspruch der Pflegeperson gegenüber ihrem Ehemann zu berücksichtigen. Dies entschied das Bundesverwaltungsgericht.
Die alleinstehende und bei der Geburt ihres Kindes noch minderjährige Klägerin war nicht in der Lage, für dessen Erziehung zu sorgen. Deshalb nahmen ihre Mutter, die Großmutter des Kindes, und ihr Ehemann dieses in ihren Haushalt auf. Das Jugendamt der Beklagten gewährte hierfür Leistungen zur Pflege und zum Unterhalt des Kindes in Form monatlicher Pauschalbeträge (Pflegegeld). Die Leistungen zum Unterhalt kürzte es, weil die Großmutter ihrem Enkel gegenüber unterhaltspflichtig sei. Dabei ging es davon aus, dass die Großmutter unter Berücksichtigung eines Unterhaltsanspruchs gegenüber ihrem Ehemann in der Lage sei, dem Pflegekind Unterhalt zu gewähren. Die insoweit bestehende Leistungsfähigkeit rechtfertige die Kürzung.
OVG: Anspruch auf Unterhalt gegenüber dem Ehemann ist nicht zu berücksichtigen
Das Verwaltungsgericht Schleswig hat die Beklagte verpflichtet, der Klägerin Pflegegeld in ungekürzter Höhe zu bewilligen. Das Oberverwaltungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung führte es aus, dass einer Kürzung bereits entgegenstehe, dass die Großmutter nicht in der Lage sei, ihrem Enkel Unterhalt zu gewähren. Ein Anspruch auf Unterhalt gegenüber ihrem Ehemann sei nicht zu berücksichtigen.
BVerwG: Etwaiger Anspruch des Unterhaltspflichtigen auf Unterhalt gegenüber dem Ehegatten ist zu berücksichtigen
Das Bundesverwaltungsgericht hat das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Nach § 39 Abs. 4 Satz 4 des Sozialgesetzbuches Achtes Buch - Kinder- und Jugendhilfe - kann der Teil des monatlichen Pauschalbetrages, der die Kosten für den Sachaufwand des Kindes oder Jugendlichen betrifft, angemessen gekürzt werden. Voraussetzung ist, dass - wie hier - die Pflegeperson mit dem Kind oder Jugendlichen in gerader Linie verwandt ist und sie diesem unter Berücksichtigung ihrer sonstigen Verpflichtungen und ohne Gefährdung ihres angemessenen Unterhalts Unterhalt gewähren kann. Dies richtet sich nach den zivilrechtlichen Grundsätzen, nach denen Großeltern gegenüber ihren Enkelkindern zur Leistung von Unterhalt verpflichtet sind. Bei der Ermittlung der Fähigkeit zur Leistung von "Enkelunterhalt" ist entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ein etwaiger Anspruch des Unterhaltspflichtigen auf Unterhalt gegenüber seinem Ehegatten zu berücksichtigen. Deshalb kommt es auch auf dessen Einkommensverhältnisse an. Da die Vorinstanz insoweit keine Feststellungen getroffen hat, musste die Sache an diese zurückverwiesen werden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 19.05.2016
Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online
Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.
Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil22627
Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.