15.11.2024
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Bundesverwaltungsgericht Urteil11.12.2008

Bei mangelnder Fahreignung kann auch eine später erteilte ausländische Fahrerlaubnis entzogen werden, wenn sie einen inländischen Wohnsitz ausweistBundes­ver­wal­tungs­gericht erschwert "Führer­schein­tou­rismus"

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht in Leipzig hat in zwei Verfahren entschieden, dass dem Inhaber eines Führerscheins, der in einem anderen EU-Mitgliedstaat ausgestellt wurde, das Recht aberkannt werden kann, von dieser Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen, wenn auf der Grundlage von Angaben in diesem Führerschein feststeht, dass sein Inhaber zum Zeitpunkt der Ausstellung seinen ordentlichen Wohnsitz nicht im Ausstel­ler­mit­gliedstaat hatte.

Dem Kläger des ersten Verfahrens war im November 2001 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr (2,29 Promille) die deutsche Fahrerlaubnis entzogen worden. Sein Antrag auf Neuerteilung blieb erfolglos, nachdem eine medizi­nisch­psy­cho­lo­gische Untersuchung zum Ergebnis gekommen war, dass von ihm auch künftig ein Führen von Kraftfahrzeugen unter Alkoholeinfluss zu erwarten sei. Im Dezember 2003 wurde der Kläger wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und unerlaubten Entfernens vom Unfallort erneut verurteilt. Im Mai 2005 erhielt er in Tschechien eine neue Fahrerlaubnis; im Führerschein ist als Wohnsitz ein Ort in der Bundesrepublik Deutschland eingetragen. Einer Aufforderung der deutschen Fahrer­laub­nis­behörde, ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu der Frage vorzulegen, ob zu erwarten sei, dass er auch künftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde, kam der Kläger nicht nach. Daraufhin erkannte ihm der Beklagte im Dezember 2005 das Recht ab, von seiner ausländischen Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen. Die hiergegen erhobene Klage hat das Verwal­tungs­gericht im Juni 2007 abgewiesen.

Gegen den Kläger des zweiten Verfahrens, der 1998 wegen eines durch sein grob verkehrs­wi­driges Verhalten verursachten Verkehrsunfalls rechtskräftig verwarnt worden war, entstand anlässlich einer Verkehr­s­kon­trolle im Juni 1999 der Verdacht, dass er Betäu­bungs­mittel konsumiere. Ein Gutachten ergab, derzeit sei noch zu erwarten, dass er mit erhöhter Wahrschein­lichkeit ein Fahrzeug unter Einfluss von Betäu­bungs­mitteln oder deren Nachwirkungen führen werde. Daraufhin verzichtete der Kläger im Februar 2000 auf seine deutsche Fahrerlaubnis. Im Dezember 2004 erwarb er in Tschechien einen neuen Führerschein; in diesem Führerschein ist sein deutscher Wohnsitz eingetragen. Die Fahrer­laub­nis­behörde ordnete, nachdem sich zudem Anhaltspunkte für Alkohol­miss­brauch ergeben hatten, im März 2006 die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Fahreignung an. Nachdem der Kläger dem nicht folgte, erkannte ihm der Beklagte im Oktober 2006 das Recht ab, von seiner tschechischen Fahrerlaubnis auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen. Mit Urteil vom September 2007 hat das Verwal­tungs­gericht auch in diesem Fall die Klage abgewiesen.

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat die angegriffenen Urteile im Ergebnis bestätigt und die Revisionen der Kläger zurückgewiesen. Nach § 3 Abs. 1 des Straßen­ver­kehrs­ge­setzes und § 46 Abs. 1 der Fahrerlaubnis- Verordnung hat die Fahrer­laub­nis­behörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Bei einer ausländischen Fahrerlaubnis erlischt mit der Entziehung das Recht, von der Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen. Bei beiden Klägern konnten die Fahrer­laub­nis­be­hörden auf deren Nichteignung schließen, da sie trotz rechtmäßiger Anforderung die verlangten medizinisch-psychologischen Gutachten nicht beigebracht hatten.

An der Anforderung der Gutachten zur Kraft­fah­r­eignung und der Aberkennung des Rechts, von der in Tschechien erteilten Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, waren die Beklagten nicht durch europäisches Gemein­schaftsrecht gehindert. Zwar bestimmt die Führer­schein­richtlinie 91/439/EWG, dass die von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine anzuerkennen sind. Zudem geht der Europäische Gerichtshof in gefestigter Rechtsprechung davon aus, dass es Aufgabe des Ausstel­ler­mit­glied­s­taates ist zu prüfen, ob die im Gemein­schaftsrecht aufgestellten Mindest­vor­aus­set­zungen, insbesondere die des ordentlichen Wohnsitzes im Ausstel­ler­mit­gliedstaat und der Fahreignung, erfüllt sind. Doch hat der Europäische Gerichtshof in seinen Urteilen vom 26. Juni 2008 auch entschieden, dass es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt ist, die Anerkennung einer von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Fahrerlaubnis in seinem Hoheitsgebiet abzulehnen, wenn auf der Grundlage von Angaben in diesem Führerschein oder von anderen vom Ausstel­ler­mit­gliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen feststeht, dass zum Zeitpunkt der Ausstellung dieses Führerscheins sein Inhaber seinen ordentlichen Wohnsitz nicht im Ausstel­ler­mit­gliedstaat hatte.

Diese Voraussetzungen für eine Ausnahme vom Anerken­nungs­grundsatz lagen in beiden Fällen vor. In den in Tschechien ausgestellten Führerscheinen der Kläger war jeweils ein Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland eingetragen. Nachdem sich die Kläger auf die Geltung ihrer tschechischen Fahrerlaubnis beriefen, waren die Beklagten auch nicht deshalb an einer förmlichen Aberkennung gehindert, weil die Geltung im Inland möglicherweise bereits nach § 28 Abs. 4 Nr. 2 der Fahrerlaubnis- Verordnung ausgeschlossen war. Einer Umdeutung in einen feststellenden Verwaltungsakt bedurfte es danach nicht.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 83/08 des BVerwG vom 11.12.2008

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