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Bundesverwaltungsgericht Urteil21.06.2005

Soldaten können unter Berufung auf ihre Gewis­sens­freiheit die Ausführung von Befehlen verweigernUnver­bind­lichkeit eines Befehls wegen Verstoßes gegen die Gewis­sens­freiheit eines Bundes­wehr­soldaten während des IRAK-Krieges

Ein Major weigerte sich im April 2003, den Befehl seines Vorgesetzten auszuführen, an der weiteren Entwicklung eines militärischen Software-Programms mitzuwirken. Zur Begründung führte er an, er könne es mit seinem Gewissen nicht vereinbaren, Befehle zu befolgen, die geeignet seien, Kriegs­hand­lungen im IRAK zu unterstützen. Dabei machte er geltend, sein Vorgesetzter habe vor Befehl­s­er­teilung ihm gegenüber ausdrücklich nicht ausschließen können, dass mit der Arbeit an dem Projekt eine Beteiligung der Bundeswehr an dem von ihm als völker­rechts­widrig angesehenen Krieg gegen den IRAK unterstützt werde. In diesem Zusammenhang kritisierte er, dass Bundes­wehr­an­ge­hörige in Kuweit stationiert würden, deutsche Soldaten an AWACS-Flügen beteiligt seien, US-Liegenschaften in Deutschland bewachten und dass Überflug- und Landerechte für die im IRAK operierenden Streitkräfte der USA gewährt würden. Er hielt dies für verfassungs- und völker­rechts­widrige Unter­stüt­zungs­leis­tungen.

Das Truppen­dienst­gericht setzte den Soldaten wegen eines Dienstvergehens in den Dienstgrad eines Hauptmanns herab. Hiergegen hat der Soldat Berufung eingelegt und beantragt, ihn freizusprechen. Der Wehrdis­zi­pli­na­ranwalt hat ebenfalls Berufung eingelegt und beantragt, den Soldaten aus dem Dienst­ver­hältnis zu entfernen.

Der 2. Wehrdienstsenat des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts in Leipzig hat den Soldaten freigesprochen, weil dem Soldaten ein Dienstvergehen nicht nachzuweisen war. Ein Verstoß gegen die Gehor­sams­pflicht (§ 11 Abs. 1 Soldatengesetz) liege nicht vor. Der Senat hat entschieden, dass in der konkreten Lage das Grundrecht der Freiheit des Gewissens nach Art. 4 Abs. 1 GG durch den Befehl nicht verdrängt werde. Dieser sei deshalb für den Soldaten unverbindlich gewesen. Der Soldat habe die Ernsthaftigkeit seiner Gewis­sen­s­ent­scheidung glaubhaft dargetan. Im vorliegenden Fall sei die gebotene gewis­sen­s­ent­lastende Konfliktlösung durch eine anderweitige Verwendung des Soldaten erfolgt. Der Soldat könne sich auf das Grundrecht der Gewis­sens­freiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG ungeachtet dessen berufen, dass er keinen Antrag auf Anerkennung als Kriegs­dienst­ver­weigerer nach Art. 4 Abs. 3 GG gestellt habe. Denn auch Berufssoldaten stünde das Grundrecht der Gewis­sens­freiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG zu. Die Streitkräfte seien als Teil der vollziehenden Gewalt ausnahmslos an "Recht und Gesetz" (Art. 20 Abs. 3 GG) und insbesondere an die Grundrechte uneingeschränkt gebunden. Davon könnten sie sich nicht unter Berufung auf Gesichtspunkte der militärischen Zweckmäßigkeit oder Funkti­o­ns­fä­higkeit freistellen.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 38/05 des BVerwG vom 22.06.2005

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