15.11.2024
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Dokument-Nr. 23151

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Urteil08.09.2016BundesverwaltungsgerichtBVerwG 10 CN 1.15
Vorinstanz:
  • Oberverwaltungsgericht Magdeburg, Urteil10.04.2014, 4 K 180/12
ergänzende Informationen

Bundesverwaltungsgericht Urteil08.09.2016

Anschluss an Fernwär­me­ver­sorgung aus Klimagründen erleichtertEinholen eines aufwändigen Gutachtens über klimatischen Auswirkungen von Maßnahmen nicht immer erforderlich

Das Bundes­verwaltungs­gericht hatte sich mit der Frage zu befassen, unter welchen Voraussetzungen eine Kommune den Anschluss- und Benutzungszwang an eine Fernwär­me­ver­sorgung zum Zwecke des globalen Klimaschutzes nach § 16 Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) anordnen darf. Das Gericht entschied, dass die Gemeinde- und Stadträte vor Erlass einer solchen Satzung nicht immer ein aufwändiges Gutachten über die klimatischen Auswirkungen der Maßnahme einholen müssen.

Der Entscheidung liegt ein Rechtsstreit zwischen der Stadt Halberstadt und einer lokalen Wohnungs­bau­ge­n­os­sen­schaft zu Grunde. Die Stadt beschloss am 27. September 2012 eine Satzung, mit der für einen Teil des Stadtgebiets zum Zwecke des Klima- und Ressour­cen­schutzes ein Anschluss- und Benutzungszwang an die Fernwär­me­ver­sorgung angeordnet wurde. Die Wohnungs­bau­ge­sell­schaft stellte dagegen einen Normen­kon­trol­lantrag und bestritt, dass mit dem Anschluss der Grundstücke an die Fernwär­me­ver­sorgung im konkreten Fall Vorteile für den Klimaschutz verbunden seien.

OVG erklärt Satzung der Stadt für teilweise unwirksam

Das Oberver­wal­tungs­gericht hat die Satzung in wesentlichen Teilen für unwirksam erklärt, weil ein dringendes öffentliches Bedürfnis im Sinne des § 8 Nr. 2 Gemeindeordnung des Landes Sachsen-Anhalt (GO) nicht hinreichend festgestellt sei. Die Stadt habe es vor dieser Anordnung unterlassen, den dafür erforderlichen gutachtlichen Vergleich der zu erwartenden CO2-Emissionen mit und ohne Anschlusszwang an die Fernwär­me­ver­sorgung durchzuführen.

Gesetzliche Vorschrift ermächtigt Länder nicht zur Verschärfung der Anforderungen in Bezug auf globalen Klimaschutz

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat der Revision der Stadt stattgegeben und festgestellt, dass § 16 EEWärmeG als bundes­rechtliche Erweiterung für die Ermächtigung für die Kommunen, einen Anschluss- und Benutzungszwang anzuordnen, zwar in einem bestimmten Umfang Raum lässt für eine ergänzende Anwendung von Landesrecht. Jedoch ermächtigt die Vorschrift die Länder nicht, die Anforderungen in Bezug auf den globalen Klimaschutz zu verschärfen. § 8 Nr. 2 GO kann daher nicht als Grundlage für zusätzliche Erfordernisse herangezogen werden. Nach dem EEWärmeG kann ein gutachtlicher Vergleich der zu erwartenden CO2-Emissionen mit und ohne Anschluss- und Benutzungszwang nicht generell gefordert werden. Wenn die Fernwär­me­ver­sor­gungs­ein­richtung in einem bestimmten Mindestmaß mit erneuerbaren Energien, mit Abwärme oder Kraft-Wärme-Koppelung betrieben wird, das in Anlage VIII des Gesetzes definiert ist, so spricht eine generelle Vermutung dafür, dass der Anschluss- und Benutzungszwang von Wohngebieten dem Klima- und Ressour­cen­schutz dient. Erfüllt sie diese Anforderungen nicht, bedarf es allerdings in der Regel einer konkreten Vergleichs­be­rechnung in Bezug auf die gesamt­kli­ma­tischen Auswirkungen.

Rückweisung der Sache an das Oberver­wal­tungs­gericht

Da das Oberver­wal­tungs­gericht noch nicht geprüft hat, ob die Fernwär­me­ein­richtung der Stadt Halberstadt den Anforderungen der Anlage VIII des EEWärmeG entspricht, hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

§ 16 EEWärmeG – Anschluss- und Benutzungszwang

Erläuterungen
Die Gemeinden und Gemein­de­verbände können von einer Bestimmung nach Landesrecht, die sie zur Begründung eines Anschluss- und Benut­zungs­zwangs an ein Netz der öffentlichen Fernwärme- oder Fernkäl­te­ver­sorgung ermächtigt, auch zum Zwecke des Klima- und Ressour­cen­schutzes Gebrauch machen.

§ 8 Nr. 2 GO - Inhalt der Satzungen

Die Gemeinde kann im eigenen Wirkungskreis durch Satzung insbesondere

1. (...)

2. für die Grundstücke ihres Gebietes den Anschluss an Wasserleitung, Kanalisation, Straßen­rei­nigung, Fernwär­me­ver­sorgung und ähnliche der Gesundheit der Bevölkerung dienende Einrichtungen (Anschlusszwang) und die Benutzung dieser Einrichtungen, der öffentlichen Begräbnisplätze, Bestat­tungs­ein­rich­tungen und Schlachthöfe (Benutzungszwang) vorschreiben, wenn sie ein dringendes öffentliches Bedürfnis dafür feststellt. Die Satzung kann Ausnahmen vom Anschluss- oder Benutzungszwang zulassen; sie kann ihn auf bestimmte Teile des Gemeindegebiets und auf bestimmte Gruppen von Grundstücken oder Personen beschränken.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

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