Die Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls machten das Recht auf ganzjährig unentgeltlichen Zugang zu den 9 km langen Meeresstränden im Gemeindegebiet geltend. Eine Eigengesellschaft der Gemeinde hatte nahezu 90 % der Strandfläche vom Land Niedersachsen gepachtet, eingezäunt und in bestimmten Abschnitten mit Rettungsstationen, Sanitärgebäuden, Kiosken und Kinderspielgeräten ausgestattet, um sie während der Badesaison als kostenpflichtige Strandbäder zu betreiben. Die Kläger beriefen sich dagegen auf den gewohnheitsrechtlichen Gemeingebrauch am Küstengewässer und am Meeresstrand sowie auf § 59 Abs. 1 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG), der jedermann das Recht gibt, die freie Landschaft auf Straßen und Wegen und ungenutzten Grundflächen unentgeltlich zu betreten.
Das Verwaltungsgericht Oldenburg wies die Klagen ab. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht wies die dagegen eingelegte Berufung zurück. Die Revision der Kläger hatte teilweise Erfolg. Die Annahme des Berufungsgerichts, der frühere landesgewohnheitsrechtliche Gemeingebrauch am gesamten Meeresstrand sei 1981 durch Landesgesetz aufgehoben worden, war im Revisionsverfahren nicht zu prüfen. Dort ist nicht die Richtigkeit der Auslegung von Landesrecht zu kontrollieren, sondern nur, ob das Berufungsurteil Bundesrecht verletzt.
Dies bejahte das Bundesverwaltungsgericht. Das Berufungsurteil verletze das Grundrecht der Kläger aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und widerspreche § 59 BNatSchG, so das Gericht. Aus Art. 2 Abs. 1 GG folge ein Recht zur Abwehr rechtswidriger Beschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit. Art. 2 Abs. 1 GG verpflichte nicht nur die beklagte Gemeinde, sondern auch deren Eigengesellschaft. Der unentgeltliche Zutritt zum Strand dürfe den Klägern nicht schon wegen der Bewirtschaftung der Pachtflächen als Strandbad verweigert werden. Der Betrieb dieser kommunalen Einrichtung sei laut Gericht rechtswidrig, weil eine wirksame Widmung fehle. Sie könne auch durch die Pachtverträge nicht ersetzt werden. Außerdem schränke die Inanspruchnahme nahezu des gesamten Strandes - und nicht nur der für den derzeitigen Badebetrieb benötigten Flächen - die allgemeine Handlungsfreiheit unverhältnismäßig ein.
Daraus folge allerdings kein Recht der Kläger auf freien Zugang zu sämtlichen Strandflächen. § 59 Abs. 1 BNatSchG beschränke das Recht zum unentgeltlichen Betreten fremder Grundstücke in der freien Landschaft verfassungskonform auf Straßen und Wege und ungenutzte Grundflächen, sofern das Landesrecht keine weitergehenden Rechte vorsehe. Der Strand sei Teil der freien Landschaft auch, soweit er - wie in Hooksiel - im Rahmen einer Ausgleichsmaßnahme künstlich angelegt wurde. Eine das Betretensrecht ausschließende Nutzung liege laut Gericht nicht schon in der Umzäunung des Strandes oder in Maßnahmen, die den bisherigen Zustand erhalten, etwa im Aufspülen von Sand oder in der Strandreinigung. Die Ausstattung des Strandes mit Infrastruktureinrichtungen für den Badebetrieb und der Betrieb des Strandbades selbst stellten eine Nutzung dar, sofern sie sich nicht darin erschöpfen, das nach dem Gesetz unentgeltlich zu gewährende Betreten zum Spazierengehen und Baden zu kommerzialisieren. Das Recht zum unentgeltlichen Betreten erstrecke sich daher hier nicht auf Teilflächen, die durch mehrere, miteinander in funktionalem Zusammenhang stehende Einrichtungen des Badebetriebs geprägt seine. Auf die Rechtmäßigkeit des Strandbadbetriebs komme es für die Begrenzung des Betretensrechts nach § 59 Abs. 1 BNatSchG nicht an. Diese Vorschrift solle eine Beeinträchtigung der tatsächlichen Nutzung fremder Grundstücke verhindern und ist darauf angelegt, dass jeder den Umfang zulässigen Betretens nach eigenem Augenschein und nicht erst nach rechtlicher Prüfung beurteilen könne, so das Gericht.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 15.09.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online