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Bundesverwaltungsgericht Urteil24.06.2008

Bundes­ver­wal­tungs­gericht: Abschie­bungs­schutz für irakische Staats­an­ge­hörigeAbschie­bungs­schutz nicht nur bei landesweitem bewaffnetem Konflikt

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht in Leipzig hat über den subsidiären Schutz nach den Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG des Rates der Europäischen Union (Quali­fi­ka­ti­o­ns­richtlinie) entschieden.

Die Richtlinie sieht für Personen, die nicht die Voraussetzungen für die Flücht­lings­a­n­er­kennung nach der Genfer Flücht­lings­kon­vention erfüllen, aber bei Rückkehr in ihr Herkunftsland anderweitig von einem ernsthaften Schaden bedroht wären, einen eigenen subsidiären Schutzstatus vor. Als derartiger Schaden gilt danach u.a. eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder inner­staat­lichen bewaffneten Konflikts (Art. 15 c der Richtlinie). Der deutsche Gesetzgeber hat in Umsetzung dieser Regelung im August 2007 die schon bisher nach nationalem Recht bestehenden auslän­der­recht­lichen Abschie­bungs­verbote um diesen Tatbestand ergänzt (§ 60 Abs. 7 Satz 2 Aufent­halts­gesetz - AufenthG).

Die Kläger in den vier Ausgangs­ver­fahren sind irakische Staats­an­ge­hörige, die zwischen 1996 und 2004 nach Deutschland gekommen und hier als Flüchtlinge anerkannt worden waren. Nach dem Sturz des Regimes Saddam Husseins widerrief das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Anerkennungen und stellte fest, dass in Bezug auf den Irak auch keine auslän­der­recht­lichen Abschie­bungs­verbote bestehen. Die dagegen gerichteten Klagen hat der Bayerische Verwal­tungs­ge­richtshof im Berufungs­ver­fahren abgewiesen. Zu den – hier allein noch streitigen – Abschie­bungs­verboten hat er ausgeführt, es fehle bereits am Vorliegen eines inner­staat­lichen bewaffneten Konflikts im Sinne der Richtlinie, weil ein solcher Konflikt im Irak jedenfalls nicht landesweit bestehe. Abgesehen davon könnten die Kläger in anderen Landesteilen internen Schutz finden. Zudem stehe wohl auch der Abschiebestopp-Erlass in Bayern der Feststellung eines solchen Abschie­bungs­verbots entgegen.

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat entschieden, dass der subsidiäre Abschie­bungs­schutz entgegen der Auffassung des Verwal­tungs­ge­richtshofs keinen landesweiten (inner­staat­lichen) bewaffneten Konflikt voraussetzt. Ein bewaffneter Konflikt begründet allerdings ein Abschie­bungs­verbot nur dann, wenn der Schutzsuchende von ihm ernsthaft individuell bedroht ist und keine innerstaatliche Schutz­al­ter­native besteht. Da der Verwal­tungs­ge­richtshof hierzu keine ausreichenden Tatsachen festgestellt hat, hat der Senat die Verfahren zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen. Zu den rechtlichen Voraussetzungen, die in den erneuten Berufungs­ver­fahren zugrunde zu legen sind, hat der Senat ausgeführt: Bei der Auslegung, wann ein inner­staat­licher bewaffneter Konflikt vorliegt, ist Art. 3 der Genfer Konventionen zum humanitären Völkerrecht von 1949 und das zur Präzisierung erlassene Zusatzprotokoll II von 1977 zu berücksichtigen. Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie u.a. für Bürger­kriegs­si­tua­tionen kennzeichnend sind, und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen.

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat weiter entschieden, dass Abschiebestopp- Erlasse der Länder der Feststellung eines Abschie­bungs­verbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nicht entgegenstehen, wenn die Voraussetzungen von Art. 15 c der Quali­fi­ka­ti­o­ns­richtlinie erfüllt sind. Denn der subsidiäre Schutzstatus nach der Richtlinie führt regelmäßig zur Erteilung einer Aufent­halt­s­er­laubnis, während die Abschiebestopp- Erlasse nur die Aussetzung der Abschiebung (Duldung) vorsehen. Es darf deshalb auch bei Vorliegen eines Abschiebestopp-Erlasses nicht von der Prüfung abgesehen werden, ob sich allgemeine Gefahren im Herkunftsland im Falle der Kläger zu einer ernsthaften individuellen Bedrohung verdichtet haben.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 36/08 des BVerwG vom 24.06.2008

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