24.11.2024
24.11.2024  
Sie sehen die Außenfassade einer Niederlassung des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit dem Bundesadler und passendem Schriftzug der Behörde.
ergänzende Informationen

Bundesverwaltungsgericht Beschluss07.02.2008

Europäischer Gerichtshof soll Widerruf der Anerkennung irakischer Flüchtlinge klärenBundes­ver­wal­tungs­gericht ruft EuGH an

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat in drei Verfahren, in denen es um den Widerruf der Flücht­lings­a­n­er­kennung von Irakern geht, den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) in Luxemburg angerufen.

Die dem Gerichtshof zur Vorab­ent­scheidung vorgelegten Fragen betreffen die Auslegung der Richtlinie 2004/83/EG des Rates der Europäischen Union (Quali­fi­ka­ti­o­ns­richtlinie). Diese dient u.a. der Angleichung der rechtlichen Voraussetzungen von Entstehung und Verlust der Flücht­lings­ei­gen­schaft nach der Genfer Flücht­lings­kon­vention innerhalb der Europäischen Union. In Deutschland wurde die Richtlinie mit dem Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union im August 2007 umgesetzt.

Die Kläger der Ausgangs­ver­fahren sind zwischen 1999 und 2001 nach Deutschland eingereiste irakische Staats­an­ge­hörige. Sie wurden als Flüchtlinge anerkannt, weil sie seinerzeit mit Verfolgung durch das Regime Saddam Husseins rechnen mussten. Im Jahr 2005 hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) die Anerkennungen wegen der veränderten politischen Verhältnisse im Irak widerrufen. Das Verwal­tungs­gericht hat die Entscheidung des Bundesamts in allen drei Fällen aufgehoben, das Oberver­wal­tungs­gericht Münster hat die Wider­rufs­be­scheide dagegen als rechtmäßig angesehen. Es hat dies damit begründet, dass die Flücht­lings­a­n­er­kennung zu widerrufen sei, weil die Verfol­gungs­gefahr im Irak nach der Entmachtung Saddam Husseins und der Zerschlagung seines Regimes endgültig weggefallen sei und den Klägern auch nicht aus anderen Gründen neue Verfolgung drohe.

Auf die Revision der Kläger hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht dem EuGH die Frage vorgelegt, ob der Widerruf der Flücht­lings­a­n­er­kennung nach der Quali­fi­ka­ti­o­ns­richtlinie schon dann möglich ist, wenn die Umstände, aufgrund derer die Anerkennung erfolgte, weggefallen sind und der Flüchtling im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland auch nicht aus anderen Gründen Verfolgung befürchten muss, oder ob weitergehende Anforderungen zu stellen sind. Derartige Anforderungen könnten darin bestehen, dass eine prinzipiell schutzmächtige Herrschafts­gewalt im Heimatstaat vorhanden sein muss und, anders als nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts, dem Ausländer dort auch keine sonstigen Gefahren - etwa im Hinblick auf die allgemeine Sicherheitslage oder die allgemeinen Lebens­be­din­gungen - drohen. Darüber hinaus dient die Vorlage der Klärung, ob in derartigen Widerrufsfällen die Gefahr neuer andersartiger Verfolgung nach denselben Progno­se­maß­stäben wie bei Neuanträgen zu beurteilen ist.

Bis zur Entscheidung des Gerichtshofs hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht die Revisi­ons­ver­fahren ausgesetzt.

Erläuterungen

Vorlagefragen:

Es wird gemäß Art. 234 Abs. 1 und 3, 68 Abs. 1 EG eine Vorab­ent­scheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu folgenden Fragen eingeholt:

1. Ist Art. 11 Abs. 1 Buchstabe e) der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 dahin auszulegen, dass – abgesehen von Art. 1 C Nr. 5 Satz 2 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (Genfer Flücht­lings­kon­vention) - die Flücht­lings­ei­gen­schaft bereits dann erlischt, wenn die begründete Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung im Sinne des Art. 2 Buchstabe c) der Richtlinie, aufgrund derer die Anerkennung erfolgte, entfallen ist und er auch nicht aus anderen Gründen Furcht vor Verfolgung im Sinne des Art. 2 Buchstabe c) der Richtlinie haben muss?

2. Für den Fall, dass Frage 1 zu verneinen ist: Setzt das Erlöschen der Flücht­lings­ei­gen­schaft nach Art. 11 Abs. 1 Buchstabe e) der Richtlinie darüber hinaus voraus, dass in dem Land, dessen Staats­an­ge­hö­rigkeit der Flüchtling besitzt,

a) ein Schutz bietender Akteur im Sinne des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie vorhanden ist und reicht es hierbei aus, dass die Schutzgewährung nur mit Hilfe multinationaler Truppen möglich ist,

b) dem Flüchtling kein ernsthafter Schaden im Sinne des Art. 15 der Richtlinie droht, der zur Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Art. 18 der Richtlinie führt, und/oder

c) die Sicherheitslage stabil ist und die allgemeinen Lebens­be­din­gungen das Existenzminimum gewährleisten?

3. Sind in einer Situation, in der die bisherigen Umstände, aufgrund derer der Betreffende als Flüchtling anerkannt worden ist, entfallen sind, neue andersartige verfol­gungs­be­gründende Umstände

a) an dem Wahrschein­lich­keits­maßstab zu messen, der für die Anerkennung von Flüchtlingen gilt, oder findet zugunsten des Betreffenden ein anderer Maßstab Anwendung,

b) unter Berück­sich­tigung der Bewei­ser­leich­terung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie zu beurteilen?

Quelle: ra-online, BVerwG

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Beschluss5562

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI