18.10.2024
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Sie sehen die Außenfassade einer Niederlassung des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit dem Bundesadler und passendem Schriftzug der Behörde.

Dokument-Nr. 16715

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Bundesverwaltungsgericht Urteil05.09.2013

Manipulation der Fingerkuppen kann zur Einstellung des Asylverfahrens führenBundesamt darf Asylverfahren bei Manipulation ohne Treffen einer Sachent­scheidung über das Asylbegehren einstellen

Asylbewerber sind gesetzlich verpflichtet, sich zur Feststellung ihrer Identität Fingerabdrücke abnehmen zu lassen. Vereiteln sie deren Auswertbarkeit durch Manipulation ihrer Fingerkuppen, kann das Asylverfahren wegen Nichtbetreibens eingestellt werden, ohne dass eine Entscheidung über die Begründetheit des Asylgesuchs getroffen wird. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­verwaltungs­gerichts hervor.

Der Entscheidung lag der Fall eines Asylbewerbers zugrunde, der keine Identi­täts­papiere vorlegte und angab, somalischer Staats­an­ge­höriger zu sein. Ihm wurden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - am Tag der Asylan­trag­stellung Fingerabdrücke abgenommen. Deren Auswertung zum Zweck des Abgleichs mit der Europäischen Finge­r­ab­druck­da­tenbank (EURODAC) war jedoch nicht möglich. Der mit der Abnahme der Fingerabdrücke befasste Mitarbeiter vermerkte Spuren von Manipulationen an den Fingerkuppen. Daraufhin wurde der Kläger schriftlich aufgefordert, sein Asylverfahren u.a. dadurch zu betreiben, dass er binnen eines Monats in der Außenstelle des Bundesamtes erscheine und sich „auswertbare Fingerabdrücke“ abnehmen lasse. Nachdem sich auch die in einem zweiten Termin abgegebenen Fingerabdrücke des Klägers als nicht auswertbar erwiesen, stellte das Bundesamt mit Bescheid vom 27. Oktober 2010 fest, dass der Asylantrag als zurückgenommen gilt, das Asylverfahren eingestellt ist und Abschie­bungs­verbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AsylVfG nicht vorliegen. Dem Kläger wurde die Abschiebung in den Herkunftsstaat angedroht.

Vorinstanzen sehen Voraussetzungen für Verfah­ren­s­ein­stellung wegen Nichtbetreibens als nicht erfüllt an

Verwal­tungs­gericht und Bayerischer Verwal­tungs­ge­richtshof haben die Voraussetzungen der §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG* für die Verfah­ren­s­ein­stellung wegen Nichtbetreibens als nicht erfüllt angesehen, weil die bloße Duldungspflicht kein Manipu­la­ti­o­ns­verbot oder die Pflicht zur Abgabe verwertbarer Fingerabdrücke umfasse. Offen gelassen wurde, ob der Kläger die Unver­wert­barkeit seiner Fingerabdrücke zu vertreten habe.

Bundesamt ist bei Manipulationen der Fingerabdrücke zur Einstellung des Asylverfahrens berechtigt

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat die Sache an den Verwal­tungs­ge­richtshof zurückverwiesen. Ein Asylbewerber ist zwar nicht verpflichtet, positiv die Auswertbarkeit seiner Fingerabdrücke zu garantieren. Aus der Pflicht, die Abnahme der Fingerabdrücke zu dulden (§ 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG), folgt aber auch die Pflicht, jede Manipulation seiner Fingerkuppen zu unterlassen, die die Auswertbarkeit der Fingerabdrücke beeinträchtigen könnte. Denn nur bei auswertbaren Fingerabdrücken kann geklärt werden, ob der Asylantrag unzulässig ist, weil schon in einem anderen Staat der Europäischen Union um Schutz nachgesucht worden ist. Bei Anhaltspunkten für Manipulationen besteht ein berechtigter Anlass für eine Betrei­bens­auf­for­derung nach § 33 Abs. 1 Asyl-VfG. Der Asylbewerber hat dann einen Monat Zeit, die geforderte Mitwir­kungs­handlung zu erbringen. Geschieht dies nicht, etwa weil die Fingerabdrücke wegen einer Manipulation der Fingerkuppen erneut nicht ausgewertet werden können, hat das Bundesamt das Asylverfahren einzustellen, ohne eine Sachent­scheidung über das Asylbegehren zu treffen. Der Verwal­tungs­ge­richtshof wird nun u.a. festzustellen haben, ob sich der Vorwurf des Bundesamtes bestätigt, der Kläger habe seine Fingerkuppen manipuliert.

In einem weiteren Verfahren (BVerwG 10 C 3.13) wurde entsprechend entschieden.

* § 33 Abs. 1 AsylVfG

Erläuterungen
Der Asylantrag gilt als zurückgenommen, wenn der Ausländer das Verfahren trotz Aufforderung des Bundesamtes länger als einen Monat nicht betreibt. In der Aufforderung ist der Ausländer auf die nach Satz 1 eintretende Folge hinzuweisen.

§ 32 AsylVfG

Im Falle der Antrags­rü­cknahme oder des Verzichts gemäß § 14 a Abs. 3 stellt das Bundesamt in seiner Entscheidung fest, dass das Asylverfahren eingestellt ist und ob ein Abschie­bungs­verbot nach § 60 Abs. 2 bis 5 oder Abs. 7 des Aufent­halts­ge­setzes vorliegt. In den Fällen des § 33 ist nach Aktenlage zu entscheiden.

Nach § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG ist der Ausländer verpflichtet, "die vorge­schriebenen erken­nungs­dienst­lichen Maßnahmen zu dulden".

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

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