21.11.2024
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Dokument-Nr. 20504

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Urteil21.01.2015BundesverwaltungsgerichtBVerwG 10 C 11.14
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Bundesverwaltungsgericht Urteil21.01.2015

Ausschluss eines Ratsmitglieds durch Ratsbeschluss nur in engen Grenzen zulässigAnsehensverlust in den Augen der Öffentlichkeit kein ausreichender Grund für Ausschluss

Das Bundes­verwaltungs­gericht hat entschieden, dass der Rat einer Stadt eines seiner Mitglieder nur dann aus dem Rat ausschließen darf, wenn dies zur Aufrecht­er­haltung oder Wieder­her­stellung der Arbeits­fä­higkeit des Rates geboten ist. Die Geset­zes­vor­schrift der rheinland-pfälzischen Gemeindeordnung, die den Ausschluss vorsieht, wenn das Ratsmitglied rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten verurteilt wird und es dadurch die für ein Ratsmitglied erforderliche Unbeschol­tenheit verwirkt hat, hat das Bundes­verwaltungs­gericht entsprechend einschränkend ausgelegt.

Der Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls wurde 2009 in den Rat der beklagten Stadt gewählt. Weil er im Vorfeld der Wahl maßgeblich daran beteiligt war, dass ein politischer Gegner verprügelt wurde, der Wahlplakate der Partei des Klägers abgehängt hatte, wurde er vom Landgericht mit Urteil vom 22. Dezember 2010 wegen gemein­schaftlich begangener gefährlicher Körper­ver­letzung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Urteil ist seit August 2011 rechtskräftig. Weil dem Kläger deshalb die für ein Ratsmitglied erforderliche Unbeschol­tenheit fehle, erkannte ihm der Stadtrat mit Beschluss vom 22. September 2011 das Mandat ab.

Vorinstanzen erklären Ausschluss eines Ratsmitglieds für zulässig

Die Klage hiergegen wurde von den Vorinstanzen abgewiesen. Das Oberver­wal­tungs­gericht Koblenz hielt den Ausschluss unter engen Voraussetzungen für zulässig, die hier aber gegeben seien. Insbesondere stehe die Straftat, deretwegen der Kläger verurteilt worden war, in sachlichem Zusammenhang mit der Wahrnehmung seines Stadt­rats­mandats, weshalb sie geeignet sei, das Ansehen des Stadtrats in der Bevölkerung herabzuwürdigen. Dieser Gefahr habe der Stadtrat durch den Ausschluss des Klägers begegnen dürfen.

Schutz der Funkti­o­ns­fä­higkeit des Rates wäre möglicher Grund für Ausschluss des Ratsmitgliedes

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat der Revision des Klägers stattgegeben und den Ausschluss für rechtswidrig erklärt. Allerdings ist es der Argumentation des Klägers nicht gefolgt, der die gesetzliche Ausschluss­re­gelung für verfas­sungs­widrig und nichtig hielt. Die Vorschrift ist vielmehr bei einschränkender Auslegung mit der Verfassung vereinbar. Sie steht mit dem verfas­sungs­rechtlich verbürgten Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl im Einklang, da sie die Wählbarkeit unberührt lässt. Auch der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl ist nicht betroffen, weil der Ausschluss nicht das Gewähltsein des Klägers in Frage stellt, sondern an wahlfremde Umstände anknüpft. Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl ist durch eine einschränkende Auslegung der Vorschrift zu wahren. Er lässt den Ausschluss eines gewählten Ratsmitglieds nur aus verfas­sungs­rechtlich anerkannten Gründen mit mindestens gleichem Gewicht zu. Der Gesichtspunkt des Ansehens­verlusts in den Augen der Öffentlichkeit, auf den der Rat den Ausschluss gestützt hatte, reicht danach ebenso wenig hin wie der vom Oberver­wal­tungs­gericht zusätzlich angeführte Gesichtspunkt der Reprä­sen­ta­ti­o­ns­fä­higkeit des Rates, die gefährdet sei, wenn der Rat selbst das Vertrauen der Wähler verliere. In Betracht kommt allenfalls der Schutz der Funkti­o­ns­fä­higkeit des Rates, wenn dessen Arbeits­fä­higkeit infolge der Straftat beeinträchtigt wird. Auf diesen Gesichtspunkt hatte der Rat der beklagten Stadt den Ausschluss des Klägers aber nicht gestützt.

Auszug aus der Gemeindeordnung von Rheinland-Pfalz:

§ 31

Erläuterungen

(1) Ein Ratsmitglied, das nach seiner Wahl durch Urteil eines deutschen Strafgerichts rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten verurteilt wird, kann durch Beschluss des Gemeinderats aus dem Gemeinderat ausgeschlossen werden, wenn es durch die Straftat die für ein Ratsmitglied erforderliche Unbeschol­tenheit verwirkt hat. Der Gemeinderat kann den Beschluss nur innerhalb eines Monats, nachdem er von der Verurteilung Kenntnis erhalten hat, fassen. Der Bürgermeister hat den Gemeinderat zu unterrichten, sobald er von der Verurteilung Kenntnis erlangt.

(2) [...]

(3) Beschließt der Gemeinderat den Ausschluss eines Mitglieds, so scheidet dieses vorläufig aus. Die Ersatzperson wird nach dem Kommu­nal­wahl­gesetz bestimmt. Sie tritt ihr Amt jedoch erst an, wenn der Ausschluss unanfechtbar geworden ist.

(4) [...]

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

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