23.11.2024
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Sie sehen die Außenfassade einer Niederlassung des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit dem Bundesadler und passendem Schriftzug der Behörde.

Dokument-Nr. 1043

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Bundesverwaltungsgericht Urteil06.10.2005

Fehlerhafte Auswei­sung­s­praxis bei türkischen Staats­an­ge­hörigen

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat eine vom Regie­rungs­prä­sidium Stuttgart verfügte Ausweisung eines türkischen Staats­an­ge­hörigen in Anwendung von europäischem Gemein­schaftsrecht wegen eines unheilbaren Verfah­rens­fehlers für rechtswidrig erklärt.

Geklagt hatte ein 1979 in Berlin als Kind türkischer Arbeitnehmer geborener türkischer Staats­an­ge­höriger, der ein Aufent­haltsrecht nach dem Assozia­ti­o­ns­ab­kommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Türkei (nach Art. 7 ARB 1/80) besitzt. Im September 2000 wurde er in Stuttgart u.a. wegen Handeltreibens mit Haschisch zu einer Einheits­ju­gend­strafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt und deshalb im Oktober 2001 vom Regie­rungs­prä­sidium – unter Anordnung des später vom Verwal­tungs­gericht aufgehobenen Sofortvollzugs – ausgewiesen. Seit der Entlassung aus dem Jugend­s­traf­vollzug im April 2002 lebt der Kläger wieder bei seiner Familie in Stuttgart.

Mit der Entscheidung hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht erneut die Auswei­sung­s­praxis in Baden-Württemberg beanstandet. In diesem Bundesland sind seit 1999 für Ausweisungen von Straftätern – auch von freizü­gig­keits­be­rech­tigten Unionsbürgern und assozia­ti­o­ns­be­rech­tigten türkischen Staats­an­ge­hörigen – nur noch die Regie­rungs­prä­sidien als einzige Verwal­tungs­instanz zuständig; das Wider­spruchs­ver­fahren ist abgeschafft worden. Diese Verfahrensweise ist, wie das Bundes­ver­wal­tungs­gericht erst kürzlich entschieden hat (BVerwG, Urteil v. 13.09.2005), mit den derzeitigen gemein­schafts­recht­lichen Vorgaben (Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG) nicht vereinbar, es sei denn, es hätte ausnahmsweise ein "dringender Fall" vorgelegen. Für einen solchen Ausnahmefall bestanden hier keine Anhaltspunkte, zumal bereits das Verwal­tungs­gericht die sofortige Vollziehung der Ausweisung gestoppt hatte und der Kläger daher auch nicht aus der Haft heraus in die Türkei abgeschoben werden konnte.

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat auch den Einwand des Regie­rungs­prä­sidiums zurückgewiesen, der Kläger könne sich auf die europa­recht­lichen Verfah­rens­ga­rantien nicht berufen, weil sein aus Assozia­ti­o­nsrecht abgeleitetes Aufent­haltsrecht auf jeden Fall durch die Verbüßung der Jugendstrafe wieder erloschen sei. Es hat insoweit auf die inzwischen eindeutige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften in Luxemburg (EuGH) verwiesen. Danach bestehen die Aufent­halts­rechte freizü­gig­keits­be­rech­tigter Unionsbürger und assozia­ti­o­ns­be­rech­tigter türkischer Staats­an­ge­höriger grundsätzlich auch bei längerer Strafhaft fort. Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat außerdem darauf hingewiesen, dass die Erwägung des Regie­rungs­prä­sidiums in dem angefochtenen Bescheid, die Ausweisung habe "ergänzend" auch aus genera­l­prä­ventiven Gründen verfügt werden dürfen, mit dem Gemein­schaftsrecht unvereinbar ist. Das Gemein­schaftsrecht lässt eine Ausweisung ausnahmslos nur aus spezi­a­l­prä­ventiven Gründen zu, d.h. zum Schutz der Allgemeinheit vor Gefahren, die von dem einzelnen Ausländer persönlich ausgehen, nicht aber zur (genera­l­prä­ventiven) Abschreckung anderer Ausländer.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 50/05 des BVerwG vom 06.10.2005

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