18.10.2024
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Dokument-Nr. 309

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Bundesverwaltungsgericht Entscheidung15.03.2005

Keine Nieder­las­sungs­er­laubnis bei Unterstützung von Vereinigungen mit terroristischem Hintergrund

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht in Leipzig hat sich heute erstmals mit der Frage befasst, wann eine unbefristete Aufent­halt­s­er­laubnis (jetzt: Nieder­las­sungs­er­laubnis) mit der Begründung versagt werden kann, eine Ausländerin unterstütze nach den Erkenntnissen des Verfas­sungs­schutzes eine Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt.

Ein solcher Versagungsgrund ist durch das Terro­ris­mus­be­kämp­fungs­gesetz ab 1. Januar 2002 in das Ausländerrecht eingefügt worden (§ 8 Abs. 1 Nr. 5 des alten Auslän­der­ge­setzes, jetzt § 5 Abs. 4 des Aufent­halts­ge­setzes). Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat den Fall einer türkischen Kurdin, der die Teilnahme an zahlreichen Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld der PKK (jetzt: Kongra-Gel) seit 1993 vorgeworfen wird, zur weiteren Aufklärung an den Verwal­tungs­ge­richtshof München zurückverwiesen.

Der Verwal­tungs­ge­richtshof München hatte den Freistaat Bayern zur Erteilung einer unbefristeten Aufent­halt­s­er­laubnis an die Klägerin verpflichtet. Er hat ohne weitere Nachforschungen die Auffassung vertreten, dass die bloße Teilnahme der Klägerin an Veranstaltungen, die nach den Erkenntnissen des bayerischen Landesamtes für Verfas­sungs­schutz einen Bezug zu der 1993 vom Bundes­in­nen­mi­nis­terium verbotenen PKK und dieser nahe stehender Organisationen aufweisen, keine Unterstützung im Sinne des Terro­ris­mus­be­kämp­fungs­ge­setzes darstellen könne. Dem ist das Bundes­ver­wal­tungs­gericht nicht gefolgt.

Nach der Entscheidung des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts kann von den Auslän­der­be­hörden und den Verwal­tungs­ge­richten erst nach einer konkreten Prüfung der Aktivitäten der Vereinigung und des Verhaltens des Ausländers durch eine wertende Gesamt­be­trachtung entschieden werden, ob ein Ausländer eine Vereinigung unterstützt, die ihrerseits den internationalen Terrorismus unterstützt. Nur wenn feststeht, dass und zu welchem Zeitpunkt eine Vereinigung – wie hier die PKK und ihre Neben- oder Nachfol­ge­or­ga­ni­sa­tionen – terroristische Bestrebungen unterstützt oder sich selbst terroristisch betätigt, kommt eine Unterstützung durch einzelne Personen in Betracht. Eine derartige Unterstützung im Sinne des Ausländerrechts, das auf präventive Gefahrenabwehr zielt und letztlich dem Terrorismus die logistische Basis entziehen soll, kann in jedem Handeln liegen, das objektiv geeignet ist, sich positiv auf die missbilligten Aktio­ns­mög­lich­keiten der Vereinigung auszuwirken. Maßgeblich ist, inwieweit das festgestellte Verhalten des Einzelnen zu den latenten Gefahren der Vorfel­d­un­ter­stützung des Terrorismus nicht nur ganz unwesentlich oder geringfügig beiträgt und deshalb selbst potenziell gefährlich erscheint. Wegen der – vom Gesetzgeber beabsichtigten – tatbe­stand­lichen Weite des Unter­stüt­zungs­be­griffs ist allerdings bei der Anwendung der Vorschrift darauf zu achten, dass nicht unver­hält­nismäßig namentlich in das auch Ausländern zustehende Recht auf freie Meinung­s­äu­ßerung jenseits der Billigung terroristischer Bestrebungen eingegriffen wird.

Diese Anforderungen hat der Verwal­tungs­ge­richtshof München nicht beachtet. Deshalb hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Der Verwal­tungs­ge­richtshof wird im weiteren Verfahren die Verflechtungen und Ziele der Vereinigungen, an deren Veranstaltungen sich die Klägerin angeblich beteiligt hat, ermitteln und auch deren Gefah­ren­po­tenzial prüfen müssen. Sollte er feststellen, dass alle oder einzelne Veranstaltungen tatsächlich in einem Zusammenhang mit der Vorfel­d­un­ter­stützung des Terrorismus stehen, wird er auch prüfen müssen, ob die Klägerin – wie sie überwiegend bestreitet – an den Veranstaltungen überhaupt teilgenommen hat. Der Verwal­tungs­ge­richtshof wird außerdem bei der wertenden Gesamtschau aller Aktivitäten der Klägerin ggf. berücksichtigen müssen, inwieweit sie den Charakter der Organisationen und der Veranstaltungen erkannt hat und ob sie sich überhaupt und glaubhaft von der etwaigen mittelbaren Beteiligung an terroristischen Bestrebungen distanziert.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 13/2005 des BVerwG vom 15.03.2005

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