18.10.2024
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Dokument-Nr. 8902

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Bundesverwaltungsgericht Urteil08.12.2009

BVerwG: Kein Aufent­haltsrecht aus dem Diskri­mi­nie­rungs­verbot für türkischen ArbeitnehmerErteilung des Aufent­halt­s­titels entscheidet einheitlich über Aufenthalt und Ausübung einer Erwer­b­s­tä­tigkeit

Ein türkischer Arbeitnehmer kann sich gegenüber aufent­halts­be­en­denden Maßnahmen der Auslän­der­behörde nicht auf ein Aufent­haltsrecht aus dem assozia­ti­o­ns­recht­lichen Diskri­mi­nie­rungs­verbot berufen. Dies entschied das Bundes­ver­wal­tungs­gericht.

Der Kläger, ein türkischer Staats­an­ge­höriger, erhielt Mitte 1998 nach Heirat einer Deutschen eine befristete Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Ehegat­ten­nachzugs, die jeweils antragsgemäß bis Januar 2006 verlängert wurde. Daneben erteilte ihm das Arbeitsamt 1998 eine unbefristete Arbeitsgenehmigung. Im Februar 2006 nahm die Beklagte die seit 2001 erteilten Aufent­halt­s­er­laubnisse zurück, lehnte die beantragte Verlängerung der Aufent­halt­s­er­laubnis über Januar 2006 hinaus ab und drohte dem Kläger die Abschiebung in die Türkei an. Der Kläger habe die Aufent­halt­s­er­laubnisse mit falschen Angaben erwirkt, da sich inzwischen herausgestellt habe, dass die eheliche Lebensgemeinschaft entgegen seinen Angaben schon vor Ablauf von zwei Jahren geendet habe. Er habe deshalb seit 2001 weder als Ehegatte noch nach Art. 6 des Beschlusses des Assozia­ti­o­nsrats EWG/Türkei 1/80 (ARB 1/80) aufgrund seiner Beschäftigung ein Aufent­haltsrecht gehabt. Dies wurde vom Verwal­tungs­gericht als rechtmäßig bestätigt, während das Hamburgische Oberver­wal­tungs­gericht (OVG) den angefochtenen aufent­halts­be­en­denden Bescheid als rechtswidrig ansah. Der Kläger habe zwar seit 2001 nach nationalem Recht keinen Anspruch mehr auf eine Aufent­halt­s­er­laubnis gehabt, weil die eheliche Lebens­ge­mein­schaft entgegen seinen Angaben nicht zwei Jahre bestanden habe. Unabhängig davon habe ihm aber seither wegen der unbefristet erteilten Arbeits­ge­neh­migung ein Aufent­haltsrecht aufgrund des Diskri­mi­nie­rungs­verbots in Art. 10 ARB 1/80 zugestanden. Dies verleihe dem Kläger – in Anlehnung an die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zu den entsprechenden Diskri­mi­nie­rungs­verboten in den Europa-Mittelmeer-Abkommen der Europäischen Gemeinschaft etwa mit Tunesien oder Marokko – in Verbindung mit der zwischen­zeitlich ausgeübten Beschäftigung ein assozia­ti­o­ns­recht­liches Aufent­haltsrecht. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision.

Aufgabe des doppelten Geneh­mi­gungs­ver­fahrens mit Inkrafttreten des neuen Aufent­halts­ge­setzes

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat das Urteil des Oberver­wal­tungs­ge­richts aufgehoben. Er hat ein Aufent­haltsrecht des Klägers allein aufgrund des Diskri­mi­nie­rungs­verbots des Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 verneint. Nach dieser Vorschrift dürfen türkische Arbeitnehmer, die dem regulären Arbeitsmarkt angehören, gegenüber Arbeitnehmern aus der Gemeinschaft hinsichtlich des Arbeitsentgelts und der sonstigen Arbeits­be­din­gungen nicht diskriminiert werden. Zum einen wird durch eine Rücknahme erteilter Aufent­halt­s­er­laubnisse die tatsächliche Ausübung einer Beschäftigung in vergangenen Zeiträumen nicht beeinträchtigt. Zum anderen kann dem Diskri­mi­nie­rungs­verbot aufent­halts­rechtliche Wirkung allenfalls für die Dauer eines bestehenden Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nisses zukommen. Hinzu kommt, dass sich die Rechtslage ab 1. Januar 2005 geändert hat. Mit Inkrafttreten des Aufent­halts­ge­setzes hat der deutsche Gesetzgeber das bis dahin vorgesehene doppelte Geneh­mi­gungs­ver­fahren (Aufenthalts- und Arbeits­ge­neh­migung) aufgegeben. Die Entscheidung über den Aufenthalt und die Ausübung einer Erwer­b­s­tä­tigkeit wird gegenüber dem Ausländer einheitlich mit Erteilung des Aufent­halt­s­titels getroffen. Hinsichtlich der Erwer­b­s­tä­tigkeit findet lediglich eine interne Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit durch die Auslän­der­behörde statt (vgl. Bundes­ver­wal­tungs­gericht, Urteil v. 08.12.2009 - BVerwG 1 C 14.08 -). Der Anwendung der neuen Rechtslage auf den Kläger als türkischen Staats­an­ge­hörigen steht auch nicht das Verschlech­te­rungs­verbot nach Art. 13 ARB 1/80 entgegen. In seinem Fall hat sich die Rechtslage nicht zu seinem Nachteil verändert. Da auch die Würdigung der Beweislage im Berufungsurteil hinsichtlich des Zeitpunkts der Aufhebung der ehelichen Lebens­ge­mein­schaft revisi­ons­rechtlich zu beanstanden war, konnte der Senat in der Sache nicht abschließend entscheiden, ob dem Kläger nicht schon wegen einer ausreichenden Ehebestandszeit nach nationalem Recht eine Aufent­halt­s­er­laubnis zustand und auch künftig weiterhin erteilt werden könnte. Das Verfahren war deshalb an das OVG zurück­zu­ver­weisen. Vor diesem Hintergrund kam die vom Kläger angeregte Vorlage an den EuGH nicht in Betracht.

Quelle: ra-online, BVerwG

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