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- Verwaltungsgericht Gießen, Urteil15.01.2018, 2 K 5228/17.GI.A
Bundesverwaltungsgericht Urteil15.01.2019
Stattgebender gerichtlicher Eilbeschluss führt zur Unwirksamkeit einer asylrechtlichen UnzulässigkeitsentscheidungBundesamt für Migration und Flüchtlinge muss sich mit geäußerten ernstlichen Zweifeln des Gerichts auseinandersetzen und Asylverfahren ab dem Zeitpunkt vor Ablehnung fortführen
Lehnt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - einen Asylantrag als unzulässig ab, weil dem Ausländer bereits in einem anderen Mitgliedstaat der EU internationaler Schutz gewährt worden ist, wird diese Entscheidung mit einer stattgebenden Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts unabhängig von den Gründen der Stattgabe kraft Gesetzes unwirksam. Das Asylverfahren ist in dem Stadium, in dem es sich vor der Ablehnung befunden hat, vom Bundesamt fortzuführen; dabei ist auch eine neuerliche Unzulässigkeitsentscheidung nicht ausgeschlossen. Dies entschied das Bundesverwaltungsgericht.
Der Kläger des zugrunde liegenden Falls, ein syrischer Staatsangehöriger, erhielt im Oktober 2015 in Griechenland Flüchtlingsschutz. Anfang 2017 stellte er in Deutschland erneut einen Asylantrag. Diesen Antrag lehnte das Bundesamt wegen der Gewährung internationalen Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat der EU als unzulässig ab (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) und drohte dem Kläger die Abschiebung nach Griechenland an.
Unzulässigkeitsentscheidung und Abschiebungsandrohung nach stattgebendem Eilbeschlusses unwirksam
Das Verwaltungsgericht Gießen gab einem Eilantrag des Klägers statt. In der Hauptsache stellte es sodann fest, dass die Unzulässigkeitsentscheidung und die Abschiebungsandrohung infolge des stattgebenden Eilbeschlusses nach § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG unwirksam geworden sind.
Unwirksamkeitsfolge tritt auch bei Zweifeln des Gerichts an Abschiebungsandrohung ein
Die dagegen gerichtete Sprungrevision der Beklagten wies das Bundesverwaltungsgericht zurück. Die an eine stattgebende Eilentscheidung anknüpfende gesetzliche Unwirksamkeitsfolge des § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG gilt ausdrücklich auch für Unzulässigkeitsentscheidungen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Diese Rechtsfolge tritt auch dann ein, wenn das Verwaltungsgericht im Eilverfahren ernstliche Zweifel nicht an der Rechtmäßigkeit der Unzulässigkeitsentscheidung selbst, sondern nur an der Abschiebungsandrohung angenommen hat. Aus den Gesetzesmaterialien ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass es sich bei der mit dem Integrationsgesetz 2016 angeordneten umfassenden Erstreckung der - vormals auf unbeachtliche Asylanträge beschränkten - Unwirksamkeitsfolge nach § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG auf Unzulässigkeitsentscheidungen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG lediglich um ein redaktionelles Versehen handelt.
Stattgegebener Eilantrag steht zeitnaher Abschiebung regelmäßig entgegen
Der Anwendungsbereich des § 37 Abs. 1 AsylG kann auch nicht seinem Zweck nach (teleologisch) begrenzt werden, weil weder die ausdrückliche Einbeziehung von Unzulässigkeitsentscheidungen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG noch der Umstand, dass sich die Rechtswirkungen des § 37 Abs. 1 AsylG unabhängig von den Gründen, aus denen das Verwaltungsgericht einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stattgegeben hat, stets auch auf die Unzulässigkeitsentscheidung erstrecken, der inneren Teleologie (Zielsetzung) der Regelung widersprechen. Die Regelungen der §§ 35 ff. AsylG dienen der beschleunigten Aufenthaltsbeendigung bei anderweitiger Verfolgungssicherheit. Gibt das Verwaltungsgericht einem Eilantrag wegen ernstlicher Zweifel statt, steht dies einer zeitnahen Abschiebung regelmäßig entgegen. In diesem Fall soll nicht der Ausgang des gerichtlichen Hauptsacheverfahrens abgewartet werden, sondern ist das Bundesamt nach § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG zur Fortführung des Asylverfahrens verpflichtet. Dabei muss sich das Bundesamt mit den vom Verwaltungsgericht im Eilverfahren geäußerten ernstlichen Zweifeln auseinandersetzen, ist aber an dessen Bewertung nicht gebunden. Liegen die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG weiterhin vor, ist erneut eine Unzulässigkeitsentscheidung zu treffen.
Vermeidung einer "Endlosschleife" im Verfahren
Die Entscheidungsinstrumente, die das Asylgesetz zur Verfügung stellt, ermöglichen dem Bundesamt für diese Konstellation, eine "Endlosschleife" im Verfahren zu vermeiden. So kann es eine rechtsgrundsätzliche Klärung in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren dadurch herbeiführen, dass es entweder ausnahmsweise vom Erlass einer Abschiebungsandrohung nach § 34 Abs. 2 AsylG bis zu einer endgültigen gerichtlichen Überprüfung seiner erneuten Unzulässigkeitsentscheidung in einem Hauptsacheverfahren absieht oder eine Abschiebungsandrohung erlässt, deren Vollzug aber bis zu einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nach § 80 Abs. 4 VwGO aussetzt. Objektiv nicht im Einklang mit dem Asylgesetz steht indes die Praxis des Bundesamtes, bei einer auf § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gestützten Unzulässigkeitsentscheidung unter Rückgriff auf § 38 Abs. 1 AsylG die Abschiebungsandrohung mit einer bei Klageerhebung erst nach Unanfechtbarkeit laufenden 30-tägigen Ausreisefrist zu verbinden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 16.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online
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