21.11.2024
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Dokument-Nr. 26523

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Urteil25.10.2017Bundesverwaltungsgericht6 C 46/16
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW 2018, 716Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2018, Seite: 716
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Vorinstanzen:
  • Verwaltungsgericht Schwerin, Urteil29.09.2011, 1 A 1180/07
  • Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil15.07.2015, 3 L 9/12
ergänzende Informationen

Bundesverwaltungsgericht Urteil25.10.2017

BVerwG: Faktischer Eingriff in Ver­sammlungs­freiheit aufgrund Tiefflugs eines Kampflugzeugs über ProtestcampEinschüchternde Wirkung des Überflugs wegen Lärm, Anblick und Über­raschungs­wirkung

Fliegt ein Kampflugzeug der Bundeswehr im Tiefflug über ein Protestcamp, um Luftbilder anzufertigen, so liegt darin ein faktischer Eingriff in die Ver­sammlungs­freiheit gemäß Art. 8 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Der Eingriff ist in der einschüch­ternden Wirkung des Überflugs wegen des Lärms, des Anblicks und der Über­raschungs­wirkung zu sehen. Dies hat das Bundes­verwaltungs­gericht entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Anlässlich des G8-Gipfels in Heiligendamm im Juni 2007 überflog ein Tornado-Kampflugzeug der Bundewehr in einer Höhe von 114 m ein Camp von Demonstranten, um Fotos vom Camp anzufertigen. Das Camp diente als Unterkunft. Eine Demonstrantin sah in dem Tiefflug des Kampfflugzeugs einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit und erhob daher Klage auf Feststellung, dass der Überflug rechtswidrig war.

Verwal­tungs­gericht und Oberver­wal­tungs­gericht wiesen Klage ab

Sowohl das Verwal­tungs­gericht Schwerin als auch das Oberver­wal­tungs­gericht Mecklenburg-Vorpommern wiesen die Feststel­lungsklage ab. Das Oberver­wal­tungs­gericht ging davon aus, dass vom Tiefflug des Kampfflugzeugs aus Sicht eines Durch­schnitts­menschen keine Abschre­ckungs­wirkung ausgegangen sei und ein Eingriff in die Versamm­lungs­freiheit somit nicht vorgelegen habe. Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Revision ein.

Bundes­ver­wal­tungs­gericht bejaht Schutz des Camps durch Grundrecht der Versamm­lungs­freiheit

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht entschied zu Gunsten der Klägerin und hob daher die Entscheidung der Vorinstanz auf. Zunächst sei der Aufenthalt der Klägerin im Protestcamp vom Schutzbereich der Versamm­lungs­freiheit gemäß Art. 8 Abs. 1 GG erfasst worden. Zwar sei das Camp selber nicht als grundrechtlich geschützte Versammlung zu werten. Jedoch sei das Grundrecht der Versamm­lungs­freiheit nicht auf den Zeitraum der Durchführung der Versammlung begrenzt. Es entfalte seine Wirkung vielmehr bereits in deren Vorfeld. Andernfalls könne die Versamm­lungs­freiheit durch staatliche Maßnahmen im Vorfeld der Versammlung ausgehöhlt werden. Das Grundrecht schütze deshalb den gesamten Vorgang des Sichversammelns, wozu auch der Zugang und die Anreise zu einer bevorstehenden bzw. sich bildenden Versammlung gehören.

Faktischer Eingriff in Versamm­lungs­freiheit durch Tiefflug

Der Tiefflug des Kampflugzeugs habe nach Auffassung des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts einen faktischen Eingriff in das Grundrecht der Versamm­lungs­freiheit dargestellt. Ein solcher sei gegeben, wenn das staatliche Handeln einschüchternd oder abschreckend wirke bzw. geeignet sei, die freie Willensbildung und die Entschlie­ßungs­freiheit derjenigen Personen zu beeinflussen, die an Versammlungen teilnehmen wollen. Im Hinblick auf die extreme Lärmentfaltung, den angst­ein­flö­ßenden Anblick und die Überra­schungs­wirkung im Kontext der bevorstehenden Demonstrationen gegen den G8-Gipfel habe der Überflug einschüchternde Wirkung gehabt.

Zurückweisung des Falls an Oberver­wal­tungs­gericht

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht wies den Fall an das Oberver­wal­tungs­gericht zurück, damit dieses überprüfen konnte, ob der Eingriff in die Versamm­lungs­freiheit gerechtfertigt gewesen sei oder nicht.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht, ra-online (vt/rb)

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