18.10.2024
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Dokument-Nr. 32414

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Bundesverwaltungsgericht Urteil30.11.2022

Absolventen des Zweiten Examens haben einen Anspruch auf unentgeltliche Kopien ihren Examens­klausurenDem Anspruch stehen keine Ausschluss­gründe nach der DSGVO entgegen

Absolventen der zweiten juristischen Staatsprüfung haben gemäß Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 der Daten­schutz­grund­verordnung (DSGVO) einen Anspruch darauf, dass ihnen das Landesj­ustiz­prüfungs­amt unentgeltlich eine Kopie der von ihnen angefertigten Aufsichts­a­r­beiten mitsamt den zugehörigen Prüfergutachten zur Verfügung stellt. Dies hat das Bundes­verwaltungs­gericht entschieden.

Nachdem der Kläger im Jahr 2018 die zweite juristische Staatsprüfung vor dem Landes­jus­tiz­prü­fungsamt des beklagten Landes Nordrhein-Westfalen bestanden hatte, verlangte er von dem Amt unter Berufung auf die daten­schutz­recht­lichen Vorschriften, ihm unentgeltlich eine Kopie der von ihm angefertigten Aufsichts­a­r­beiten und der zugehörigen Prüfergutachten zur Verfügung zu stellen. Das Landes­jus­tiz­prü­fungsamt war zu einer Übermittlung der Kopien nur gegen Erstattung der nach dem Landes­kos­tenrecht berechneten Kosten in Höhe von 69,70 € bereit und lehnte den Antrag des Klägers ab. Der von dem Kläger hiergegen erhobenen Klage hat das Verwal­tungs­gericht Gelsenkirchen stattgegeben. Die von dem Land Nordrhein-Westfalen gegen dieses Urteil eingelegte Berufung hat das Oberver­wal­tungs­gericht Münster zurückgewiesen.

BVerwG bestätigt Anspruch auf unentgeltliche Kopien

Die hiergegen eingelegte Revision des Landes Nordrhein-Westfalen ist vor dem Bundes­ver­wal­tungs­gericht erfolglos geblieben. Nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO hat die betroffene Person u.a. das Recht auf Auskunft über ihre perso­nen­be­zogenen Daten. Gemäß Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO kann sie von dem Verant­wort­lichen die Überlassung einer Kopie der perso­nen­be­zogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, verlangen. Aus Art. 12 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Art. 15 Abs. 3 Satz 2 DSGVO ergibt sich, dass die erste derartige Kopie unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden muss. Durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) ist seit dem Jahr 2017 geklärt, dass die schriftlichen Prüfungs­leis­tungen in einer berufsbezogenen Prüfung und die Anmerkungen der Prüfer dazu wegen der in ihnen jeweils enthaltenen Informationen über den Prüfling insgesamt - das heißt letztlich Wort für Wort - perso­nen­be­zogene Daten des Prüflings darstellen. Macht in diesen Fällen der betroffene Prüfling das Recht auf Erhalt einer unentgeltlichen ersten Datenkopie geltend, muss das Prüfungsamt eine vollständige Kopie der schriftlichen Prüfungs­a­r­beiten und der zugehörigen Prüfergutachten unentgeltlich zur Verfügung stellen.

Recht der Datenherausgabe umfasst die Überlassung ganzer Klausuren

Dies gilt nicht nur nach einem weiten Normverständnis, nach dem das Recht auf eine Datenkopie stets die Überlassung einer Reproduktion der Daten in der bei dem Verant­wort­lichen vorliegenden Form umfasst. Nichts Anderes folgt aus einem engeren Inter­pre­ta­ti­o­ns­ansatz, nach dem grundsätzlich nur ein Anspruch auf die Zurver­fü­gung­s­tellung der aus dem jeweiligen Verar­bei­tungs­zu­sam­menhang extrahierten perso­nen­be­zogenen Daten oder auch nur einer strukturierten Zusammenfassung dieser Daten besteht. Denn ein solches Vorgehen ist bei Prüfungs­a­r­beiten nicht möglich. Deshalb hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht von einer Vorlage der Frage an den EuGH abgesehen, welcher Auffassung zu folgen ist.

Kein exzessiver Antrag im Sinne des Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DSGVO

Dem von dem Kläger geltend gemachten Anspruch stehen keine Ausschluss­gründe nach der Datenschutzgrundverordnung entgegen. Insbesondere handelt es sich nicht um einen exzessiven Antrag im Sinne des Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DSGVO. Der Umfang, den seine Bearbeitung nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberver­wal­tungs­ge­richts bei dem Landes­jus­tiz­prü­fungsamt verursacht, ist als vergleichsweise gering zu beurteilen. Der Anspruch bezieht sich vorliegend auf acht Klausuren mit insgesamt 348 Seiten. Durchgreifende Anhaltspunkte für eine rechts­miss­bräuchliche Anspruchs­ver­folgung hat das Oberver­wal­tungs­gericht zu Recht verneint. Es hat ferner festgestellt, dass der fristgebundene Einsichts­an­spruch nach dem nordrhein- westfälischen Juris­te­n­aus­bil­dungs­gesetz den daten­schutz­recht­lichen Anspruch unberührt lässt. An diese Auslegung des Landesrechts ist das Bundes­ver­wal­tungs­gericht gebunden.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht, ra-online (pm/ab)

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