21.11.2024
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Dokument-Nr. 34055

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Urteil06.06.2024Bundesverwaltungsgericht3 C 5.23
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Bundesverwaltungsgericht Urteil06.06.2024

Zu den Voraussetzungen eines Anspruchs von Anwohnern gegen die Straßen­verkehrs­behörde auf Einschreiten gegen verbotswidrig auf den Gehwegen geparkte FahrzeugeAnwohner können gegen Gehweg-Parker vorgehen

Anwohner können bei einer erheblichen Beein­träch­tigung der bestim­mungs­gemäßen Gehwegbenutzung einen räumlich begrenzten Anspruch gegen die Straßen­verkehrs­behörde auf eine ermessens­fehlerfreie Entscheidung über das Einschreiten gegen das verbotswidrige Gehwegparken haben. Das hat das Bundes­verwaltungs­gericht entschieden.

Die Kläger begehren von der Beklagten ein straßen­ver­kehrs­be­hörd­liches Einschreiten gegen Fahrzeuge, die aufgesetzt auf den Gehwegen in drei Bremer Straßen geparkt werden. Die Kläger sind Eigentümer von Häusern in den betreffenden Straßen. Die drei Straßen sind Einbahnstraßen. Die Fahrbahnen sind zwischen 5,00 und 5,50 Metern breit; auf beiden Seiten verlaufen Gehwege mit einer Breite zwischen 1,75 und 2,00 Metern. Verkehrszeichen mit Regelungen zum Halten und Parken sind nicht angeordnet. Seit Jahren wird unter anderem in den drei Straßen auf beiden Seiten nahezu durchgehend verbotswidrig aufgesetzt auf den Gehwegen geparkt. Die gegen die Straßen­ver­kehrs­behörde der beklagten Freien Hansestadt Bremen gerichteten Anträge der Kläger, Maßnahmen gegen das Parken auf den Gehwegen in den Straßen zu ergreifen, lehnte die Beklagte ab. Verkehrszeichen und -einrichtungen seien nicht - wie für deren Anordnung geboten - zwingend erforderlich. Das Gehwegparken sei bereits auf der Grundlage von § 12 Abs. 4 und 4a der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) verboten.

Bisheriger Prozessverlauf

Auf die hiergegen nach erfolglosem Widerspruch erhobenen Klagen hat das VG Bremen die Beklagte unter Aufhebung der angegriffenen Bescheide verpflichtet, die Kläger unter Beachtung seiner Rechts­auf­fassung neu zu bescheiden; im Übrigen hat es die Klagen abgewiesen. § 12 Abs. 4 und 4a StVO habe eine drittschützende Wirkung zu ihren Gunsten. Wegen der Dauer und Häufigkeit der Beein­träch­ti­gungen sei das Entschlie­ßungs­er­messen der Beklagten auf Null reduziert; die Beklagte sei zum Einschreiten verpflichtet. Gegen dieses Urteil haben die Kläger und die Beklagte Berufung eingelegt. Auf die Berufung der Beklagten hat das OVG die erstin­sta­nzliche Entscheidung dahin geändert, dass eine erneute Entscheidung über die Anträge der Kläger unter Beachtung der Rechts­auf­fassung des OVG zu erfolgen habe; im Übrigen hat es die Berufungen zurückgewiesen. Wie das VG hat das OVG eine drittschützende Wirkung von § 12 Abs. 4 und 4a StVO zugunsten der Kläger bejaht. Die Beklagte habe über das Begehren der Kläger nicht ermes­sens­feh­lerfrei entschieden. Anders als das VG war das OVG aber der Auffassung, dass das Entschlie­ßungs­er­messen der Beklagten nicht auf Null reduziert sei. Eine Pflicht, auf die Anträge der Kläger in den drei Straßen unmittelbar einzuschreiten, bestehe jedenfalls derzeit nicht. Es sei nicht zu beanstanden, wenn sie zunächst den Problemdruck in den am stärksten belasteten Quartieren zu ermitteln und ein Konzept für ein stadtweites Vorgehen umzusetzen gedenke. Gegen das Berufungsurteil haben die Kläger und die Beklagte Revision eingelegt.

Ermessen muss nicht auf Null reduziert sein

Auf die Revision der Beklagten hat das BVerwG die angefochtenen Urteile geändert und die Beklagte verpflichtet, die Kläger unter Beachtung der Rechts­auf­fassung des BVerwG neu zu bescheiden; im Übrigen hat es die Revisionen zurückgewiesen. Das Berufungs­gericht hat ohne Bundes­rechts­verstoß angenommen, dass das § 12 Abs. 4 und 4a StVO zu entnehmende Gehweg­pa­rk­verbot eine drittschützende Wirkung zugunsten der Kläger hat. Das Verbot des Gehwegparkens schützt nicht nur die Allgemeinheit, sondern auch Anwohner, die in der Nutzung des an ihr Grundstück grenzenden Gehwegs erheblich beeinträchtigt werden. Nach den vom OVG getroffenen Feststellungen ist diese Voraussetzung bei den Klägern erfüllt. Die weitere Annahme des Berufungs­ge­richts, das Entschlie­ßungs­er­messen der Beklagten sei nicht auf Null reduziert, sie sei also noch nicht zu einem unmittelbaren Einschreiten verpflichtet, verstößt nicht gegen Bundesrecht. Da das unerlaubte Gehwegparken nach den Feststellungen des Berufungs­ge­richts in der gesamten Stadt, insbesondere in den inner­städ­tischen Lagen weit verbreitet ist, ist es nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte zunächst die am stärksten belasteten Quartiere ermittelt, Straßen mit besonders geringer Restgeh­weg­breite priorisiert und ein entsprechendes Konzept für ein stadtweites Vorgehen umsetzt.

Auf die Revision der Beklagten waren die angefochtenen Urteile zu ändern, soweit sie den Klägern einen Anspruch in Bezug auf die "streit­ge­gen­ständ­lichen Straßen" zuerkannt haben. Die drittschützende Wirkung des Gehweg­pa­rk­verbots aus § 12 Abs. 4 und 4a StVO ist regelmäßig - und so auch hier - auf den Gehweg beschränkt, der auf der "eigenen" Straßenseite des Anwohners verläuft; umfasst ist in der Regel auch nur der Straße­n­ab­schnitt bis zur Einmündung "seiner" Straße in die nächste (Quer-)Straße. In Bezug auf weitere Abschnitte des Gehwegs sind die Anwohner Teil des allgemeinen Kreises der Gehwegbenutzer und nicht mehr hinreichend von der Allgemeinheit unterscheidbar. Unter Beachtung der insoweit vom Berufungsurteil abweichenden Rechts­auf­fassung des BVerwG hat die Beklagte erneut über die Anträge der Kläger zu entscheiden.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht, ra-online (pm/ab)

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