21.11.2024
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Bundesverwaltungsgericht Urteil23.11.2006

Betäubungsloses Schlachten trotz Tierschutz im Grundgesetz zulässigSchutz der Religi­o­ns­freiheit gewährt Ausnah­me­vor­schrift

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat entschieden, dass die Aufnahme des Tierschutzes als Staatsziel in das Grundgesetz es nicht ausschließt, einem muslimischen Metzger eine Ausnah­me­ge­neh­migung zum betäubungslosen Schlachten (Schächten) von Rindern und Schafen zu erteilen, um seine Kunden entsprechend ihrer Glaubens­über­zeugung mit Fleisch zu versorgen.

Das Tierschutz­gesetz verbietet grundsätzlich das betäubungslose Schlachten. Es sieht aber eine Ausnahmegenehmigung vor, um den Bedürfnissen der Angehörigen von Religi­o­ns­ge­mein­schaften zu entsprechen, denen zwingende Glaubens­vor­schriften den Genuss des Fleisches von Tieren verbietet, die vor der Schlachtung betäubt worden sind.

Der Kläger ist türkischer Staats­an­ge­höriger und sunnitischer Muslim. Er lebt seit ca. 25 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland und betreibt eine Metzgerei. Er macht geltend, zwingende religiöse Vorschriften untersagten ihm und seinen muslimischen Kunden den Verzehr von Fleisch vor der Schlachtung betäubter Tiere. Für die Versorgung seiner muslimischen Kunden erhielt er deswegen bis Anfang September 1995 Ausnah­me­ge­neh­mi­gungen zum Schlachten ohne Betäubung. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts vom 15. Juni 1995, mit dem die Versagung einer zur Versorgung von sunnitischen Muslimen mit Fleisch- und Wurstwaren begehrten Ausnah­me­ge­neh­migung für rechtmäßig befunden worden war, verweigerte der Beklagte dem Kläger die Erteilung weiterer Ausnah­me­ge­neh­mi­gungen. Nach Erfolglosigkeit der hiergegen eingelegten Rechtsmittel erhob der Kläger Verfas­sungs­be­schwerde zum Bundes­ver­fas­sungs­gericht. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hob durch Urteil vom 15. Januar 2002 die klage­ab­wei­senden Gerichts entscheidungen auf und verwies die Sache an das Verwal­tungs­gericht zurück. Es stellte fest, dass die Entscheidungen, die die Erteilung einer Ausnah­me­ge­neh­migung zum Schächten ablehnten, den Kläger in seinen Grundrechten verletzten. Die Vorinstanzen haben daraufhin den Beklagten dem Grunde nach verpflichtet, dem Kläger eine Ausnah­me­ge­neh­migung zum Schlachten ohne vorherige Betäubung zu erteilen. Hiergegen hat der Beklagte Revision mit der Begründung eingelegt, mit der Einfügung des Tierschutzes als Staats­ziel­be­stimmung in das Grundgesetz hätten sich die Gewichte zugunsten des Tierschutzes verschoben.

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat die Revision zurückgewiesen. Das Gesetz beabsichtige, sowohl den betroffenen Grundrechten als auch den Zielen des ethischen Tierschutzes Rechnung zu tragen. Dem diene die an enge Voraussetzungen zum Schutz der Religionsfreiheit geknüpfte Ausnah­me­vor­schrift für ein betäubungsloses Schlachten. Hieran habe sich durch die Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz nichts geändert. Eine andere Betrachtung würde einen vom Gesetzgeber nicht beabsichtigten Vorrang des Tierschutzes bedeuten.

Quelle: ra-online, BVerwG

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