18.10.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss29.03.2007

BVerfG: Drängeln im Stadtverkehr kann strafbare Nötigung seinImmer sind die Umstände des Einzelfalls entscheidend

Dichtes, bedrängendes Auffahren auf den Vordermann kann – insbesondere bei gleichzeitigem Betätigen von Lichthupe und Hupe – den Tatbestand der Nötigung gemäß § 240 Strafgesetzbuch erfüllen und zwar auch dann, wenn es im innerörtlichen Verkehr stattfindet. Maßgeblich sind jeweils die Umstände des Einzelfalls. Dies entschied das Bundes­ver­fas­sungs­gericht.

Damit war die Verfas­sungs­be­schwerde eines wegen versuchter Nötigung zu einer Geldstrafe verurteilten Beschwer­de­führers erfolglos. Der Beschwer­de­führer war mit seinem Fahrzeug innerorts über eine Strecke von knapp 300 Metern bei einer Geschwindigkeit von 40 bis 50 km/h einem vor ihm fahrenden Verkehrs­teil­nehmer dicht aufgefahren, um diesen zu schnellerem Fahren oder einer Freigabe der Fahrbahn zu veranlassen. Dabei hatte er seine Lichthupe und – teilweise – auch die Hupe eingesetzt.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Gewaltanwendung im Sinne des Nötigungs­pa­ra­grafen liegt vor, wenn der Täter durch körperliche Kraftentfaltung Zwang auf sein Opfer ausübt und dieser Zwang nicht lediglich psychisch wirkt, sondern körperlich empfunden wird. Pauschale Wertungen darüber, wann ein Verhalten im Straßenverkehr körperlichen Zwang auf einen anderen Verkehrs­teil­nehmer ausübt, können nicht getroffen werden. Vielmehr kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Von Bedeutung sind unter anderem die Dauer und Intensität des bedrängenden Auffahrens, die gefahrenen Geschwin­dig­keiten, die allgemeine Verkehrs­si­tuation zum Zeitpunkt des dichten Auffahrens und ob der Täter bei dem Auffahrvorgang zugleich Hupe oder Lichthupe betätigt hat. All diese Faktoren lassen einzeln oder im Verbund Rückschlüsse auf die Auswirkungen des auf seine strafrechtliche Relevanz zu überprüfenden Verhaltens des Betroffenen zu. Werden diese Auswirkungen körperlich empfunden, führen sie also zu physisch merkbaren Angstreaktionen, liegt Zwang vor, der Gewalt sein kann. Auch innerorts ist ein nötigendes Verhalten grundsätzlich möglich. Allerdings bedarf es hier wegen der im Regelfall niedrigeren gefahrenen Geschwin­dig­keiten einer besonders genauen Prüfung, ob Nötigungs­unrecht – insbesondere in Abgrenzung zu einer bloßen Ordnungs­wid­rigkeit durch Unterschreiten des Sicher­heits­ab­standes – vorliegt.

Diese Maßstäbe hat das Landgericht nicht verkannt. Die angegriffene Entscheidung ist daher verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 47/2007 des BVerfG vom 17.04.2007

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