18.10.2024
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Dokument-Nr. 16282

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Beschluss20.03.2013Bundesverfassungsgericht2 BvR 67/11
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW 2013, 1943Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2013, Seite: 1943
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Vorinstanzen:
  • Landgericht Aachen, Beschluss21.09.2010, 33i StVK 361/10
  • Oberlandesgericht Hamm, Beschluss23.09.2010, 1 Vollz (Ws) 588/10
ergänzende Informationen

Bundesverfassungsgericht Beschluss20.03.2013

BVerfG: Unterbringung eines Strafgefangen mit rauchenden Mithäftlingen nur mit dessen EinverständnisNichtraucher hat Anspruch auf gerichtliche Feststellung der Rechts­wid­rigkeit der Unterbringung

Wird ein nicht rauchender Strafgefangener zusammen mit einem rauchendem Mithäftling untergebracht, so liegt ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) vor. Eine solche Unterbringung ist daher nur mit der Einwilligung des Nichtrauchers möglich. Er kann zudem die Rechts­wid­rigkeit der Unterbringung gerichtlich feststellen lassen. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­ver­fassungs­gerichts hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Ein nicht rauchender Strafgefangene wurde im Zuge einer Verlegung in die Justiz­voll­zugs­anstalt Aachen in einem Raum mit einem rauchenden Mithäftling untergebracht. Nachdem seine beantragte Verlegung abgelehnt wurde, erhob er Klage vor dem Landgericht Aachen. Er meinte, durch das Passivrauchen liege eine fahrlässige Körper­ver­letzung vor. Die JVA entgegnete dem, dass der Strafgefange mit einer gemein­schaft­lichen Unterbringung ausdrücklich einverstanden gewesen sei. Dennoch verlegte sie ihn nach Aufforderung zur Stellungnahme durch das Gericht in einen Einzelhaftraum. Der Strafgefangene wollte daraufhin die Rechts­wid­rigkeit der gemein­schaft­lichen Unterbringung festgestellt haben.

Landgericht Aachen verwarf Antrag auf Feststellung der Rechts­wid­rigkeit

Das Landgericht Aachen verwarf den Antrag auf Feststellung der Rechts­wid­rigkeit der gemein­schaft­lichen Unterbringung mit einem Raucher. Denn der Strafgefangene habe kein berechtigtes Interesse an der Feststellung gehabt. Zudem habe sich der Strafgefangene ausdrücklich mit einer gemein­schaft­lichen Unterbringung einverstanden erklärt. Die gegen diese Entscheidung eingelegte Rechts­be­schwerde verwarf das Oberlan­des­gericht Hamm als unzulässig. Der Strafgefangene legte daher Verfas­sungs­be­schwerde ein.

Verletzung des effektiven Rechtsschutzes lag vor

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht stellte zunächst einen Verstoß gegen den effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) durch das Landgericht fest. Der Bürger habe nach Auffassung des Verfas­sungs­ge­richts einen Anspruch auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle. Zwar könne der Anspruch erlöschen, wenn sich die Sache erledigt hat. Dies gelte jedoch dann nicht, wenn ein schwerwiegender Grund­rechts­verstoß vorliegt. Dies sei hier der Fall gewesen. Nur die gerichtliche Prüfung von selbst erledigten Maßnahmen der Straf­voll­zugs­be­hörden könne verhindern, dass insbesondere Grundrechte nicht systematisch ungeschützt bleiben.

Eingriff in die körperliche Unversehrtheit bestand

Zudem habe nach Auffassung der Verfas­sungs­richter angesichts der nicht auszu­schlie­ßenden gesund­heits­ge­fähr­denden Wirkung des Passivrauchens ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) vorgelegen (vgl. BVerfG, Urt. v. 30.07.2008 - 1 BvR 3262/07; 1 BvR 402/08; 1 BvR 906/08). Der Gefangene habe aber Anspruch auf Schutz vor Gefährdung und erhebliche Beein­träch­tigung durch das Rauchen von Mitgefangen und Aufsichts­personal.

Eingriff war nicht gerechtfertigt

Der Eingriff sei auch nicht gerechtfertigt gewesen, so das Verfas­sungs­gericht weiter. Zum einen habe es an einer gesetzlichen Grundlage für die gemein­schaftliche Unterbringung mit einem Raucher gefehlt. Darüber hinaus habe das nordrhein-westfälische Nicht­rau­cher­schutz­gesetz das Rauchen in einem Haftraum ausdrücklich verboten, wenn eine der darin untergebrachten Person Nichtraucher ist (§ 3 Abs. 5 Satz 2 NiSchG NRW).

Keine Einwilligung in die Unterbringung mit einem Raucher

Aus Sicht der Verfas­sungs­richter habe sich das Landgericht nicht hinreichend mit der Frage ausein­an­der­gesetzt, ob der Strafgefangene eine Einwilligung in die Unterbringung mit einem Raucher erteilt habe und ob eine solche Einwilligung überhaupt den Eingriff habe rechtfertigen können. In dem Einverständnis zur vorübergehenden gemein­schaft­lichen Unterbringung hat das Verfas­sungs­gericht nicht eine Einwilligung in die gemein­schaftliche Unterbringung mit einem Raucher gesehen.

Entscheidung des Landgerichts wurde aufgehoben

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hob die Entscheidung des Landgerichts auf und wies die Sache zur Neuentscheidung zurück (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (vt/rb)

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