Bundesverfassungsgericht Beschluss26.04.1969
BVerfG: Ablehnende und stattgebende Gnadenentscheidungen sind gerichtlich nicht anfechtbarKeine Anwendung der Rechtsweggarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG
Ablehnende und stattgebende Gnadenentscheidungen sind gerichtlich nicht anfechtbar. Die Rechtsweggarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG gilt nicht. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hervor.
In dem zugrunde liegenden Fall reichte ein Strafgefangener im Juli 1962 ein Gnadengesuch ein. Der dafür zuständige Generalstaatsanwalt beim Oberlandesgericht München lehnte diesen aber ab. Nachdem auch das bayerische Justizministerium eine Begnadigung des Strafgefangenen ablehnte, erhob er Klage.
Oberlandesgericht verneint Anfechtbarkeit der Gnadenentscheidung
Das Oberlandesgericht München verneinte eine Anfechtbarkeit der Gnadenentscheidung. Dies sei seiner Ansicht nach nicht möglich, da solche Entscheidungen keinen gerichtlich nachprüfbaren Verwaltungsakt darstellen. Der Strafgefangene war damit nicht einverstanden und erhob Verfassungsbeschwerde. Er rügte vor allem eine Verletzung seiner Rechtsweggarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG.
Bundesverfassungsgericht schließt Anwendbarkeit der Rechtsweggarantie bei Gnadenentscheidungen aus
Das Bundesverfassungsgericht entschied gegen den Strafgefangenen. Für Gnadenentscheidungen gelte die Rechtsweggarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG nicht. Dies ergebe sich aus den Besonderheiten der Begnadigung. Durch eine solche Entscheidung greife die Exekutive in die rechtsprechende Gewalt ein. Dies sei dem Grundsatz der Gewaltenteilung fremd. Das Grundgesetz habe jedoch die Gewaltenteilung modifiziert und im Bereich der Einzelbegnadigung dem Träger des Gnadenrechts eine Gestaltungsmacht besonderer Art verliehen. Das Gnadenrecht könne daher nicht den Sicherungen unterworfen werden, die gewährleisten sollen, dass Übergriffe der Exekutive durch Anrufung der Gerichte abgewehrt werden können.
Gnadenentscheidung kein Verwaltungsakt aufgrund Delegation des Gnadenrechts
Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts sei es zudem unzutreffend aufgrund der Delegation der Begnadigungsbefugnis an untere Instanzen und eingehender Verfahrensvorschriften in Gnadenordnungen anzunehmen, dass das Gnadenwesen bürokratisiert, somit auf die Stufe normaler Verwaltungsakte herabgedrückt worden sei und damit Gnadenentscheidungen gerichtlich nachprüfbar seien. Es dürfe nicht die Eigenart der Einzelbegnadigung außer Betracht gelassen werden. Ein Gnadenakt könne ohne Antrag, ohne Zustimmung, ohne Billigung und sogar gegen den Willen des Begünstigten ergehen. Ein Anspruch auf Begnadigung gebe es nicht. Ein solches Recht könne daher auch nicht verletzt werden. Für eine gerichtliche Nachprüfbarkeit der Ermessensentscheidung fehle es angesichts der denkbaren Motivation für eine Gnadenentscheidung an greifbaren Maßstäben.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 25.01.2017
Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (vt/rb)