21.11.2024
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Dokument-Nr. 23499

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Beschluss30.03.2016Bundesverfassungsgericht2 BvR 496/12
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW-Spezial 2016, 313Zeitschrift: NJW-Spezial, Jahrgang: 2016, Seite: 313
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Vorinstanzen:
  • Landgericht Landshut, Beschluss04.01.2012, StVK 693/11
  • Oberlandesgericht München, Beschluss30.01.2012, 1 Ws 56, 71, 72/12
ergänzende Informationen

Bundesverfassungsgericht Beschluss30.03.2016

BVerfG: Unzulässige Anordnung einer strafbewehrten Absti­nen­zweisung gegen langjährigen, thera­pie­un­fähigen und für Allgemeinheit nicht gefährlichen SuchtkrankenAbsti­nen­zweisung muss Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit wahren

Ist ein langjähriger Drogenkonsument aufgrund seiner Suchtkrankheit nicht zu einer dauerhaften Abstinenz in der Lage und geht von ihm keine Gefahr für die Allgemeinheit aus, so ist die Anordnung einer strafbewehrten Absti­nen­zan­weisung gemäß § 68 b Abs. 1 Nr. 10 StGB unver­hält­nismäßig und somit unzulässig. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­verfassungs­gerichts hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Gegen einen 28-jährigen Drogen­kon­su­menten ordnete das Landgericht Landshut im Januar 2012 die Führungs­aufsicht an. Zugleich wurde die Weisung erteilt, jeden Umgang mit Betäu­bungs­mitteln zu unterlassen. Der Betroffene konsumierte seit dem 17. Lebensjahr Drogen. Es kam in der Folgezeit zu mehreren Haftstrafen und erfolglosen Therapien. Er sah seine Abhängigkeit als nicht behandelbare chronische Krankheit. Er hielt daher die Abstinenzweisung für unzumutbar und legte sofortige Beschwerde ein.

Oberlan­des­gericht hielt Absti­nen­zweisung für verhältnismäßig

Das Oberlan­des­gericht München wies die sofortige Beschwerde des Betroffenen zurück. Die Absti­nen­zweisung sei angesichts der vorrangigen Sicher­heits­in­teressen der Allgemeinheit verhältnismäßig. Gegen diese Entscheidung legte der Betroffene Verfas­sungs­be­schwerde ein.

Bundes­ver­fas­sungs­gericht stellt hohe Anforderungen an Verhält­nis­mä­ßigkeit

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht entschied zu Gunsten des Betroffenen und hob daher die Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts auf. Angesichts dessen, dass ein Verstoß gegen die Absti­nen­zweisung mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder mit Geldstrafe bestraft werden könne (§ 145 a StGB), sei an der Verhältnismäßigkeit der Absti­nen­zweisung erhöhte Anforderungen zu stellen. Von einer Verhält­nis­mä­ßigkeit der Weisung sei auszugehen, wenn diese gegenüber einer ohne weiteres zum Verzicht auf den Konsum von Suchtmitteln fähigen Person angeordnet wird und im Falle des erneuten Drogenkonsums mit der Begehung erheblicher, die Sicher­heits­in­teressen der Allgemeinheit betreffender Straftaten zu rechnen sei. Handele es sich aber um einen Fall, in dem ein langjähriger, mehrfach erfolglos therapierter Suchtabhängiger aufgrund seiner Suchtkrankheit nicht zur dauerhaften Abstinenz in der Lage ist und von ihm keine die Sicher­heits­in­teressen der Allgemeinheit beein­träch­ti­genden Straftaten drohen, sei eine strafbewehrte Absti­nen­zweisung unzumutbar.

Unzumutbarkeit der Absti­nen­zweisung

Nach Ansicht des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts sei die Absti­nen­zweisung gegen den Betroffenen unzumutbar gewesen. Es sei nicht erkennbar, ob der Betroffene krank­heits­bedingt überhaupt in der Lage sei, sich weisungsgemäß zu verhalten. Es stehe nicht fest, ob das Scheitern der bisherigen Thera­pie­versuche auf die Suchtabhängigkeit oder auf eine nicht krank­heits­be­dingte Thera­pie­un­wil­ligkeit zurückzuführen sei. Zudem sei schon zweifelhaft, ob die Weisung geeignet sei, eine Reduzierung des Drogenkonsums zu erreichen.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (vt/rb)

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