Dokument-Nr. 5488
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Bundesverfassungsgericht Beschluss10.01.2008
Besteuerung von privaten Wertpapiergeschäften für den Veranlagungszeitraum 1999 verfassungsgemäßEntdeckungsrisiko für mangelhafte Erklärungen hat sich seit 1999 erhöht
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Finanzämter ab 1999 die Spekulationssteuer erheben durften. Die Steuer ist seit 1999 mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Karlsruher Richter ließen sich durch verbesserte Kontrollmöglichkeiten der Finanzbehörden überzeugen.
Der Beschwerdeführer erklärte in seiner Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 1999 einen Gewinn aus der Veräußerung von Wertpapieren in Höhe von insgesamt 70 276 DM. Entsprechend der Erklärung berücksichtigte das Finanzamt diesen Gewinn im Einkommensteuerbescheid für 1999. Hiergegen legte der Beschwerdeführer Einspruch ein. Er ist der Auffassung, die steuerliche Erfassung seines Gewinns aus der Veräußerung der Wertpapiere sei verfassungswidrig. Die Besteuerung von privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG leide auch in der Fassung ab 1999 an einem Vollzugsdefizit, das entsprechend dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. März 2004 eine Ungleichheit im Belastungserfolg bewirke. Sein Einspruch und die sich hieran anschließenden Klagen vor den Finanzgerichten blieben ohne Erfolg.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Ein strukturelles Vollzugsdefizit hinsichtlich der Besteuerung von privaten Wertpapiergeschäften für den Veranlagungszeitraum 1999, das zur Verfassungswidrigkeit des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG führt, kann nicht festgestellt werden. Der Gesetzgeber hat seit 1998 das im Regelfall der Besteuerung zur Anwendung kommende Ermittlungsinstrumentarium der Finanzbehörden kontinuierlich erweitert und so im Ergebnis nahezu lückenlose Kontrollmöglichkeiten geschaffen.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Für die Würdigung der für den Veranlagungszeitraum 1999 maßgeblichen Vollzugspraxis kommt es auch auf solche Veränderungen der gesetzlichen Ermittlungsinstrumente an, die erst nach Ablauf der Erklärungsfristen im Februar 2001, aber noch innerhalb der danach laufenden allgemeinen Festsetzungsfrist bis zum Ablauf des Jahres 2005 geschaffen wurden und die sich deshalb auf die Veranlagungspraxis für das Jahr 1999 auswirken konnten. Danach sind für den Zeitraum ab 1999 sowohl faktische als auch normative Veränderungen gegenüber den Vorjahren festzustellen, die zusätzliche Anreize zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Erklärungspflichten geschaffen haben und die das Entdeckungsrisiko für den Steuerpflichtigen bei der Abgabe mangelhafter Erklärungen erhöht haben. Zu nennen sind insbesondere folgende Instrumente:
Das Steuerentlastungsgesetz vom 24. März 1999 erweiterte die Verlustverrechnungsmöglichkeiten bei privaten Veräußerungsgeschäften ab dem Veranlagungszeitraum 1999. Seither konnten Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften auch die Einkünfte mindern, die der Steuerpflichtige in dem unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum oder in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt hat oder erzielt. Diese Regelung traf im Jahr 2000 zusammen mit einer negativen Kursentwicklung auf den Kapitalmärkten und musste für wirtschaftlich denkende Steuerpflichtige einen erheblichen Anreiz dafür bilden, im Jahr 1999 (und in den Folgejahren) erzielte Veräußerungsgewinne offen zu legen, weil und soweit dadurch solche Gewinne ohne die mit einer Steuerhinterziehung verbundenen Entdeckungsrisiken steuerlich neutralisiert werden konnten. Jedenfalls aber war bei einer Geltendmachung nur von Verlusten ab dem Jahr 2000 das Risiko entsprechender Nachfragen und Nachforschungen der Finanzämter nach Veräußerungsgewinnen deutlich erhöht.
Durch das Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit vom 23. Dezember 2003 schuf der Gesetzgeber die Rechtsgrundlagen für den automatisierten Abruf von Kontoinformationen. Mit der Ermächtigung zum Kontenabruf war für die Finanzbehörden die Möglichkeit geschaffen, noch innerhalb des Laufs der für den Veranlagungszeitraum 1999 typischen Festsetzungsfrist bis zum Ablauf des Jahres 2005 zusätzliche Informationen über mögliche Veräußerungsgewinne zu erhalten. Zwar ist das Kontenabrufverfahren erst mit Wirkung ab dem 1. April 2005 eingeführt worden. Dennoch können dadurch Erkenntnisse auch bezogen auf das Streitjahr 1999 gewonnen werden, da in die vom Kreditinstitut zu führende Datei auch der Tag der Errichtung eines Depots aufzunehmen ist. Die Möglichkeit des Kontenabrufs war spätestens mit Verkündung der Neuregelung vom 23. Dezember 2003 im Bundesgesetzblatt allgemein bekannt. Sie konnte durch das erkennbar steigende Entdeckungsrisiko als Anreiz zu wahrheitsgemäßen Nacherklärungen auch nicht unerhebliche Vorwirkungen entfalten.
Zu berücksichtigen ist auch die Verstärkung der Ermittlungsmöglichkeiten durch den neu gefassten § 45 d EStG, wonach Mitteilungen von Kreditinstituten an das Bundesamt für Finanzen über vom Steuerabzug freigestellte Kapitalerträge ab dem Veranlagungszeitraum 1999 auch zur Durchführung eines Steuerverfahrens oder eines Straf- bzw. Bußgeldverfahrens verwendet werden dürfen. Die Finanzverwaltung nutzte dieses Kontrollverfahren nicht nur um herauszufinden, ob und bei welchen Kreditinstituten der Steuerpflichtige Kapitalerträge hat freistellen lassen, sondern auch dazu, Einkünfte aus Wertpapierveräußerungsgeschäften zu ermitteln.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 28.01.2008
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 08/08 des BVerfG vom 24.01.2008
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