15.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss10.01.2008

Besteuerung von privaten Wertpa­pier­ge­schäften für den Veran­la­gungs­zeitraum 1999 verfas­sungsgemäßEntde­ckungs­risiko für mangelhafte Erklärungen hat sich seit 1999 erhöht

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat entschieden, dass die Finanzämter ab 1999 die Speku­la­ti­o­ns­steuer erheben durften. Die Steuer ist seit 1999 mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Karlsruher Richter ließen sich durch verbesserte Kontroll­mög­lich­keiten der Finanzbehörden überzeugen.

Der Beschwer­de­führer erklärte in seiner Einkom­men­steu­e­r­er­klärung für den Veranlagungszeitraum 1999 einen Gewinn aus der Veräußerung von Wertpapieren in Höhe von insgesamt 70 276 DM. Entsprechend der Erklärung berücksichtigte das Finanzamt diesen Gewinn im Einkom­men­steu­er­be­scheid für 1999. Hiergegen legte der Beschwer­de­führer Einspruch ein. Er ist der Auffassung, die steuerliche Erfassung seines Gewinns aus der Veräußerung der Wertpapiere sei verfas­sungs­widrig. Die Besteuerung von privaten Veräu­ße­rungs­ge­schäften nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG leide auch in der Fassung ab 1999 an einem Vollzugsdefizit, das entsprechend dem Urteil des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts vom 9. März 2004 eine Ungleichheit im Belas­tungs­erfolg bewirke. Sein Einspruch und die sich hieran anschließenden Klagen vor den Finanzgerichten blieben ohne Erfolg.

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Ein strukturelles Vollzugsdefizit hinsichtlich der Besteuerung von privaten Wertpa­pier­ge­schäften für den Veran­la­gungs­zeitraum 1999, das zur Verfas­sungs­wid­rigkeit des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG führt, kann nicht festgestellt werden. Der Gesetzgeber hat seit 1998 das im Regelfall der Besteuerung zur Anwendung kommende Ermitt­lungs­in­stru­men­tarium der Finanzbehörden kontinuierlich erweitert und so im Ergebnis nahezu lückenlose Kontroll­mög­lich­keiten geschaffen.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Für die Würdigung der für den Veran­la­gungs­zeitraum 1999 maßgeblichen Vollzugspraxis kommt es auch auf solche Veränderungen der gesetzlichen Ermitt­lungs­in­strumente an, die erst nach Ablauf der Erklä­rungs­fristen im Februar 2001, aber noch innerhalb der danach laufenden allgemeinen Festset­zungsfrist bis zum Ablauf des Jahres 2005 geschaffen wurden und die sich deshalb auf die Veran­la­gung­s­praxis für das Jahr 1999 auswirken konnten. Danach sind für den Zeitraum ab 1999 sowohl faktische als auch normative Veränderungen gegenüber den Vorjahren festzustellen, die zusätzliche Anreize zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Erklä­rungs­pflichten geschaffen haben und die das Entde­ckungs­risiko für den Steuer­pflichtigen bei der Abgabe mangelhafter Erklärungen erhöht haben. Zu nennen sind insbesondere folgende Instrumente:

Das Steue­r­ent­las­tungs­gesetz vom 24. März 1999 erweiterte die Verlust­ver­rech­nungs­mög­lich­keiten bei privaten Veräu­ße­rungs­ge­schäften ab dem Veran­la­gungs­zeitraum 1999. Seither konnten Verluste aus privaten Veräu­ße­rungs­ge­schäften auch die Einkünfte mindern, die der Steuer­pflichtige in dem unmittelbar vorangegangenen Veran­la­gungs­zeitraum oder in den folgenden Veran­la­gungs­zeit­räumen aus privaten Veräu­ße­rungs­ge­schäften erzielt hat oder erzielt. Diese Regelung traf im Jahr 2000 zusammen mit einer negativen Kursentwicklung auf den Kapitalmärkten und musste für wirtschaftlich denkende Steuer­pflichtige einen erheblichen Anreiz dafür bilden, im Jahr 1999 (und in den Folgejahren) erzielte Veräu­ße­rungs­gewinne offen zu legen, weil und soweit dadurch solche Gewinne ohne die mit einer Steuer­hin­ter­ziehung verbundenen Entde­ckungs­risiken steuerlich neutralisiert werden konnten. Jedenfalls aber war bei einer Geltendmachung nur von Verlusten ab dem Jahr 2000 das Risiko entsprechender Nachfragen und Nachforschungen der Finanzämter nach Veräu­ße­rungs­ge­winnen deutlich erhöht.

Durch das Gesetz zur Förderung der Steuer­ehr­lichkeit vom 23. Dezember 2003 schuf der Gesetzgeber die Rechts­grundlagen für den automatisierten Abruf von Konto­in­for­ma­tionen. Mit der Ermächtigung zum Kontenabruf war für die Finanzbehörden die Möglichkeit geschaffen, noch innerhalb des Laufs der für den Veran­la­gungs­zeitraum 1999 typischen Festset­zungsfrist bis zum Ablauf des Jahres 2005 zusätzliche Informationen über mögliche Veräu­ße­rungs­gewinne zu erhalten. Zwar ist das Konte­n­a­b­ruf­ver­fahren erst mit Wirkung ab dem 1. April 2005 eingeführt worden. Dennoch können dadurch Erkenntnisse auch bezogen auf das Streitjahr 1999 gewonnen werden, da in die vom Kreditinstitut zu führende Datei auch der Tag der Errichtung eines Depots aufzunehmen ist. Die Möglichkeit des Kontenabrufs war spätestens mit Verkündung der Neuregelung vom 23. Dezember 2003 im Bundes­ge­setzblatt allgemein bekannt. Sie konnte durch das erkennbar steigende Entde­ckungs­risiko als Anreiz zu wahrheits­gemäßen Nacherklärungen auch nicht unerhebliche Vorwirkungen entfalten.

Zu berücksichtigen ist auch die Verstärkung der Ermitt­lungs­mög­lich­keiten durch den neu gefassten § 45 d EStG, wonach Mitteilungen von Kredi­t­in­stituten an das Bundesamt für Finanzen über vom Steuerabzug freigestellte Kapitalerträge ab dem Veran­la­gungs­zeitraum 1999 auch zur Durchführung eines Steuer­ver­fahrens oder eines Straf- bzw. Bußgeld­ver­fahrens verwendet werden dürfen. Die Finanz­ver­waltung nutzte dieses Kontroll­ver­fahren nicht nur um herauszufinden, ob und bei welchen Kredi­t­in­stituten der Steuer­pflichtige Kapitalerträge hat freistellen lassen, sondern auch dazu, Einkünfte aus Wertpa­pier­ver­äu­ße­rungs­ge­schäften zu ermitteln.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 08/08 des BVerfG vom 24.01.2008

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