21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen das Schild des Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
ergänzende Informationen

Bundesverfassungsgericht Beschluss18.04.2007

Handy­über­wachung eines Straf­ver­tei­digers zur Suche des Mandanten verfas­sungs­widrigVerstoß gegen Fernmel­de­ge­heimnis und Berufsfreiheit

Der Beschwer­de­führer, ein Rechtsanwalt, wurde für einen des schweren Raubes verdächtigen Mandanten als Verteidiger tätig. Im Ermitt­lungs­ver­fahren gegen den beschuldigten Mandanten, der sich nach Italien abgesetzt hatte, ordnete das Amtsgericht die Überwachung des Mobil­te­le­fo­n­an­schlusses des Beschwer­de­führers an, um auf diese Weise den Aufenthaltsort des Beschuldigten zu ermitteln. In der Folgezeit leitete die Staats­an­walt­schaft auch ein Ermitt­lungs­ver­fahren gegen den Beschwer­de­führer wegen des Verdachts der Geldwäsche ein. Ein Straf­ver­tei­digers hat sich erfolgreich gegen die Überwachung seines Mobil­te­le­fo­n­an­schlusses gewendet. Das Amtsgericht hatte die Überwachung angeordnet, um den Aufenthalts eines vom Straf­ver­teidiger vertretenen Beschuldigten zu ermitteln. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht sah hierin eine Verletzung des Fernmel­de­ge­heimnis und des der Berufsfreiheit des Anwalts.

Der Beschwer­de­führer, ein Rechtsanwalt, wurde für einen des schweren Raubes verdächtigen Mandanten als Verteidiger tätig. Im Ermitt­lungs­ver­fahren gegen den beschuldigten Mandanten, der sich nach Italien abgesetzt hatte, ordnete das Amtsgericht die Überwachung des Mobil­te­le­fo­n­an­schlusses des Beschwer­de­führers an, um auf diese Weise den Aufenthaltsort des Beschuldigten zu ermitteln. In der Folgezeit leitete die Staats­an­walt­schaft auch ein Ermitt­lungs­ver­fahren gegen den Beschwer­de­führer wegen des Verdachts der Geldwäsche ein. Dieses Verfahren wurde jedoch nach Durchführung verschiedener straf­pro­zes­sualer Ermitt­lungs­maß­nahmen (Verlängerung der Telefon­über­wachung, Durchsuchung der Kanzlei- und Wohnräume) eingestellt.

Der Beschwer­de­führer legte unter anderem gegen die erstmalige Anordnung der Telefon­über­wachung Beschwerde ein. Das Landgericht verwarf die Beschwerde als unbegründet. Zwar trage die Begründung des Amtsgerichts die erstmalige Überwa­chungs­a­n­ordnung nicht, da die Überwachung des Telefons eines Straf­ver­tei­digers nur dann in Betracht komme, wenn er selbst Beschuldigter einer Katalogtat sei. Dieser Begrün­dungs­fehler sei jedoch geheilt worden, da bereits im Zeitpunkt der erstmaligen Anordnung der Telefon­über­wachung auf Grund der damaligen Beweislage der Verdacht der Geldwäsche gegen den Beschwer­de­führer bestanden habe.

Die Verfas­sungs­be­schwerde war erfolgreich, soweit sie sich gegen die erstmalige Überwa­chungs­a­n­ordnung richtet. Die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts hob die gerichtlichen Entscheidungen auf, da sie den Beschwer­de­führer in seinem Fernmel­de­ge­heimnis (Art. 10 Abs. 1 GG) und in seiner Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) verletzen. Hinsichtlich der übrigen, ebenfalls angegriffenen Ermitt­lungs­maß­nahmen wurde die Verfas­sungs­be­schwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Die erstmalige Anordnung der Telefon­über­wachung und der sie bestätigende Beschluss des Landgerichts verletzen den Beschwer­de­führer in seinem Fernmel­de­ge­heimnis. Zwar ist es nicht von vorneherein und in jedem Fall unstatthaft, den Fernsprech­an­schluss eines Rechtsanwalts, der sich als Straf­ver­teidiger betätigt, nach Maßgabe der Straf­pro­zess­ordnung überwachen zu lassen. Anders verhält es sich jedoch, wenn die Maßnahme auf die Überwachung der Kommunikation zwischen Straf­ver­teidiger und seinem beschuldigten Mandanten abzielt. Eine derartige Abhörmaßnahme stünde in unlösbarem Widerspruch zur Rechtsgarantie des unüberwachten mündlichen Verkehrs zwischen dem Straf­ver­teidiger und dem Beschuldigten. Diese Rechtsgarantie dient der Gewährleistung einer wirksamen Straf­ver­tei­digung, indem sie die Vertrau­ens­be­ziehung zwischen dem Verteidiger und dem Beschuldigten nach außen abschirmt und gegen Eingriffe schützt. Da zwischen dem Beschwer­de­führer und dem Beschuldigten ein Vertei­di­ger­ver­hältnis bestanden hatte, war die Überwa­chungs­a­n­ordnung verfas­sungs­widrig.

Eine Heilung der Überwa­chungs­a­n­ordnung im Beschwer­de­ver­fahren war hier durch ein Auswechseln der rechtlichen Begründung nicht möglich. Für die Beurteilung der Verfas­sungs­mä­ßigkeit der Maßnahme kommt es allein auf die konkrete Anordnung auf der Grundlage der vom Ermitt­lungs­richter vorgenommenen Prüfung des Tatverdachts an, nicht dagegen auf einen anderen möglichen, vom Ermitt­lungs­richter aber nicht angenommenen und nicht geprüften Tatverdacht. Im Zeitpunkt der Überwa­chungs­a­n­ordnung war gegen den Beschwer­de­führer noch nicht einmal ein Ermitt­lungs­ver­fahren eingeleitet. Vielmehr richtete sich das damalige Ermitt­lungs­ver­fahren ausschließlich gegen den Mandanten des Beschwer­de­führers, und die Maßnahme diente allein der Ermittlung seines Aufenthaltsorts. Der Ermitt­lungs­richter hatte im Zeitpunkt des Erlasses der Überwa­chungs­a­n­ordnung einen Anfangsverdacht gegen den Beschwer­de­führer nicht geprüft. Ebenso wenig ergibt sich dementsprechend aus dem Beschluss, dass Ziel der Maßnahme die Gewinnung von Beweisen im Hinblick auf eine etwaige Geldwä­sche­s­traftat des Beschwer­de­führers wäre. Die Abhörmaßnahme erhielte durch den Austausch nicht nur der Anlasstat, sondern auch des Beschuldigten und der Zielrichtung ein wesentlich anderes Gepräge.

Darüber hinaus hat eine Berück­sich­tigung des verfas­sungs­rechtlich besonders geschützten Mandats­ver­hält­nisses nicht stattgefunden, da das Amtsgericht – trotz entge­gen­ste­hender Anhaltspunkte – nicht vom Vorliegen eines Vertei­di­ger­ver­hält­nisses zwischen dem Beschwer­de­führer und seinem Mandanten ausgegangen ist.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 58/07 des BVerfG vom 30.05.2007

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Beschluss4307

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI