14.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss18.04.2007

Handy­über­wachung eines Straf­ver­tei­digers zur Suche des Mandanten verfas­sungs­widrigVerstoß gegen Fernmel­de­ge­heimnis und Berufsfreiheit

Der Beschwer­de­führer, ein Rechtsanwalt, wurde für einen des schweren Raubes verdächtigen Mandanten als Verteidiger tätig. Im Ermitt­lungs­ver­fahren gegen den beschuldigten Mandanten, der sich nach Italien abgesetzt hatte, ordnete das Amtsgericht die Überwachung des Mobil­te­le­fo­n­an­schlusses des Beschwer­de­führers an, um auf diese Weise den Aufenthaltsort des Beschuldigten zu ermitteln. In der Folgezeit leitete die Staats­an­walt­schaft auch ein Ermitt­lungs­ver­fahren gegen den Beschwer­de­führer wegen des Verdachts der Geldwäsche ein. Ein Straf­ver­tei­digers hat sich erfolgreich gegen die Überwachung seines Mobil­te­le­fo­n­an­schlusses gewendet. Das Amtsgericht hatte die Überwachung angeordnet, um den Aufenthalts eines vom Straf­ver­teidiger vertretenen Beschuldigten zu ermitteln. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht sah hierin eine Verletzung des Fernmel­de­ge­heimnis und des der Berufsfreiheit des Anwalts.

Der Beschwer­de­führer, ein Rechtsanwalt, wurde für einen des schweren Raubes verdächtigen Mandanten als Verteidiger tätig. Im Ermitt­lungs­ver­fahren gegen den beschuldigten Mandanten, der sich nach Italien abgesetzt hatte, ordnete das Amtsgericht die Überwachung des Mobil­te­le­fo­n­an­schlusses des Beschwer­de­führers an, um auf diese Weise den Aufenthaltsort des Beschuldigten zu ermitteln. In der Folgezeit leitete die Staats­an­walt­schaft auch ein Ermitt­lungs­ver­fahren gegen den Beschwer­de­führer wegen des Verdachts der Geldwäsche ein. Dieses Verfahren wurde jedoch nach Durchführung verschiedener straf­pro­zes­sualer Ermitt­lungs­maß­nahmen (Verlängerung der Telefon­über­wachung, Durchsuchung der Kanzlei- und Wohnräume) eingestellt.

Der Beschwer­de­führer legte unter anderem gegen die erstmalige Anordnung der Telefon­über­wachung Beschwerde ein. Das Landgericht verwarf die Beschwerde als unbegründet. Zwar trage die Begründung des Amtsgerichts die erstmalige Überwa­chungs­a­n­ordnung nicht, da die Überwachung des Telefons eines Straf­ver­tei­digers nur dann in Betracht komme, wenn er selbst Beschuldigter einer Katalogtat sei. Dieser Begrün­dungs­fehler sei jedoch geheilt worden, da bereits im Zeitpunkt der erstmaligen Anordnung der Telefon­über­wachung auf Grund der damaligen Beweislage der Verdacht der Geldwäsche gegen den Beschwer­de­führer bestanden habe.

Die Verfas­sungs­be­schwerde war erfolgreich, soweit sie sich gegen die erstmalige Überwa­chungs­a­n­ordnung richtet. Die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts hob die gerichtlichen Entscheidungen auf, da sie den Beschwer­de­führer in seinem Fernmel­de­ge­heimnis (Art. 10 Abs. 1 GG) und in seiner Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) verletzen. Hinsichtlich der übrigen, ebenfalls angegriffenen Ermitt­lungs­maß­nahmen wurde die Verfas­sungs­be­schwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Die erstmalige Anordnung der Telefon­über­wachung und der sie bestätigende Beschluss des Landgerichts verletzen den Beschwer­de­führer in seinem Fernmel­de­ge­heimnis. Zwar ist es nicht von vorneherein und in jedem Fall unstatthaft, den Fernsprech­an­schluss eines Rechtsanwalts, der sich als Straf­ver­teidiger betätigt, nach Maßgabe der Straf­pro­zess­ordnung überwachen zu lassen. Anders verhält es sich jedoch, wenn die Maßnahme auf die Überwachung der Kommunikation zwischen Straf­ver­teidiger und seinem beschuldigten Mandanten abzielt. Eine derartige Abhörmaßnahme stünde in unlösbarem Widerspruch zur Rechtsgarantie des unüberwachten mündlichen Verkehrs zwischen dem Straf­ver­teidiger und dem Beschuldigten. Diese Rechtsgarantie dient der Gewährleistung einer wirksamen Straf­ver­tei­digung, indem sie die Vertrau­ens­be­ziehung zwischen dem Verteidiger und dem Beschuldigten nach außen abschirmt und gegen Eingriffe schützt. Da zwischen dem Beschwer­de­führer und dem Beschuldigten ein Vertei­di­ger­ver­hältnis bestanden hatte, war die Überwa­chungs­a­n­ordnung verfas­sungs­widrig.

Eine Heilung der Überwa­chungs­a­n­ordnung im Beschwer­de­ver­fahren war hier durch ein Auswechseln der rechtlichen Begründung nicht möglich. Für die Beurteilung der Verfas­sungs­mä­ßigkeit der Maßnahme kommt es allein auf die konkrete Anordnung auf der Grundlage der vom Ermitt­lungs­richter vorgenommenen Prüfung des Tatverdachts an, nicht dagegen auf einen anderen möglichen, vom Ermitt­lungs­richter aber nicht angenommenen und nicht geprüften Tatverdacht. Im Zeitpunkt der Überwa­chungs­a­n­ordnung war gegen den Beschwer­de­führer noch nicht einmal ein Ermitt­lungs­ver­fahren eingeleitet. Vielmehr richtete sich das damalige Ermitt­lungs­ver­fahren ausschließlich gegen den Mandanten des Beschwer­de­führers, und die Maßnahme diente allein der Ermittlung seines Aufenthaltsorts. Der Ermitt­lungs­richter hatte im Zeitpunkt des Erlasses der Überwa­chungs­a­n­ordnung einen Anfangsverdacht gegen den Beschwer­de­führer nicht geprüft. Ebenso wenig ergibt sich dementsprechend aus dem Beschluss, dass Ziel der Maßnahme die Gewinnung von Beweisen im Hinblick auf eine etwaige Geldwä­sche­s­traftat des Beschwer­de­führers wäre. Die Abhörmaßnahme erhielte durch den Austausch nicht nur der Anlasstat, sondern auch des Beschuldigten und der Zielrichtung ein wesentlich anderes Gepräge.

Darüber hinaus hat eine Berück­sich­tigung des verfas­sungs­rechtlich besonders geschützten Mandats­ver­hält­nisses nicht stattgefunden, da das Amtsgericht – trotz entge­gen­ste­hender Anhaltspunkte – nicht vom Vorliegen eines Vertei­di­ger­ver­hält­nisses zwischen dem Beschwer­de­führer und seinem Mandanten ausgegangen ist.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 58/07 des BVerfG vom 30.05.2007

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