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Dokument-Nr. 35065

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Beschluss09.04.2025Bundesverfassungsgericht2 BvR 1974/22
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Bundesverfassungsgericht Beschluss09.04.2025

Verurteilung wegen Erpressung setzt konkrete Feststellungen zum Vermö­gens­schaden vorausErfolgreiche Verfas­sungs­be­schwerde wegen Verletzung des straf­recht­lichen Bestimmt­heits­gebots

Die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts hat einer Verfas­sungs­be­schwerde stattgegeben, die sich gegen die straf­ge­richtliche Verurteilung wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung richtet. Für eine Verurteilung wegen Erpressung müssen konkrete Feststellungen zum Vermö­gens­schaden getroffen werden, entschied das Bundes­ver­fas­sungs­gericht.

Die Kammer hat festgestellt, dass das angegriffene Urteil des Landgerichts und die ebenfalls angegriffene Verwerfung der Revision durch den Bundes­ge­richtshof das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot gemäß Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz (GG) verletzten. Die den Entscheidungen zugrun­de­lie­genden Feststellungen zu einem Vermö­gens­nachteil und infolgedessen die Bewertung des festgestellten Sachverhalts entsprechen nicht den verfas­sungs­recht­lichen Anforderungen an das Bestimmt­heitsgebot. Insbesondere fehlt es an der ausreichenden Beschreibung und Bezifferung von Vermö­gens­schäden.

Die Kammer hat die Revisi­ons­ent­scheidung aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an den Bundes­ge­richtshof zurückverwiesen.

Sachverhalt

Das Landgericht verurteilte den Beschwer­de­führer unter anderem wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe.

Den Feststellungen des Landgerichts zufolge hatten der Mitangeklagte R. und der Geschädigte vereinbart, gemeinsam ein neues Tattoostudio zu eröffnen und zu betreiben, wofür sie am Tatort Räume angemietet hatten. Noch vor der Eröffnung des Tattoostudios wurde der Mitangeklagte R. festgenommen, weshalb der Geschädigte das Tattoostudio von Beginn an faktisch alleine betrieb. Nachdem der Mitangeklagte R. den Geschädigten aufgefordert hatte, sich aus dem Tattoostudio zurückzuziehen, erklärte dieser, er sei zwar zur Aufgabe seiner Geschäfts­anteile bereit, wolle jedoch den Namen und das Logo des Tattoostudios für sich behalten; die Abgabe seiner Anteile am Tattoostudio könne er sich erst nach Klärung der Streitfrage vorstellen, wer künftig das Logo und den Namen verwenden dürfe. Daraufhin bestimmte der Mitangeklagte R. den Beschwer­de­führer und weitere Mitangeklagte dazu, das Tattoostudio aufzusuchen, um den Geschädigten unter Anwendung körperlicher Gewalt dazu zu zwingen, eine Erklärung zu unterzeichnen, wonach dieser seine Beteiligung am Tattoostudio an den Mitangeklagten R. bedingungslos abtrete. Der Beschwer­de­führer, weitere Mitangeklagte sowie weitere unbekannt gebliebene Personen begaben sich in das Tattoostudio, wo sie den Geschädigten unter Einsatz von Schlag­werk­zeugen und Studioinventar mit Schlägen und Tritten traktierten und aufforderten, eine Erklärung zu unterschreiben, wonach der Geschädigte sämtliche Rechte an dem Tattoostudio an den Mitangeklagten R. abgebe. Wie von dem Beschwer­de­führer beabsichtigt, unterschrieb der blutende Geschädigte die Erklärung unter dem Eindruck der Überlegenheit der Angreifer und der von ihnen zuvor angewendeten Gewalt.

Die gegen das Urteil des Landgerichts eingelegte Revision des Beschwer­de­führers, mit der er unter anderem geltend machte, dass Feststellungen zum vermeintlichen Vermö­gens­schaden gänzlich fehlten, insbesondere ein solcher nicht im Ansatz beziffert worden sei, verwarf der Bundes­ge­richtshof ohne nähere Begründung.

Gegen diese Entscheidungen wendet sich der Beschwer­de­führer mit seiner Verfas­sungs­be­schwerde. Er rügt die Verletzung des straf­recht­lichen Bestimmt­heits­gebots gemäß Art. 103 Abs. 2 GG.

Wesentliche Erwägungen der Kammer

I. Die Verfas­sungs­be­schwerde ist zulässig und begründet.

Die den angegriffenen Entscheidungen zugrun­de­lie­genden Feststellungen zu einem – von dem Beschwer­de­führer zumindest für möglich gehaltenen und billigend in Kauf genommenen – Vermö­gens­nachteil des Geschädigten und infolgedessen die Bewertung des festgestellten Sachverhalts entsprechen nicht den verfas­sungs­recht­lichen Anforderungen. So läge eine versuchte räuberische Erpressung nur vor, wenn der Tatentschluss des Beschwer­de­führers darauf gerichtet gewesen wäre, dem durch die gegen­ständ­lichen straf­recht­lichen Normen geschützten Vermögen des Geschädigten einen Nachteil zuzufügen. Feststellungen hierzu fehlen.

1. Soweit der Geschädigte genötigt werden sollte, den Betrieb des Tattoostudios aufzugeben und einer Übertragung des Betriebs auf den Mitangeklagten R. zuzustimmen, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen, dass dadurch der wirtschaftliche Gesamtwert des Vermögens des Geschädigten – nach dem für die Versuchss­traf­barkeit maßgeblichen Vorstel­lungsbild des Beschwer­de­führers – gemindert worden wäre.

Ob das Besitzrecht des Geschädigten an den Räumlichkeiten nach dem Vorstel­lungsbild des Beschwer­de­führers als Vermö­gens­ge­genstand angesehen werden und ein Verlust des Besitzrechts zu einer Minderung des wirtschaft­lichen Gesamtwerts führen konnte, ist den Urteils­fest­stel­lungen nicht zu entnehmen. Soweit der General­bun­des­anwalt in seiner Stellungnahme im Revisi­ons­ver­fahren darauf hinweist, dass der Mitangeklagte R. bei einer Ausein­an­der­setzung der Gesellschaft nach den zivil­recht­lichen Regelungen nicht ohne Weiteres berechtigt gewesen wäre, das Tattoostudio an Ort und Stelle unter der bisherigen Bezeichnung und dem bisherigen Logo weiter­zu­be­treiben, gibt dies keinen weiteren Aufschluss. Konkrete Feststellungen zur Werthaltigkeit von Logo und Name des Tattoostudios sowie zu den für die Versuchss­traf­barkeit maßgeblichen Vorstellungen des Beschwer­de­führers hierzu sind nicht getroffen. Ob für den Namen oder das Logo etwa eine Marke in das Register des Deutschen Patent- und Markenamts nach § 4 Nr. 1 Markengesetz eingetragen wurde oder es aus sonstigen Gründen Markenschutz genießt und welche Vorstellungen der Beschwer­de­führer in Bezug auf das Bestehen eines etwaigen Markenschutzes hatte, kann den Urteilsgründen nicht entnommen werden.

2. Auch hinreichende Feststellungen zum Vorstel­lungsbild des Beschwer­de­führers bezüglich etwaiger Erwerbs- und Gewin­n­aus­sichten, die nur ausnahmsweise als Vermö­gens­be­standteil angesehen werden könnten, hat das Landgericht nicht getroffen.

Erwerbs- und Gewin­n­aus­sichten können nur ausnahmsweise Vermö­gens­be­standteil sein, wenn sie so verdichtet sind, dass ihnen der Rechtsverkehr bereits einen wirtschaft­lichen Wert beimisst, weil sie mit einiger Wahrschein­lichkeit einen Vermö­gens­zuwachs erwarten lassen. Ob und in welchem Umfang – zumal nach dem hier nicht näher beschriebenen Vorstel­lungsbild des Beschwer­de­führers – auch künftig Einnahmen des Geschädigten aus dem Betrieb des Tattoostudios zu erwarten gewesen wären, bleibt nach den Feststellungen des Landgerichts offen. Eine ausreichende Beschreibung und Bezifferung eines von dem Beschwer­de­führer zumindest für möglich gehaltenen und billigend in Kauf genommenen Vermö­gens­schadens liegt nicht vor.

3. Schließlich ist auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen auch unter dem Gesichtspunkt des Entzuges bereits getätigter Investitionen ein von dem Beschwer­de­führer zumindest für möglich gehaltener und billigend in Kauf genommener Vermö­gens­schaden nicht zu erkennen. Zwar hat das Landgericht – entgegen der ebenfalls wiedergegebenen Aussage des Mitangeklagten R., wonach dieser den überwiegenden Teil der Kosten zur Einrichtung des Tattoostudios übernommen habe – festgestellt, dass der Geschädigte bis auf die Kosten des Umbaus der Räumlichkeiten, für die der Mitangeklagte R. aufkam, die Investitionen zur Einrichtung des Tattoostudios selbst übernommen hatte. Feststellungen zum Umfang der von dem Beschwer­de­führer für möglich gehaltenen Investitionen des Geschädigten fehlen aber ebenso wie zur Frage, ob die abgenötigte Übergabe des Betriebs des Tattoostudios an den Mitangeklagten R. aus der maßgeblichen Sicht des Beschwer­de­führers auch die entschä­di­gungslose Abtretung von (werthaltigen) Rechten des Geschädigten an der Einrichtung des Tattoostudios umfasst hätte.

II. Der angegriffene Beschluss des Bundes­ge­richtshofs ist deshalb, soweit er den Beschwer­de­führer betrifft, aufzuheben und die Sache an den Bundes­ge­richtshof zurück­zu­ver­weisen. Eine Aufhebung des Urteils des Landgerichts durch das Bundes­ver­fas­sungs­gericht ist indes nicht angezeigt. Zwar verletzt auch dieses Urteil den Beschwer­de­führer in seinem Recht aus Art. 103 Abs. 2 GG. Aus verfas­sungs­recht­licher Sicht ist im weiteren Verlauf des Verfahrens sicherzustellen, dass eine Verurteilung des Beschwer­de­führers wegen eines Erpres­sungs­delikts ohne die dafür auch aus verfas­sungs­recht­lichen Gründen erforderlichen Feststellungen zum Vermö­gens­nachteil beziehungsweise zum diesbezüglichen Tatentschluss unterbleibt. Hierfür ist es möglicherweise aber nicht erforderlich, das Urteil des Landgerichts, soweit es den Beschwer­de­führer betrifft, vollumfänglich, also auch mit allen Feststellungen, aufzuheben. Vielmehr ist zu prüfen, ob das Straf­pro­zessrecht den Weg einer den festgestellten Verfas­sungs­verstoß zwar vollständig beseitigenden, insbesondere in Bezug auf die getroffenen Feststellungen aber nur beschränkten Aufhebung des Urteils des Landgerichts eröffnet. Unter diesen Umständen ist es – ausnahmsweise – gerechtfertigt, allein die Revisi­ons­ent­scheidung des Bundes­ge­richtshofs aufzuheben und die Sache an diesen zurück­zu­ver­weisen, damit dieser im Rahmen der neuen Revisi­ons­ent­scheidung den Umfang der Aufhebung des landge­richt­lichen Urteils näher bestimmen kann, der aus straf­pro­zess­recht­licher Sicht notwendig ist, um den festgestellten Verfas­sungs­verstoß zu beheben.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/pt)

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