18.10.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss06.07.2010

Verfas­sungs­be­schwerde gegen Anfertigung von Videoaufnahmen zum Beweis von Verkehrs­ver­stößen erfolglosBeschränkung der grund­recht­lichen Freiheit zur Aufrecht­er­haltung der Sicherheit des Straßenverkehrs gerechtfertigt

Die Anfertigung von Videoaufnahmen zum Beweis von Verkehrs­ver­stößen ist verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden. Bildaufnahmen dieser Art mittels einer Identi­fi­zie­rungs­kamera stellen zwar einen Eingriff in das Recht des Betroffenen auf informationelle Selbst­be­stimmung dar. Der Zweck derartiger Maßnahmen der Verkehrs­über­wachung, nämlich die Aufrecht­er­haltung der Sicherheit des Straßenverkehrs und damit der Schutz von Rechtsgütern mit erheblichem Gewicht, rechtfertigen jedoch eine Beschränkung der grund­recht­lichen Freiheiten. Dies entschied das Bundes­ver­fas­sungs­gericht.

Der Beschwer­de­führer des zugrunde liegenden Streitfalls wurde vom Amtsgericht wegen fahrlässiger Unterschreitung des erforderlichen Sicher­heits­ab­standes im Straßenverkehr zu einer Geldbuße verurteilt. Die Verurteilung stützt sich im Wesentlichen auf das Ergebnis der durch eine geeichte Anlage vorgenommenen Abstandsmessung sowie die dabei angefertigten Videoaufnahmen, auf denen der Beschwer­de­führer zu erkennen ist. Das Oberlan­des­gericht verwarf dessen Rechts­be­schwerde als unbegründet.

Verletzung des allgemeinen Persön­lich­keits­rechts liegt nicht vor

Seine hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde hat das Bundes­ver­fas­sungs­gericht nicht zur Entscheidung angenommen. Die Verfas­sungs­be­schwerde hat keine grundsätzliche Bedeutung. Des Weiteren ist der Beschwer­de­führer durch die angegriffenen Entscheidungen weder in seinem allgemeinen Persön­lich­keitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verletzt noch verstoßen diese gegen das Willkürverbot.

Maßnahme zielt ausschließlich auf Fahrzeugführer, die selbst Anlass zur Anfertigung von Bildaufnahmen gegeben haben

Es ist verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Gerichte die Vorschrift des § 100 h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO als Rechtsgrundlage für die Anfertigung von Videoaufnahmen zum Beweis von Verkehrs­ver­stößen herangezogen haben. Die Norm erlaubt die Anfertigung von Bildaufnahmen ohne Wissen des Betroffenen, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise weniger Erfolg versprechend oder erschwert wäre. Dies gilt sowohl für die Anfertigung von Einzelaufnahmen als auch von Videoaufnahmen. Auch die Auslegung und Anwendung dieser Norm durch die Fachgerichte zeigt keine Verletzung spezifischen Verfas­sungs­rechts. Zwar stellen Bildaufnahmen mittels einer Identi­fi­zie­rungs­kamera einen Eingriff in das Recht des Betroffenen auf informationelle Selbst­be­stimmung dar. Der Zweck derartiger Maßnahmen der Verkehrs­über­wachung, nämlich die Aufrecht­er­haltung der Sicherheit des Straßenverkehrs und damit der Schutz von Rechtsgütern mit erheblichem Gewicht, rechtfertigen jedoch eine Beschränkung der grund­recht­lichen Freiheiten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass, auch wenn es sich um verdeckte Datenerhebungen handelt, nur Vorgänge auf öffentlichen Straßen aufgezeichnet werden, die grundsätzlich für jedermann wahrnehmbar sind. Die Maßnahme zielt zudem nicht auf Unbeteiligte, sondern ausschließlich auf Fahrzeugführer, die selbst Anlass zur Anfertigung von Bildaufnahmen gegeben haben, da der Verdacht eines bußgeld­be­wehrten Verkehrs­ver­stoßes besteht. Schließlich entfaltet die Maßnahme über die Ahndung der Verkehrs­ord­nungs­wid­rigkeit hinaus grundsätzlich keine belastenden Wirkungen für den Betroffenen. Denn es bestehen in § 101 StPO hinreichende grund­rechts­si­chernde Verfah­rens­vor­schriften über die Benach­rich­tigung sowie zur Kennzeichnung und Löschung von Daten. Vor diesem Hintergrund und angesichts des bezweckten Schutzes der Allgemeinheit vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben im Straßenverkehr bestehen keine verfas­sungs­recht­lichen Bedenken im Hinblick auf die Verhält­nis­mä­ßigkeit der in Rede stehenden verkehrs­recht­lichen Maßnahme.

Eingriff in Grundrecht auf informationelle Selbst­be­stimmung ist zu verneinen

Soweit im vorliegenden Fall auch Übersichts­auf­nahmen von einer Brücke aus angefertigt wurden, ist bereits ein Eingriff in das Grundrecht des Beschwer­de­führers auf informationelle Selbst­be­stimmung zu verneinen. Denn zum einen war nach den amtsge­richt­lichen Feststellungen eine Identifizierung der Fahrer oder Kennzeichen anhand der dauerhaft angefertigten Übersichts­auf­nahmen nicht möglich. Zum anderen sind die Übersichts­auf­nahmen nach ihrer Zweckbestimmung nicht auf eine Indivi­du­a­li­sierung des Betroffenen ausgerichtet; diese soll vielmehr ausschließlich durch die verdachts­ab­hängige Anfertigung von Bildaufnahmen mittels der am Fahrbahnrand aufgestellten Identi­fi­zie­rungs­kamera erfolgen.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online

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