18.10.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss16.01.2007

Ablie­fe­rungs­pflicht für Einkünfte aus einer Nebentätigkeit im öffentlichen Dienst verfas­sungsgemäßGesetzgeber darf Anreiz durch Vorschriften entgegenwirken

Professoren, die im öffentlichen Dienst angestellt sind, dürfen gezwungen werden, Nebeneinkünfte ab einer bestimmten Höhe an die Landeskasse abzuliefern. Das hat das Bundes­ver­fas­sungs­gericht entschieden. Es wies die Verfas­sungs­be­schwerde eines rheinland-pfälzischen Wirtschafts­pro­fessors ab, der knapp 33.000,- DM aus seinen Nebenjobs an das Land überweisen sollte.

Der Beschwer­de­führer ist beamteter Hochschullehrer und bei einer Fachhochschule im Fachbereich „Wirtschafts­wis­sen­schaften, Studiengang Steuerwesen“ tätig. Er übt eine genehmigte Nebentätigkeit für eine Steuer­be­ra­ter­kammer aus, die aus Vorträgen vor Angehörigen der steuer­be­ra­tenden Berufe besteht. Im Jahr 1998 erhielt er von der Steuer­be­ra­ter­kammer Vergütungen in Höhe von 45.000,- DM. Nach der Neben­tä­tig­keits­ver­ordnung des Landes Rheinland-Pfalz besteht für Vergütungen aus Neben­tä­tig­keiten im öffentlichen Dienst eine Ablie­fe­rungs­pflicht, wenn bestimmte Beträge überschritten werden. Von der Ablie­fe­rungs­pflicht ausgenommen sind unter anderem Vergütungen für Tätigkeiten von Professoren auf dem Gebiet der wissen­schaft­lichen Forschung. Auf der Grundlage der Neben­tä­tig­keits­ver­ordnung forderte das Land Rheinland-Pfalz vom Beschwer­de­führer die Ablieferung von 33.000,- DM. Die gegen diesen Bescheid gerichtete Klage des Beschwer­de­führers blieb vor den Verwal­tungs­ge­richten ohne Erfolg. Seine Verfas­sungs­be­schwerde wurde vom Bundes­ver­fas­sungs­gericht nicht zur Entscheidung angenommen. Die Ablie­fe­rungs­pflicht für Einkünfte aus Neben­tä­tig­keiten bei öffentlich- rechtlich organisierten Institutionen sei verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden.

Dem Gesetzgeber ist es grundsätzlich unbenommen, dem Anreiz zur Übernahme von Neben­be­schäf­ti­gungen durch Vorschriften entge­gen­zu­wirken, die die Neben­tä­tig­keits­ver­gü­tungen einschränken. Die Beschränkung der Ablie­fe­rungs­pflicht auf öffentlich-rechtlich organisierte Institutionen verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz. Sachlich gerechtfertigt ist die Differenzierung insbesondere durch das Anliegen, im Interesse sparsamer Haushalts­führung dem überkommenen Gedanken der Einheit des öffentlichen Dienstes Rechnung zu tragen, der einer Doppelbesoldung aus öffentlichen Mitteln entgegensteht. Dieser Gesichtspunkt tritt selbständig neben denjenigen der Vermeidung einer Vernach­läs­sigung des Hauptamtes. Dass letztere Gefahr bei jeder Nebentätigkeit besteht, lässt das berechtigte Anliegen des Dienstherrn, Doppelzahlungen zu vermeiden, unberührt.

Auch die Privilegierung der Tätigkeiten von Professoren allein auf dem Gebiet der wissen­schaft­lichen Forschung, nicht jedoch der Lehre, begegnet im Hinblick auf den Gleichheitssatz keinen verfas­sungs­recht­lichen Bedenken. Es liegt im Gestal­tungs­spielraum des Verord­nungs­ge­setz­gebers, das öffentliche Interesse an einer forschenden Tätigkeit höher zu gewichten als dasjenige an einer Vortrag­s­tä­tigkeit.

Die Ablie­fe­rungs­pflicht ist schließlich – als Berufs­aus­übungs­re­gelung – von hinreichenden Gemein­wohl­gründen getragen. Neben­tä­tig­keiten des Beamten begegnen nicht allein unter dem Gesichtspunkt der Erhaltung der Arbeitskraft Bedenken. Ihre Beschränkung kann vielmehr auch der Verhinderung oder Minimierung von Inter­es­sen­kol­li­sionen durch die Bekämpfung außer­dienst­licher Abhängigkeiten dienen. Auch soll vermieden werden, dass die Dienstleistung des Beamten dadurch beeinträchtigt wird, dass er im Vertrauen auf seine gesicherte beamten­rechtliche Stellung diese vernachlässigt, um die privatrechtlich vereinbarte (und damit kündbare) Nebentätigkeit zu erlangen oder zu behalten.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 10/07 des BVerfG vom 30.01.2007

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