21.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss07.09.2006

Durchsuchung einer Anwaltskanzlei wegen Parkverstoßes unver­hält­nismäßigGrundrecht auf Unver­letz­lichkeit der Wohnung verletzt

Wenn ein Richter eine Durchsuchung anordnet, um damit zwei Parkverstöße aufzuklären, ist dies unver­hält­nismäßig und verletzt die Grundrechte des Betroffenen. Das gilt erst recht, wenn die Verkehrs­verstöße nur mit einer Geldbuße von jeweils 15,- EUR geahndet würden. Das hat das Bundes­ver­fas­sungs­gericht entschieden.

Der Beschwer­de­führer ist Rechtsanwalt. Gegen ihn ergingen wegen unberechtigten Parkens auf einem Sonder­fahr­streifen vor dem Justizgebäude in Aachen zwei Bußgeld­be­scheide über jeweils 15 €. Hiergegen erhob der Beschwer­de­führer Einspruch mit der Behauptung, in beiden Fällen das Fahrzeug auf dem Parkstreifen nur kurzfristig zum Entladen von Aktenpaketen abgestellt zu haben. Bereits in der Vergangenheit waren gegen den Beschwer­de­führer dreizehn gleich gelagerte Verfahren geführt und in neun Fällen im Hinblick auf die gleich lautenden Einlassungen des Beschwer­de­führers („Be- und Entladen“) eingestellt worden.

Um aufzuklären, ob der Beschwer­de­führer an den Tagen der erneut vorgeworfenen Parkverstöße gerichtliche Termine wahrgenommen hat, erließ das Amtsgericht einen Durchsuchungs- und Beschlag­nah­me­be­schluss für die Kanzleiräume des Beschwer­de­führers. Auf dessen Grundlage beschlagnahmte die Polizei das Deckblatt des anwaltlichen Terminkalenders des betreffenden Jahres sowie die Kalen­de­r­einträge für die bezeichneten Tage.

Die gegen die Durch­su­chungs­a­n­ordnung erhobene Verfas­sungs­be­schwerde war erfolgreich. Die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts stellte fest, dass die Anordnung grob unver­hält­nismäßig und willkürlich war und den Beschwer­de­führer daher in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 GG (Unver­letz­lichkeit der Wohnung) verletzt.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Die Durchsuchung der Kanzleiräume eines Rechtsanwalts in einem gegen ihn gerichteten Verfahren stellt einen erheblichen Eingriff in die Unver­letz­lichkeit der Wohnung dar und muss daher dem Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit genügen. Zudem werden die Grundrechte der Mandanten berührt, da die Gefahr besteht, dass ihre Daten zur Kenntnis der Ermitt­lungs­be­hörden gelangen. Der Schutz der Vertrau­ens­be­ziehung zwischen Anwalt und Mandant liegt auch im Interesse der Allgemeinheit an einer wirksamen und geordneten Rechtspflege. Diese Belange verlangen eine besondere Beachtung bei der Prüfung der Angemessenheit der Maßnahme.

Diese besondere Beachtung des Grundsatzes der Verhält­nis­mä­ßigkeit haben die befassten Gerichte nicht geleistet. Es erscheint evident sachfremd und daher grob unver­hält­nismäßig und willkürlich, wegen einiger Verkehrs­ord­nungs­wid­rig­keiten, für die Geldbußen von je 15 Euro festgesetzt wurden, die Kanzleiräume eines Rechtsanwalts zu durchsuchen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 92/2006 des BVerfG vom 10.10.2006

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