21.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss25.02.2008

Vorlage eines Finanzgerichts zur Zinsbesteuerung und zum Straf­be­frei­ungs­er­klä­rungs­gesetz an das Bundes­ver­fas­sungs­gericht ist unzulässigGericht hat sich nicht hinreichend mit der Frage ausein­an­der­gesetzt

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat die Vorlage eines Finanzgerichts zur Zinsbesteuerung und zum Straf­be­frei­ungs­er­klä­rungs­gesetz als unzulässig erklärt.

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat in seinem "Zinsurteil" von 1991 festgestellt, dass bei der Besteuerung von Zinseinkünften seit dem Veran­la­gungs­zeitraum 1981 ein strukturelles Vollzugsdefizit bestand und den Gesetzgeber aufgefordert, bis zum 1. Januar 1993 durch hinreichende gesetzliche Vorkehrungen die Besteu­e­rungs­gleichheit zu gewährleisten. Um den Vorgaben des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts Rechnung zu tragen, hat der Gesetzgeber 1992 das Zinsab­schlag­gesetz erlassen. Es folgten weitere gesetzliche Änderungen mit Auswirkungen auf die Zinsbesteuerung durch das Steue­r­ent­las­tungs­gesetz von 1999, das unter anderem zur Erweiterung der Mittei­lungs­pflicht und zum Wegfall der Verwen­dungs­be­schränkung für die mitgeteilten Daten führte, und durch das Steuer­än­de­rungs­gesetz 2003, das die Jahressteu­er­be­schei­nigung einführte.

Mit dem Gesetz zur Förderung der Steuer­ehr­lichkeit von 2003 wollte der Gesetzgeber einen Anreiz für steue­ru­nehrliche Steuer­pflichtige schaffen, in die Steuer­ehr­lichkeit zurückzukehren. Gleichzeitig wollten die Überprü­fungs­mög­lich­keiten der Finanz­ver­waltung maßvoll verbessert werden, um Steuer­hin­ter­ziehung in der Zukunft zu erschweren. Dem verbesserten Gesetzesvollzug dienten die Regelungen des Straf­be­frei­ungs­er­klä­rungs­ge­setzes, das am 30. Dezember 2003 in Kraft trat. Durch die Abgabe einer straf­be­freienden Erklärung und Entrichtung einer pauschalen, als Einkommensteuer geltenden Abgabe konnte Strafbefreiung für die in den Veran­la­gungs­zeit­räumen 1993 bis 2002 erzielten Einnahmen, die zu Unrecht nicht der Besteuerung zugrunde gelegt worden waren, erlangt werden. Die derart nacherklärten Einnahmen wurden zur pauschalen Abgeltung aller denkbaren Abzüge lediglich in Höhe von 60 % der Abgabe unterworfen. Unmittelbar nach dem Auslaufen der Regelungen des Straf­be­frei­ungs­er­klä­rungs­ge­setzes trat am 1. April 2005 das neu geschaffene Konte­n­a­b­ruf­ver­fahren in Kraft. Durch die enge Verzahnung der Regelungen des Straf­be­frei­ungs­er­klä­rungs­ge­setzes mit dem Konte­n­a­b­ruf­ver­fahren sollte die Steuer­ehr­lichkeit nachhaltig gefördert werden.

Das vorlegende Finanzgericht ist der Auffassung, dass die Besteuerung von Zinseinkünften für die Veran­la­gungs­zeiträume 2000 bis 2002 aufgrund eines nach wie vor bestehenden strukturellen Vollzugs­de­fizits gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstoße. Darüber hinaus führe das Strafbefreiungserklärungsgesetz zu einer verfas­sungs­rechtlich nicht zu recht­fer­ti­genden gleich­heits­widrigen Begünstigung steue­ru­nehr­licher Steuer­pflichtiger gegenüber steuerehrlichen Steuer­pflichtigen, da diesen die steuerlichen Begünstigungen nach dem Straf­be­frei­ungs­er­klä­rungs­gesetz vorenthalten würden.

Die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts hat die Vorlage für unzulässig erklärt.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

Das vorlegende Finanzgericht setzt sich mit der Frage, ob hinsichtlich der Besteuerung von Zinseinkünften für die Veran­la­gungs­zeiträume 2000 bis 2002 ein strukturelles Vollzugsdefizit bestand, nicht hinreichend auseinander. Insbesondere geht das Gericht nicht ausreichend darauf ein, ob die im Anschluss an das "Zinsurteil" in Kraft getretenen Geset­ze­s­än­de­rungen in ihrem Zusammenwirken gegenüber den Vorjahren erhebliche Verbesserungen der Vollzugs­be­din­gungen herbeigeführt haben.

Soweit die Vorlage das Straf­be­frei­ungs­er­klä­rungs­gesetz betrifft, setzt sich das Finanzgericht nicht mit der Frage auseinander, ob eine relative Schlech­ter­stellung steuerehrlicher Steuer­pflichtiger gegenüber der Begünstigung steue­ru­nehr­licher Steuer­pflichtiger durch das Straf­be­frei­ungs­er­klä­rungs­gesetz verfas­sungs­rechtlich gerechtfertigt sein könnte. Es verkennt, dass das Straf­be­frei­ungs­er­klä­rungs­gesetz nicht das Ziel hatte, die Steuer­hin­ter­ziehung zu belohnen; es sollte vielmehr einen Anreiz für eine freiwillige Rückkehr in die Steuer­ehr­lichkeit setzen. Unerörtert bleibt in diesem Zusammenhang die Frage, inwieweit durch das Straf­be­frei­ungs­er­klä­rungs­gesetz die tatsächliche Erhebungs­si­tuation bei den Zinseinkünften auch positiv beeinflusst worden sein könnte. Hinsichtlich der bezweifelten Eignung einer Steueramnestie zur Förderung der Steuer­ehr­lichkeit hätte das Finanzgericht zumindest dazu näher Stellung nehmen müssen, dass der Gesetzgeber durch die enge Verzahnung des Straf­be­frei­ungs­er­klä­rungs­ge­setzes mit dem neu geschaffenen Konte­n­a­b­ruf­ver­fahren bewusst eine Regelung geschaffen hat, die Steuer­ver­kür­zungen in der Zukunft erschweren und die Steuer­ehr­lichkeit nachhaltig fördern sollte.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 46/08 des BVerfG vom 03.04.2008

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