15.11.2024
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Dokument-Nr. 5567

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Bundesverfassungsgericht Beschluss15.01.2008

Berlin hat keinen Anspruch auf Neuregelung der Rückübertragung von Grundstücken ehemaligen ReichsvermögensLand Berlin klagt ein paar Jahre zu spät

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat eine Klage Berlins gegen den Bund auf Rückgabe von früherem Reichsvermögen abgewiesen. Das Land habe keinen Anspruch auf die Immobilien. Begründet wurde dies damit, dass die Jahresfrist zur Geltendmachung der Forderungen mit dem Vollzug der deutschen Einheit zu laufen begonnen habe und inzwischen längst verstrichen sei.

Das Deutsche Reich hatte von den Ländern und Gemeinden Grundstücke unentgeltlich oder zu einem symbolischen Preis übernommen, um diese militärisch zu nutzen. Mit Inkrafttreten des Grundgesetzes wurde das gesamte Reichsvermögen Bundesvermögen (Art. 134 Abs. 1 GG). Art. 134 Abs. 3 GG hingegen bestimmt, dass Vermögen, das dem Reich von den Ländern und Gemeinden unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurde, wiederum Vermögen der Länder und Gemeinden wird, soweit es nicht der Bund für eigene Verwal­tungs­aufgaben benötigt. Das Reichsvermögen-Gesetz von 1961 (RVermG) regelt in § 5 die Einzelheiten des Umgangs mit diesem sog. Rückfa­ll­vermögen. Danach ist die Rückübertragung auf den ursprünglichen Eigentümer als Grundsatz, die Berück­sich­tigung von Bundesbedarf dagegen als Ausnahme vorgesehen. Für die Geltendmachung des Rückfallrechts durch das Land oder die Gemeinde ist eine Ausschlussfrist von einem Jahr nach Inkrafttreten des Reichsvermögen-Gesetzes festgelegt. Der Gesetzgeber hat eine Berlin-Klausel eingefügt, wonach das Reichsvermögen-Gesetz auch nach Berlin übernommen werden sollte. Die Regelung des § 5 RVermG sollte jedoch in Berlin (West) nicht gelten; insoweit blieb in § 19 Abs. 1 RVermG eine besondere Regelung vorbehalten. Bei Erlass des Gesetzes war noch nicht absehbar, dass das Reichsvermögen-Gesetz nicht nach Berlin (West) übernommen werden konnte, weil die Alliierte Kommandantur in Berlin hiergegen Einspruch erhob. Geltung erlangte das Reichsvermögen-Gesetz im vormaligen Westteil des Landes Berlin erst nach Wegfall der alliierten Vorbe­halts­rechte aufgrund des am 3. Oktober 1990 in Kraft getretenen Sechsten Überlei­tungs­ge­setzes.

Das Land Berlin beansprucht als Rückfa­ll­vermögen in Berlin (West) gelegene Grundstücke mit einer Gesamtfläche von ungefähr 6,8 Mio. qm im Gesamtwert von 226 Mio. Euro, darunter Flächen der Flughäfen Tegel und Tempelhof, sowie 52 Mio. Euro, die der Bund aus dem Verkauf von Rückfa­ll­vermögen erzielt habe. Der Bund ist der Ansicht, die Ansprüche Berlins seien erloschen, da die Jahresfrist zur Geltendmachung der Rückfa­l­lansprüche abgelaufen sei.

Der Normen­kon­trol­lantrag des Senats von Berlin, mit dem die Feststellung begehrt wurde, dass der Gesetzgeber für den vormaligen Westteil des Landes Berlin eine Rückfa­ll­re­gelung bislang nicht in Kraft gesetzt hat, hatte keinen Erfolg. Der Zweite Senat des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts stellte fest, dass mit dem Sechsten Überlei­tungs­gesetz das gesamte Reichsvermögen-Gesetz unter Einschluss der Rückfa­ll­re­gelung des § 5 RVermG nach Berlin (West) übergeleitet worden und seit dem 3. Oktober 1990 in Berlin (West) anwendbar ist. § 5 RVermG ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

I. Durch das Sechste Überlei­tungs­gesetz ist das Reichsvermögen-Gesetz am 3. Oktober 1990 nach Berlin (West) übergeleitet worden. Damit ist zugleich die Rückfa­ll­re­gelung des § 5 RVermG in Berlin in Kraft gesetzt worden. Es bedurfte hierzu keiner spezifizierten Gesetzgebung im Hinblick auf den Berlin-Vorbehalt in § 19 Abs. 1 RVermG.

Der Gesetzgeber hat bei Erlass des Reichsvermögen-Gesetzes zum Ausdruck gebracht, dass ein Rückfa­ll­ver­fahren in Berlin erst dann ermöglicht werden soll, wenn der Bundesbedarf am Rückfa­ll­vermögen überschaubar und entscheidbar ist. Da dies Anfang der sechziger Jahre nicht der Fall war, hätte das Rückfa­ll­ver­fahren, so wie es in § 5 RVermG vorgesehen ist, nicht sinnvoll durchgeführt werden können. Dem Gesetzgeber ging es mit der Formulierung des Berlin-Vorbehalts in § 19 Abs. 1 RVermG allein um eine zeitlich begrenzte Suspendierung von § 5 RVermG. Es bestehen hingegen keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Gesetzgeber für das Rückfa­ll­ver­fahren in Berlin (West) an eine inhaltlich von § 5 RVermG abweichende Regelung gedacht haben könnte.

Der Aufschub der Zuordnung des Rückfa­ll­ver­mögens in Berlin (West) findet seinen weiteren Grund in den besonderen rechtlichen Verhältnissen, die in den Westsektoren Berlins herrschten. Die drei westlichen Besat­zungs­mächte hatten mit der Genehmigung des Grundgesetzes ihre Vorbe­halts­rechte festgelegt. Zu den erklärten Vorbehalten gehörte, dass Berlin nicht vom Bund regiert wird. Eine unmittelbare organi­sa­to­rische Einbeziehung Berlins in die Bundesrepublik Deutschland sollte mit Rücksicht auf die fortdauernde internationale Spannung vorerst aufgeschoben werden. Vor diesem Hintergrund war die Vermö­gens­zu­ordnung nach Art. 134 Abs. 3 GG in erhöhtem Maße der Gefahr einer Ablehnung seitens der Alliierten ausgesetzt. Das Rückfa­ll­ver­fahren schließt die Möglichkeit ein, dass der Bund Vermö­gens­ge­gen­stände für sich beansprucht, die er für eigene Verwal­tungs­aufgaben benötigt. In derartigen Vorgängen konnte die Ausübung von Regie­rungs­gewalt gesehen werden, die dem Bund in Berlin nicht zustand. § 19 RVermG schließt diesbezügliche Konflikte aus und ist daher auch als Maßnahme des Gesetzgebers zu verstehen, die Zustimmung der westlichen Alliierten zum Reichsvermögen-Gesetz im Übrigen sicherzustellen.

II. Gegen § 5 RVermG bestehen keine verfas­sungs­recht­lichen Bedenken. Der Gesetzgeber hatte insbesondere keinen Anlass, die Voraussetzungen eines Vermö­gens­rü­ckfalls für den vormaligen Westteil Berlins anders als im übrigen Bundesgebiet auszugestalten. Mit dem Sechsten Überlei­tungs­gesetz wurde insoweit die rechtliche Gleichstellung Berlins bewirkt. Es bestehen auch keine verfas­sungs­recht­lichen Bedenken gegen die in § 5 RVermG geregelten Ausschluss­fristen. Durch die Jahresfrist für die Geltendmachung des Rückfallrechts wird sichergestellt, dass die Rechts­ver­hältnisse in überschaubarer Zeit geklärt werden und nicht viele Jahre in der Schwebe bleiben. Nach dem Wortlaut von § 5 RVermG beginnt die Jahresfrist mit Inkrafttreten dieses Gesetzes. Entsprechend der Absicht des Gesetzgebers, das Land Berlin rechtlich mit dem übrigen Bundesgebiet gleichzustellen, ist die Ausschlussfrist dahin zu verstehen, dass sie sich in Berlin (West) auf den Zeitpunkt der dortigen Inkraftsetzung der Norm am 3. Oktober 1990 bezieht.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 15/08 des BVerfG vom 08.02.2008

der Leitsatz

Zum Inkrafttreten der Regelungen des Reichsvermögen-Gesetzes über das Rückfa­ll­vermögen (Art. 134 Abs. 3 GG) in Berlin (West).

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