14.12.2024
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Dokument-Nr. 33589

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Bundesverfassungsgericht Beschluss29.11.2023

Verteilung der Finanzhilfen des Bundes an die Länder zur Förderung von Investitionen finanzschwacher Kommunen ist mit dem Grundgesetz vereinbarNormen­kon­trol­lantrag des Landes Berlin erfolglos

Das Bundes­verfassungs­gericht hat entschieden, dass § 2 und § 11 Abs. 1 des Gesetzes zur Förderung von Investitionen finanzschwacher Kommunen(Kommunal­investitions­förderungs­gesetz – KInvFG) mit dem Grundgesetz vereinbar sind.

Über einen Kommu­na­lin­ves­ti­ti­o­ns­för­de­rungsfonds stellt der Bund den Ländern Finanzhilfen zur Förderung von Investitionen finanzschwacher Kommunen zur Verfügung: Zum einen Fördermittel in Höhe von insgesamt 3,5 Milliarden Euro, die dem Ausgleich unter­schied­licher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet dienen sollen; § 2 KInvFG regelt deren Verteilung auf die Länder nach bestimmten Prozentsätzen. Zum anderen Finanzhilfen zur Verbesserung der Schulin­fra­s­truktur allge­mein­bil­dender und berufsbildender Schulen in Höhe von insgesamt 3,5 Milliarden Euro; § 11 Abs. 1 KInvFG regelt die Verteilung dieser Finanzmittel auf die Länder nach bestimmten Prozentsätzen. Der den Fördermitteln zugrunde gelegte Vertei­lungs­sch­lüssel berücksichtigt je zu einem Drittel die Anzahl der Einwohner der Länder jeweils zum 30. Juni des Jahres, die Höhe der Kassen(verstärkungs)kreditbestände der Länder und Kommunen zusammen jeweils zum 31. Dezember des Jahres sowie die Anzahl der Arbeitslosen der Länder im Jahres­durch­schnitt. Das Land Berlin ist der Ansicht, der den §§ 2 und 11 Abs. 1 KInvFG jeweils zugrunde gelegte Vertei­lungs­sch­lüssel führe zu einer verfas­sungs­widrig ungleichen Verteilung der Inves­ti­ti­o­ns­hil­fe­mittel des Bundes auf die einzelnen Länder und insbesondere zu einer ungerecht­fer­tigten Benachteiligung der Stadtstaaten.

Verteilung der Finanzhilfen mit dem Grundgesetz vereinbar

Der Normenkontrollantrag ist offensichtlich unbegründet. § 2 und § 11 Abs. 1 KInvFG sind mit dem Grundgesetz vereinbar. § 2 KInvFG bleibt mit seiner Verteilung der Fördermittel innerhalb der Grenzen von Art. 104b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GG und verletzt auch das Gebot der föderativen Gleich­be­handlung nicht. Nach Art. 104b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GG kann der Bund, soweit ihm Gesetz­ge­bungs­be­fugnisse zustehen, den Ländern Finanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen der Länder und der Gemeinden (Gemein­de­verbände) gewähren, die zum Ausgleich unter­schied­licher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet erforderlich sind. Die Arten der zu fördernden Investitionen sind insofern auf das Förderungsziel „Ausgleich unter­schied­licher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet“ ausgerichtet und betreffen bestimmte herausgehobene Inves­ti­ti­o­ns­be­reiche, in denen dieses Ziel mit finanzieller Hilfe des Bundes erreicht werden soll. Art. 104b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GG legt nur äußere Grenzen fest, innerhalb derer durch zustim­mungs­be­dürftiges Bundesgesetz (oder Verwal­tungs­ver­ein­barung) „das Nähere“ im Sinne der Norm geregelt wird. Er bildet die Grundlage für Regelungen, die im Hinblick auf Struk­tur­schwäche und Inves­ti­ti­o­ns­bedarf zwischen den Ländern differenzieren, ohne jedoch die Diffe­ren­zie­rungs­kri­terien im Einzelnen verfas­sungs­rechtlich vorzugeben. Ob der Bundes­ge­setzgeber die Voraussetzungen für die Gewährung von Finanzhilfen nach Art. 104b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GG eingehalten hat, unterliegt nur einer eingeschränkten, am Willkürmaßstab ausgerichteten verfas­sungs­ge­richt­lichen Kontrolle. Gemessen an diesen Maßstäben ist nicht ersichtlich, dass die in § 2 KInvFG vorgenommene prozentuale Verteilung der Inves­ti­ti­o­ns­hilfen auf einer grundlegenden Verkennung des Begriffs des „Ausgleichs unter­schied­licher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet“ nach Art. 104b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GG durch den Gesetzgeber beruht. Das Abstellen auf die Anzahl der Arbeitslosen (der Länder im Jahres­durch­schnitt) zu einem Drittel bei der Verteilung der Inves­ti­ti­o­ns­hilfen auf die Länder ist offensichtlich zur Abbildung von Struk­tur­schwäche geeignet und daher nicht ohne Sachgrund. Gleiches gilt für die Berück­sich­tigung der Anzahl der Einwohner der Länder zu einem Drittel. Die Annahme, höhere Einwohnerzahlen erforderten objektiv mehr Infrastruktur und dementsprechend höhere Inves­ti­ti­o­ns­summen, ist nicht sachwidrig. Es ist ebenfalls nicht sachwidrig, die Verteilung der Finanzhilfen zu einem weiteren Drittel nach der Summe der Kassenkredite der Länder und Kommunen vorzunehmen. Das Kriterium der Kassenkredite ist zur Abbildung von Struk­tur­schwäche oder Inves­ti­ti­o­ns­bedarf nicht ungeeignet und überschreitet daher den durch Art. 104b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GG gewährten Spielraum nicht. Im Gegensatz zu Haushalts­krediten, die ausschließlich die Finanzierung von Investitionen oder Inves­ti­ti­o­ns­för­de­rungs­maß­nahmen sowie die Umschuldung zum Zweck haben dürfen, dienen Kassenkredite der Aufrecht­er­haltung einer ordnungsgemäßen Kassen­wirt­schaft und sollen solche Defizite in der Kasse ausgleichen, die sich vorübergehend dadurch ergeben, dass Einzahlungen hinter Auszahlungen zurückbleiben. Ein hoher Bestand an Kassenkrediten zeigt somit an, dass laufende Ausgaben teils kreditär finanziert werden. Entschließt sich der Gesetzgeber, nicht nur Inves­ti­ti­o­ns­pro­gramme der Länder für ihre struk­tur­schwachen Kommunen, sondern auch Infra­s­truk­tur­projekte in Stadtstaaten zu fördern, ist ein Abstellen auf die Kassenkredite der Länder und Kommunen in ihrer Gesamtheit nicht ohne sachlichen Grund. Der Gesetzgeber durfte annehmen, dass die in einem Stadtstaat zu bewältigenden Infra­s­truk­tu­r­aufgaben und der dortige Inves­ti­ti­o­ns­bedarf bei einem Flächenland in etwa demjenigen der Kommunen und des Landes zusam­men­ge­nommen entsprechen. Denn die kommunale Aufga­ben­wahr­nehmung erfolgt in den Stadtstaaten gebündelt beim Land, zusätzlich zu den originären Länderaufgaben. In dieser Hinsicht nehmen die Stadtstaaten eine Doppelstellung als Länder und Kommunen ein.

Kein Verstoß gegen das Gebot der föderativen Gleich­be­handlung

Die Gewichtung der Kriterien zu gleichen Teilen verlässt den von Art. 104b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GG gesteckten Rahmen ebenfalls nicht. Ob die Norm eine andere Gewichtung zuließe oder ob der Gesetzgeber den sachge­rech­testen aller denkbaren Vertei­lungs­sch­lüssel gewählt hat, unterliegt dabei nicht der Überprüfung durch das Bundes­ver­fas­sungs­gericht. Die Finanzhilfen gemäß § 2 KInvFG verstoßen auch nicht gegen das Gebot der föderativen Gleich­be­handlung. Dieses im Bundess­taats­prinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) in Verbindung mit dem Rechts­s­taats­prinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) angelegte Gebot dient nicht dazu, in der Verfassung unmittelbar angelegte Diffe­ren­zie­rungen zu nivellieren. Es verbietet somit keine Diffe­ren­zie­rungen, die einer Prüfung am Maßstab des Art. 104b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GG verfas­sungs­rechtlich standhalten. Diese stellen schon keine am Gebot der föderativen Gleich­be­handlung zu messende Ungleich­be­handlung dar. § 11 Abs. 1 KInvFG verlässt weder den durch Art. 104c Satz 1 GG alte Fassung (a.F.) noch den durch Art. 104c Satz 1 GG (aktuell geltende Fassung) gezogenen Rahmen, noch verletzt er das Gebot der föderativen Gleich­be­handlung. Art. 104c Satz 1 GG a.F. ermöglichte es dem Bund, den Ländern Finanzhilfen für gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen der finanzschwachen Gemeinden (Gemein­de­verbände) im Bereich der kommunalen Bildungs­in­fra­s­truktur zu gewähren. Die Norm steht Regelungen, die allen Ländern Finanzhilfen zukommen lassen, nicht grundsätzlich entgegen. Art. 104c Satz 1 GG a.F. verbietet es nicht, Inves­ti­ti­o­ns­hilfen auch Stadtstaaten zukommen zu lassen. Diese verfügen zwar begrifflich schon deshalb nicht über finanzschwache Kommunen, weil sie – mit Ausnahme Bremens – nicht in Kommunen untergliedert sind. Jedoch zielte die Einführung von Art. 104c GG a.F. auf die Beseitigung bundesweit bestehender Inves­ti­ti­o­ns­de­fizite in der Bildungs­in­fra­s­truktur. Dafür, dass in den Stadtstaaten – anders als in den Flächenländern – kein hoher Inves­ti­ti­o­ns­bedarf im Bereich der Bildungs­in­fra­s­truktur besteht, gibt es keine Anhaltspunkte. Art. 104c Satz 1 GG a.F. untersagt es, die Länder an Inves­ti­ti­o­ns­hilfen des Bundes in einer Weise teilhaben zu lassen, die ihnen pauschal denselben Betrag zuwendet. Vielmehr fordert die Norm eine Verteilung der Bundes­fi­nanz­hilfen, die sich einerseits an der „Finanzschwäche“ und andererseits an einem Inves­ti­ti­o­ns­bedarf bezüglich der Bildungs­in­fra­s­truktur orientiert.

Für Vertei­lungs­sch­lüssel verwendete Kriterien nicht sachwidrig

Die Kriterien, die für diese Verteilung heranzuziehen sind, gibt Art. 104c Satz 1 GG a.F. nicht im Einzelnen vor. Er legt allein äußere Grenzen fest und verweist für die Ausgestaltung des Näheren auf ein zustim­mungs­be­dürftiges Bundesgesetz oder eine Verwal­tungs­ver­ein­barung. Die Entscheidung darüber, welche Regelung konkret gewählt wird, obliegt in erster Linie dem Gesetzgeber oder den an der Verwal­tungs­ver­ein­barung Beteiligten. Verfas­sungs­ge­richtlich überprüfbar ist auch hier allein die Einhaltung der äußeren Normgrenzen. Gemessen an diesen Maßstäben ist nicht ersichtlich, dass die in § 11 Abs. 1 KInvFG vorgenommene prozentuale Verteilung der Inves­ti­ti­o­ns­hilfen sachwidrig ist und den Schluss zulässt, dass sie auf einer grundlegenden Verkennung der tatbe­stand­lichen Voraussetzungen von Art. 104c Satz 1 GG a.F., insbesondere der Begriffe der Finanzschwäche und der gesamtstaatlich bedeutsamen Investitionen in die Bildungs­in­fra­s­truktur, beruht. Weder das Teilkriterium der Anzahl der Arbeitslosen, das der Anzahl der Einwohner noch das der Höhe der Kassen­kre­dit­be­stände der Länder und Kommunen zusam­men­ge­nommen entbehrt eines sachlichen Grundes. Auch die gleichmäßige Gewichtung dieser Kriterien bewegt sich innerhalb des von Art. 104c Satz 1 GG a.F. gesteckten Rahmens. Es kommt nicht darauf an, ob die Norm eine andere Gewichtung zuließe oder ob der Gesetzgeber den sachge­rech­testen aller denkbaren Vertei­lungs­sch­lüssel gewählt hat, weil das Bundes­ver­fas­sungs­gericht dies nicht zu prüfen hat. § 11 Abs. 1 KInvFG verstößt zudem nicht gegen Art. 104c Satz 1 GG in seiner aktuellen Fassung. Art. 104c GG lässt – anders als noch Art. 104c GG a.F. – auch Vertei­lungs­sch­lüssel zu, die nicht auf Finanzschwäche abstellen. Eine Gewährung von Finanzhilfen, die sich an einer Finanzschwäche der relevanten Gebiets­kör­per­schaft orientiert, wird dadurch jedoch nicht ausgeschlossen. Die nach Art. 104c GG a.F. und Art. 104c GG zulässigen Finanzhilfen gemäß § 11 Abs. 1 KInvFG verstoßen schließlich nicht gegen das Gebot der föderativen Gleich­be­handlung. Auch hier gilt, dass dieses Gebot keine Diffe­ren­zie­rungen untersagt, die sich auf Art. 104c GG a.F. und Art. 104c GG zurückführen lassen.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)

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