18.10.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss23.05.2018

Vorschriften zur Abgabepflicht land­wirtschaft­licher Höfe als Voraussetzung eines Rentenanspruchs verfas­sungs­widrigKopplung der Rente an Pflicht zur Abgabe eines land­wirtschaft­lichen Hofs greift faktisch in Eigen­tums­freiheit ein

Die Koppelung einer Rente an die Abgabe eines land­wirtschaft­lichen Hofs greift faktisch in die Eigen­tums­freiheit des Art. 14 GG ein. Die Pflicht zu einer solchen Hofabgabe wird verfas­sungs­widrig, wenn diese in unzumutbarer Weise Einkünfte entzieht, die zur Ergänzung einer als Teilsicherung ausgestalteten Rente notwendig sind. Darüber hinaus darf die Gewährung einer Rente an den einen Ehepartner nicht von der Entscheidung des anderen Ehepartners über die Abgabe des Hofs abhängig gemacht werden. Mit dieser Begründung hat der Erste Senat des Bundes­verfassungs­gerichts mit heute veröf­fent­lichtem Beschluss die einschlägigen Vorschriften für verfas­sungs­widrig erklärt, den Verfassungs­beschwerden eines Landwirtes und der Ehefrau eines Landwirtes stattgegeben und die Verfahren unter Aufhebung der Gerichts­entscheidungen an das Landes­so­zi­al­gericht Nordrhein-Westfalen zurückverwiesen.

Die Alterssicherung der Landwirte ist die berufs­s­tän­dische Altersvorsorge der Landwirtinnen und Landwirte in Deutschland. Sie ist Teil der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung. Gesetzliche Grundlage ist das Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG). Dieses sieht die Abgabe des landwirt­schaft­lichen Hofs als eine der Voraussetzungen eines Rentenanspruchs vor.

Sachverhalt im Verfahren 1 BvR 97/14

Die Beschwer­de­führerin in dem Verfahren 1 BvR 97/14 ist im Jahr 1944 geboren und mit einem im Jahr 1940 geborenen Land- und Forstwirt verheiratet. Als Ehegattin eines landwirt­schaft­lichen Unternehmers gilt sie gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 ALG als Landwirt. Den Rentenantrag der Beschwer­de­führerin aus dem Jahr 2011 lehnte der zuständige Träger der Alterssicherung der Landwirte ab, weil ihr Ehegatte bereits die Regel­al­ters­grenze erreicht und das landwirt­schaftliche Unternehmen noch nicht abgegeben hatte.

Klagen erfolglos

Die deswegen von der Beschwer­de­führerin vor dem Sozialgericht erhobene Klage hatte - auch in der Berufungs­instanz - keinen Erfolg. Das Bundes­so­zi­al­gericht wies die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision und die dagegen erhobene Anhörungsrüge zurück.

Sachverhalt im Verfahren 1 BvR 2392/14

Der im Jahr 1938 geborene Beschwer­de­führer in dem Verfahren 1 BvR 2392/14 betreibt ein landwirt­schaft­liches Unternehmen. Die Landwirt­schaftliche Alterskasse lehnte den Rentenantrag des Beschwer­de­führers aus dem Jahr 2010 ab, weil dessen landwirt­schaftliche Nutzfläche die zulässige Rückbe­halts­fläche von sechs Hektar um ein Vielfaches überschritten habe und deshalb das landwirt­schaftliche Unternehmen nicht abgegeben war.

Klagen erfolglos

Das Sozialgericht wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Berufung des Beschwer­de­führers vor dem Landes­so­zi­al­gericht und die sich anschließende Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hatten, ebenso wie die Anhörungsrüge, keinen Erfolg.

BVerfG bejaht Eingriff in grundrechtlich geschützte Eigen­tums­freiheit

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht entschied, dass sich die Pflicht zur Hofabgabe als Voraussetzung eines Rentenanspruchs nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte als Eingriff in die grundrechtlich geschützte Eigen­tums­freiheit (Art. 14 Abs. 1 GG) erweist.

Kein Eingriff in geschützte Rente­n­an­wart­schaften oder Rentenansprüche

In durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rente­n­an­wart­schaften oder Rentenansprüche der Beschwer­de­führer wird aber nicht eingegriffen. Denn nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte schafft die Abgabe des Unternehmens der Landwirtschaft erst die Voraussetzungen für die Entstehung von Anwartschaften und Ansprüchen auf eine Rente im Bereich der Alterssicherung der Landwirte und kann somit in Bezug auf diese Rechts­po­si­tionen Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht verletzen.

Rentenanspruch besteht nur bei Abgabe des landwirt­schaft­lichen Unternehmens

Hingegen liegt ein Eingriff in das Sacheigentum des Beschwer­de­führers in dem Verfahren 1 BvR 2392/14 an dem landwirt­schaft­lichen Unternehmen vor. Denn ein Grund­recht­s­eingriff kann nicht nur in einem rechtsförmigen Vorgang liegen, der unmittelbar und gezielt durch ein vom Staat verfügtes, erfor­der­li­chenfalls zwangsweise durch­zu­set­zendes Gebot oder Verbot, also imperativ, zu einer Verkürzung grund­recht­licher Freiheiten führt. Als Beein­träch­tigung eines Grundrechts können vielmehr auch staatliche Maßnahmen anzusehen sein, die mittelbar faktisch eine eingriffs­gleiche Wirkung entfalten. Dies ist bei der Hofab­ga­be­klausel der Fall. Ein Rentenanspruch steht dem Landwirt nur dann zu, wenn er das landwirt­schaftliche Unternehmen entsprechend einer der in § 21 ALG genannten Alternativen abgibt. Insofern wird auf den Landwirt ein mittelbarer, faktischer Druck zur Abgabe des landwirt­schaft­lichen Unternehmens erzeugt. Der Landwirt kann sich zwar nach wie vor frei entscheiden, ob er das Unternehmen abgibt oder weiterführt; aber nur im Falle der Abgabe erhält er eine Rente. Nur wenn eine Rente bewilligt wird, war es jedoch für den Landwirt letztendlich wirtschaftlich sinnvoll, jahrzehntelang Beiträge zur Alterssicherung der Landwirte zu leisten. Bei der Nichtabgabe des landwirt­schaft­lichen Unternehmens erhält er für diese Beitrags­leistung keine Gegenleistung. Die geleisteten Beiträge gehen vollständig verloren. Die Wirkung des Verlustes der geleisteten Beiträge bei der Nichtabgabe des landwirt­schaft­lichen Unternehmens wird dadurch verstärkt, dass Landwirte nicht frei entscheiden können, ob sie Beiträge zur landwirt­schaft­lichen Alterssicherung leisten, da sie versicherungs- und beitrags­pflichtig sind.

Eingriff in geschützte Rechte muss unter Beachtung des Grundsatzes der Verhält­nis­mä­ßigkeit gerechtfertigt sein

Mangels einer Güter­be­schaffung zugunsten des Staates oder eines Dritten zum Wohl der Allgemeinheit liegt hierin keine Enteignung, sondern eine Inhalts- und Schran­ken­be­stimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Diese ist nur nach den folgenden Maßgaben gerechtfertigt. Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG werden Inhalt und Schranken des Eigentums durch Gesetz bestimmt. Ein solches Gesetz ist § 11 Abs. 1 Nr. 3 ALG, wonach ein Anspruch auf eine Regel­al­tersrente nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte nur dann besteht, wenn das Unternehmen der Landwirtschaft abgegeben ist. Der Eingriff im Rahmen der Inhalts- und Schran­ken­be­stimmung in die durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Rechte muss durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Beachtung des Grundsatzes der Verhält­nis­mä­ßigkeit gerechtfertigt sein.

Gesetzgeber verfolgt mit Hofab­ga­be­klausel grundsätzlich legitime Ziele

Die Hofabgabe als Voraussetzung eines Rentenanspruchs nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte entspricht jedoch nur mit folgenden Maßgaben dem Verhält­nis­mä­ßig­keits­prinzip. Der Gesetzgeber verfolgt mit der Hofab­ga­be­klausel mehrere legitime, agrar­struk­turelle Ziele. Ein Ziel ist die Förderung der frühzeitigen Hofübergabe an Jüngere, um hierdurch eine Senkung des durch­schnitt­lichen Lebensalters der Betrie­bs­lei­te­rinnen oder Betriebsleiter zu bewirken. Die Hofab­ga­be­klausel will somit einen Beitrag zur Übergabe von landwirt­schaft­lichen Unternehmen zu einem wirtschaftlich sinnvollen Zeitpunkt an jüngere Kräfte leisten. Im Weiteren geht es dem Gesetzgeber um die Funktion der Hofabgabe für den Bodenmarkt vor dem Hintergrund der das Angebot deutlich übersteigenden Nachfrage nach landwirt­schaft­lichen Flächen und des starken Anstiegs der Pachtpreise. Darüber hinaus verfolgt die Hofab­ga­be­klausel das Ziel der Verbesserung der Betrie­bss­truktur durch die Schaffung größerer Entwick­lung­s­chancen für Wachs­tums­be­triebe. Diese können ihren Aufsto­ckungs­bedarf aus den frei werdenden landwirt­schaft­lichen Nutzflächen früher befriedigen, als dies ohne ein Abgabeer­for­dernis möglich wäre.

Landwirt unterliegt durch Vorschriften faktischem Zwang zur Hofabgabe

Zur Erreichung dieser Ziele ist die Hofab­ga­be­klausel nicht von vornherein untauglich. Verfas­sungs­rechtlich genügt für die Eignung der Regelung die Möglichkeit, dass der erstrebte Erfolg gefördert werden kann, dass also die Möglichkeit der Zweckerreichung besteht. Es besteht zwar keine Pflicht zur Hofabgabe; im Fall der Nichtabgabe des Unternehmens entfällt aber die Gegenleistung in Form einer Rente für jahrelange Beitrags­leis­tungen. Der Landwirt unterliegt daher einem faktischen Zwang zur Hofabgabe. Verfas­sungs­rechtlich ist die Mitur­säch­lichkeit der Hofab­ga­be­klausel für den Strukturwandel in der Landwirtschaft ausreichend. Die Auswertung einer Stichprobe bezüglich des Abgabe­ver­haltens des Rentenzugangs in der Alterssicherung der Landwirte im Jahr 2011 hat die positiven agrar­struk­tu­rellen Effekte der Hofab­ga­be­klausel bestätigt.

Verpflichtung zur Hofabgabe nicht in allen Fällen zumutbar

Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass die Hofab­ga­be­klausel erforderlich ist, da kein milderes Mittel zur Verfügung steht. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht prüft nicht, ob der Gesetzgeber die beste Lösung für die hinter einem Gesetz stehenden Probleme gefunden hat, denn er verfügt über einen Beurteilungs- und Progno­se­spielraum. Die Verpflichtung zur Hofabgabe ist jedoch nicht in allen Fällen zumutbar. Eine Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs einerseits und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn recht­fer­ti­genden Gründe andererseits muss die Grenze der Zumutbarkeit wahren. Die Regelung darf die Betroffenen nicht übermäßig belasten.

Härte­fa­ll­re­gelung für die Hofabgabe nicht beachtet

Das Erfordernis der Hofabgabe als Voraussetzung eines Rentenanspruchs wahrt nicht mehr die Grenze der Zumutbarkeit, soweit das Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte keine Härte­fa­ll­re­gelung für die Hofabgabe vorsieht. Härtefälle entstehen vornehmlich, wenn der abgabewillige Landwirt keinen zur Hofübernahme bereiten Nachfolger findet. In diesem Fall kann der landwirt­schaftliche Unternehmer die Hofabgabe nur in einer der Formen vollziehen, die nicht mit einer Einkom­men­s­er­zielung verbunden sind, also durch Unmög­lich­machung der landwirt­schaft­lichen Nutzung, Stilllegung, Aufgabe des Fische­rei­aus­übungs­rechts, Aufgabe des Unternehmens der Imkerei oder Wanderschäferei oder Aufforstung. Dann fehlen ein Kaufpreis oder Pachtzins zur Sicherung des Alters und die Hofab­ga­be­pflicht wird unzumutbar. Härtefälle entstehen aber auch dann, wenn das landwirt­schaftliche Unternehmen zwar abgegeben werden könnte, dies jedoch nicht zu Einkünften des Landwirts führen würde, mit Hilfe derer er seinen Lebensunterhalt in Ergänzung der Rente sicherstellen kann. In diesen Fällen wird die Pflicht zur Hofabgabe unzumutbar, denn der abgebende Landwirt wird zur Erlangung der Rente gezwungen, seine andere Finanzquelle für das Alter aufzugeben oder zu reduzieren, obwohl seine Rente nur als Teilsicherung angelegt ist und die Einkünfte aus dem abgegebenen Hof dies nicht angemessen ergänzen.

Gesetzliche Neuregelungen für Landwirte insgesamt unzumutbar

Insgesamt ist die angegriffene Regelung infolge der mit den vorliegenden Verfas­sungs­be­schwerden nicht angegriffenen Änderung des § 21 Abs. 9 ALG zum 1. Januar 2016 durch Art. 3 Nr. 3 d) des Gesetzes zur Änderung des Zwölften Buches Sozial­ge­setzbuch und weiterer Vorschriften vom 21. Dezember 2015 unzumutbar geworden, weil sie inzwischen tatsächlich nur noch eine kleine Gruppe von Landwirten erfasst und ihnen damit im Vergleich zu anderen Landwirten eine unangemessene Last zumutet. Der Gesetzgeber ist bei der inhaltlichen Festlegung von Eigen­tü­mer­be­fug­nissen und -pflichten nach Art. 14 Abs. 1 GG auch an den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden. Dem wird die Regelung nach der Geset­ze­s­än­derung nicht mehr gerecht. Die Neuregelung hat die Hofabgabe unter Ehegatten erleichtert. Zwar erhält auch derjenige Ehegatte, der von dem anderen Ehegatten das landwirt­schaftliche Unternehmen übernommen hat, weiterhin nur eine Rente, wenn er den Hof abgibt. Die entscheidende Änderung seit dem 1. Januar 2016 ist aber, dass eine Nichtabgabe des Unternehmens nur noch den Rentenanspruch desjenigen Ehegattens, der das landwirt­schaftliche Unternehmen übernommen hat, entfallen lässt; auf die Rente des abgebenden Ehegattens hingegen keinen Einfluss mehr hat. Damit ist der Gesetzgeber zwar einer nach Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 GG unzulässigen Benachteiligung des einen Ehegatten entge­gen­ge­treten, hat jedoch ein neues verfas­sungs­recht­liches Problem geschaffen. Denn die Abgabe unter Ehegatten ist vor allem dann von Vorteil, wenn der übernehmende Ehegatte von der Versi­che­rungs­pflicht in der Landwirt­schaft­lichen Alterskasse befreit ist. Das landwirt­schaftliche Unternehmen kann dann weiter bewirtschaftet werden, ohne dass die sanktionierende Wirkung der Hofab­ga­be­re­gelung eintritt. Nach der Geset­ze­s­än­derung sind somit nur noch 21 % der Landwirte völlig, nämlich alleinstehende Landwirte, und 15 % der Landwirte teilweise, vor allem im Fall von Betrie­bs­lei­ter­ehe­paaren, die beide versi­che­rungs­pflichtig sind, von der Hofab­ga­be­pflicht betroffen. Es ist nicht zumutbar, dass eine Minderheit von derzeit noch 36 % der Landwirte unter gewichtigen Eingriffen in das Eigen­tums­grundrecht für agrarpolitische Ziele einer zukunftsfähigen Landwirt­schaftss­truktur in Anspruch genommen werden, obwohl sie diesen Zielen nicht näherstehen als andere. Dies wird der Gesetzgeber bei einer eventuellen Neuregelung berücksichtigen müssen.

Gesetzgeber ist jede an die Existenz der Ehe anknüpfende Benachteiligung untersagt

In dem Verfahren 1 BvR 97/14 gilt die Beschwer­de­führerin als Ehegattin eines Landwirts selbst als Landwirtin nach § 1 Abs. 3 Satz 1 ALG. Ihr dadurch begründeter eigener Rentenanspruch ist nach § 21 Abs. 9 Satz 4 ALG davon abhängig, dass ihr Ehegatte seinerseits den Hof abgibt, sobald er selbst die Voraussetzungen für eine Rente erfüllt. Die Abhängigkeit des Rentenanspruchs von der Hofabgabe durch den anderen Ehegatten verletzt Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 GG. Nach Art. 6 Abs. 1 GG stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Es ist deshalb dem Gesetzgeber jede an die Existenz der Ehe anknüpfende Benachteiligung untersagt. Verfas­sungs­rechtlich geschützt ist nach Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 GG eine Ehe, in der die Eheleute in einer gleich­be­rech­tigten Partnerschaft zueinander stehen und in der die Ehegatten ihre persönliche und wirtschaftliche Lebensführung in gemeinsamer Verantwortung bestimmen. Das schließt eine einseitige Dominanz eines Ehepartners bei der Gestaltung von Rechts­ver­hält­nissen aus. Der Gesetzgeber darf eine solche Dominanz nicht durch Gesetz begründen. Das gilt vor allem für die Ausgestaltung von Pflicht­ver­si­che­rungen, für die der mitversicherte, später renten­be­rechtigte Ehegatte die Beiträge selbst zu tragen hat. § 21 Abs. 9 Satz 4 ALG verlässt die von Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Bestimmung der wirtschaft­lichen Lebensführung in gemeinsamer Verantwortung beider Ehepartner und gibt sie in die einseitige Bestim­mungs­gewalt eines der Ehepartner. Eine besondere verfas­sungs­rechtliche Rechtfertigung für die hier bewirkte Abhängigkeit von der Entscheidung des Ehegatten über die Abgabe des Hofes ist nicht ersichtlich.

Gesetzgeber hat verschiedene Möglichkeiten zur Behebung der Verfas­sungs­wid­rigkeit

§ 11 Abs. 1 Nr. 3 ALG in der Fassung des Art. 17 Nr. 6 RV-Alters­gren­ze­n­an­pas­sungs­gesetz vom 20. April 2007 ist in dem sich aus den Entschei­dungs­gründen ergebenden Umfang mit Art. 14 Abs. 1 GG und in Verbindung mit § 21 Abs. 9 Satz 4 ALG in der Fassung des Art. 7 Nr. 1a LSV-Neuord­nungs­gesetz vom 12. April 2012 mit Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 GG unvereinbar und damit unanwendbar. § 11 Abs. 1 Nr. 3 ALG wird insgesamt für unanwendbar erklärt, weil es dem Gesetzgeber obliegt, die Fälle einer Unzumutbarkeit der Hofabgabe näher zu bestimmen. § 11 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 ALG bleiben hingegen weiter anwendbar. Von einer Nichti­g­er­klärung wird abgesehen, weil der Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten hat, die Verfassungswidrigkeit zu beheben.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online

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