15.11.2024
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Dokument-Nr. 733

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Beschluss31.10.2002Bundesverfassungsgericht1 BvR 819/02
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Bundesverfassungsgericht Beschluss31.10.2002

Zur Singu­la­r­zu­lassung der Rechtsanwälte beim Bundes­ge­richtshof

Ein Rechtsanwalt, der unter Beibehaltung seiner bisherigen Zulassung beim Oberlan­des­gericht als Rechtsanwalt beim Bundes­ge­richtshof (BGH) in Zivilsachen zugelassen werden wollte, ist mit seiner Verfas­sungs­be­schwerde (Vb) vor dem Bundes­ver­fas­sungs­gericht ohne Erfolg geblieben. Der Erste Senat des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts hat mit Beschluss vom 31. Oktober 2002 die Vb gegen die Entscheidung des BGH, nach der die Singularzulassung der Rechtsanwälte beim BGH verfas­sungsgemäß ist, nicht zur Entscheidung angenommen.

Zum Sachverhalt:

Nach § 171 Bundes­rechts­an­walts­ordnung (BRAO) darf ein Rechtsanwalt beim Bundes­ge­richtshof nicht zugleich bei einem anderen Gericht zugelassen sein (Singu­la­r­zu­lassung; Verbot der Simul­tan­zu­lassung). Der Beschwer­de­führer (Bf) ist als Rechtsanwalt beim Oberlan­des­gericht Hamm zugelassen und übt zudem den Beruf des Notars aus. Sein Antrag, ihn zugleich auch als Rechtsanwalt beim Bundes­ge­richtshof zuzulassen, wurde abgelehnt. Der BGH wies seinen dagegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurück. Es sei verfas­sungs­rechtlich unbedenklich, dass der Gesetzgeber den bei dem BGH zugelassenen Rechtsanwälten eine weitere Zulassung bei anderen Gerichten verwehrt. Mit der Vb rügt der Bf vor allem einen Eingriff in sein Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG.

Zur Begründung heißt es:

Die Voraussetzungen für die Annahme der Vb zur Entscheidung liegen nicht vor. Die Vb hat weder grundsätzliche verfas­sungs­rechtliche Bedeutung noch wird der Bf durch den Eingriff in seine Berufs­aus­übungs­freiheit in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt.

Zwar wird ihm eine Erweiterung seines bisherigen Tätig­keits­feldes verwehrt. Der BGH hat jedoch bei Auslegung und Anwendung des § 171 BRAO die vom Bundes­ver­fas­sungs­gericht entwickelten Maßstäbe für gesetzliche Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung beachtet. Der BGH hält die Singu­la­r­zu­lassung durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls für gerechtfertigt. Sie bezwecke eine Stärkung der Rechtspflege durch eine leistungsfähige und in Revisionssachen besonders qualifizierte Anwaltschaft. Mit ihr seien Vorteile für die Rechtssuchenden und das Revisi­ons­gericht verbunden. Die Rechtssuchenden würden kompetent beraten und könnten im Vorfeld von aussichtslosen Rechtsmitteln Abstand nehmen, was ihnen Kosten erspart. Zugleich werde der BGH von unzulässigen Rechtsmitteln entlastet. Diese Gesichtspunkte hält das Bundes­ver­fas­sungs­gericht noch für verfas­sungs­rechtlich tragfähig. Weder aus der Systematik des Gesetzes noch aus der historischen Entwicklung oder der Umsetzung der Normen in der Gerichtspraxis ergeben sich derzeit Anhaltspunkte dafür, dass die Singu­la­r­zu­lassung nicht mehr als geeignetes und erforderliches Mittel zugunsten einer qualitativen Verbesserung der Rechtspflege angesehen werden kann. Sie stellt sich bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der sie recht­fer­ti­genden Gründe insgesamt noch als angemessen dar.

Die Auswirkungen der Zivil­pro­zess­reform auf das Revisi­ons­ver­fahren, insbesondere der Einführung der Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde, lassen derzeit keine Prognose und damit auch keine andere Wertung zu. Der BGH hat sich zu Recht auf die bisherigen Erkenntnisse gestützt. Erst bei Vorliegen tatsächlicher Erfahrungswerte über die Refor­m­aus­wir­kungen lässt sich beurteilen, ob das Verbot der Simul­tan­zu­lassung beim BGH auch weiterhin mit dem Verfas­sungsrecht vereinbar ist.

Der Senat hat weiter ausgeführt, dass seine Entscheidung zur Singu­la­r­zu­lassung der bei einem Oberlan­des­gericht zugelassenen Rechtsanwälte (vgl. BVerfG, Urteil vom 13.12.2000: Singu­la­r­zu­lassung: BVerfG erklärt § 25 BRAO für verfas­sungs­widrig) sich nicht ohne weiteres auf die Lage der Rechts­an­walt­schaft beim BGH übertragen lässt. Diese weicht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ab.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 97/02 des BVerfG vom 14.11.2002

der Leitsatz

Zur Singu­la­r­zu­lassung der Rechtsanwälte bei dem Bundes­ge­richtshof nach § 171 der Bundes­rechts­an­walts­ordnung

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