23.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss26.10.2005

Teilneh­me­rentgelt nach dem Bayerischen Mediengesetz verfas­sungs­widrig

Die Verfas­sungs­be­schwerde eines Rundfunk­teil­nehmers, der sich gegen die Erhebung eines Teilneh­me­rentgelts zur Finanzierung des privaten Rundfunks wandte, war teilweise erfolgreich. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht stellte fest, dass die angegriffenen Regelungen des Bayerischen Mediengesetzes über das Teilneh­me­rentgelt mit Art. 2 Abs. 1 GG (allgemeine Handlungs­freiheit) unvereinbar sind.

Die Inhaber von Kabel­an­sch­lüssen dürften zur finanziellen Unterstützung der Programme privater Rundfunkan­bieter nur herangezogen werden, wenn der Gesetzgeber Vorkehrungen für hinreichende Sicherungen einer gleich­ge­wichtigen Vielfalt in den geförderten Programm­an­geboten trifft. Diesen Anforderungen werde das bayerische Rundfunkrecht nicht in ausreichender Weise gerecht. Für eine Übergangszeit bis zum 31. Dezember 2008 können die Regelungen über die Erhebung des Teilneh­me­rentgelts aber noch angewandt werden.

Rechtlicher Hintergrund und Sachverhalt:

Auf der Grundlage des Bayerischen Mediengesetzes erhebt die Bayerische Landeszentrale für neue Medien von den Inhabern eines Kabel­an­schlusses ein Teilneh­me­rentgelt. Dabei handelt es sich nicht um die an den Kabel­netz­be­treiber zu entrichtenden Entgelte für die Nutzung des Kabel­an­schlusses und auch nicht um die Gebühr für den öffent­lich­recht­lichen Rundfunk, die von der GEZ eingezogen wird. Vielmehr sind die Teilneh­me­rentgelte eine besondere Form der Finanzierung, die in erster Linie zur Erreichung der wirtschaft­lichen Tragfähigkeit der lokalen und regionalen Fernsehanbieter sowie einer möglichst gleichwertigen Versorgung mit lokalen und regionalen Fernse­h­an­geboten in Bayern beitragen soll. Gegenwärtig werden insgesamt 33 private Rundfunk­an­gebote durch Zuschüsse aus den Teilneh­me­rent­gelten unterstützt.

Das Teilneh­me­rentgelt betrug ursprünglich 3, 30 DM. Bis zum Jahr 2008 wird es stufenweise auf monatlich ,30 Euro pro Kabelhaushalt zurückgeführt. Zur Zeit beträgt es , 45 Euro. Zum 31. Dezember 2008 tritt die Regelung über das Teilneh­me­rentgelt außer Kraft.

Der Beschwer­de­führer war vom 1. Juli 1992 bis zum 31. Juli 1996 Inhaber eines Breit­band­ka­be­l­an­schlusses. Für diese Zeit verlangte eine Medien­be­trie­bs­ge­sell­schaft, die für die Einspeisung von Programmen nach dem Bayerischen Mediengesetz in das Breit­band­ka­belnetz zuständig war, von dem Beschwer­de­führer die Zahlung von insgesamt 152, 70 DM. Das Amtsgericht verurteilte den Beschwer­de­führer zur Zahlung dieses Betrags. Die hiergegen gerichtete Verfas­sungs­be­schwerde war im Hinblick auf die der Entscheidung des Amtsgerichts zugrunde liegenden gesetzlichen Regelungen erfolgreich.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zur Grunde:

1. Die Pflicht der Inhaber von Kabel­an­sch­lüssen zur Zahlung des Teilneh­me­rentgelts beeinträchtigt ihre Handlungs­freiheit (Art. 2 Abs. 1 GG). Diese Beein­träch­tigung ist nicht gerechtfertigt.

Die Regelungen über das Teilneh­me­rentgelt zielen auf die Gewährleistung der Rundfunk­freiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG). In der dualen Ordnung eines Nebeneinander von öffent­lich­recht­lichem und privat­wirt­schaft­lichem Rundfunk soll der Rundfunk­freiheit dadurch gedient werden, dass die durch die verschie­den­artigen Strukturen der Veranstalter ermöglichten unter­schied­lichen Program­mo­ri­en­tie­rungen zur Breite und Vielfalt des Programm­an­gebots insgesamt beitragen. Allerdings sichern Marktprozesse allein nicht, dass lokale und regionale Angebote überall auch finanziell tragfähig entstehen und konkurrierend so in Erscheinung treten, dass dies in diesem Bereich zu publizistischer Vielfalt führt. Es stimmt daher mit dem Auftrag des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zur Gewährleistung einer vielfältigen Rundfunkordnung überein, wenn der bayerische Gesetzgeber dazu beitragen will, dass Hörfunk- und Fernseh­pro­gramme auch insoweit möglich werden, als Marktprozesse dies allein nicht sichern. Dabei hat der Gesetzgeber von der in der dualen Rundfunkordnung nahe liegenden Möglichkeit abgesehen, die öffent­lich­recht­lichen Rundfunk­an­stalten zu entsprechenden Programm­an­geboten zu verpflichten und dafür auch die finanziellen Voraussetzungen zu schaffen. Motiviert er stattdessen privat­wirt­schaftlich finanzierte Veranstalter durch die Aussicht auf eine gesetzlich bereitgestellte finanzielle Förderung zu entsprechenden Rundfunk­an­geboten, muss er aber Vorsorge treffen, dass die von den Rundfunkan­bietern als "Gegenleistung" für die Zahlung des Entgelts bereit­ge­stellten Programme grundsätzlich den Kommu­ni­ka­ti­o­ns­in­teressen aller Zahlungs­pflichtigen dienen. Die Entgeltpflicht ist daher nur dann eine der verfas­sungs­mäßigen Ordnung entsprechende Beschränkung der Handlungs­freiheit der Zahlungs­pflichtigen, wenn der Gesetzgeber Vorkehrungen für hinreichende Sicherungen einer gleich­ge­wichtigen Vielfalt in den geförderten Programm­an­geboten trifft.

Diesen Anforderungen wird das bayerische Rundfunkrecht nicht in ausreichender Weise gerecht. Der Gesetzgeber begnügt sich damit, dass die durch Zuschüsse begünstigten Programm­an­gebote den allgemein im bayerischen Medienrecht enthaltenen, auf die Veranstaltung und Verbreitung von privat­wirt­schaftlich getragenen Programmen bezogenen Vorgaben entsprechen. Zwar wirkt die Landeszentrale ausweislich ihrer Stellungnahme unter Nutzung der gesetzlichen und der in der Hörfunk- und Fernsehsatzung enthaltenen Möglichkeiten auf vielfältige Programm­an­gebote hin. Besondere Anforderungen zur Sicherung der gleich­ge­wichtigen Vielfalt in den geförderten Programmen sind in den zugrunde liegenden Normen jedoch nicht vorgesehen.

2. Trotz Verfas­sungs­wid­rigkeit können die angegriffenen Regelungen über das Teilneh­me­rentgelt noch für eine Übergangszeit bis zum 31. Dezember 2008 angewandt werden. Auf Grund des gesetzlich normierten Fristablaufs für die Erhebung eines Teilneh­me­rentgelts ist zu erwarten, dass der Gesetzgeber zuvor eine Entscheidung über die Zukunft des Teilneh­me­rentgelts treffen wird. Die vorgesehene Absenkung des Teilneh­me­rentgelts ermöglicht es, Erfahrungen darüber zu sammeln, welchen Einfluss die Förderung und ihr allmählicher Abbau für die betreffenden Angebote haben. Die Möglichkeit gründlicher Evaluation entfiele, wenn die Verfas­sungs­wid­rigkeit der Regelungen zum Teilneh­me­rentgelt zu deren Nichtigkeit führte. Demgegenüber ist die gegenwärtige finanzielle Belastung für die Teilnehmer relativ gering.

3. Da die angegriffenen Regelungen trotz ihrer Verfas­sungs­wid­rigkeit vorerst anwendbar bleiben, ist die auf ihrer Grundlage getroffene Entscheidung des Amtsgerichts verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 118/05 des BVerfG vom 02.12.2005

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