Dokument-Nr. 1387
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Bundesverfassungsgericht Beschluss26.10.2005
Teilnehmerentgelt nach dem Bayerischen Mediengesetz verfassungswidrig
Die Verfassungsbeschwerde eines Rundfunkteilnehmers, der sich gegen die Erhebung eines Teilnehmerentgelts zur Finanzierung des privaten Rundfunks wandte, war teilweise erfolgreich. Das Bundesverfassungsgericht stellte fest, dass die angegriffenen Regelungen des Bayerischen Mediengesetzes über das Teilnehmerentgelt mit Art. 2 Abs. 1 GG (allgemeine Handlungsfreiheit) unvereinbar sind.
Die Inhaber von Kabelanschlüssen dürften zur finanziellen Unterstützung der Programme privater Rundfunkanbieter nur herangezogen werden, wenn der Gesetzgeber Vorkehrungen für hinreichende Sicherungen einer gleichgewichtigen Vielfalt in den geförderten Programmangeboten trifft. Diesen Anforderungen werde das bayerische Rundfunkrecht nicht in ausreichender Weise gerecht. Für eine Übergangszeit bis zum 31. Dezember 2008 können die Regelungen über die Erhebung des Teilnehmerentgelts aber noch angewandt werden.
Rechtlicher Hintergrund und Sachverhalt:
Auf der Grundlage des Bayerischen Mediengesetzes erhebt die Bayerische Landeszentrale für neue Medien von den Inhabern eines Kabelanschlusses ein Teilnehmerentgelt. Dabei handelt es sich nicht um die an den Kabelnetzbetreiber zu entrichtenden Entgelte für die Nutzung des Kabelanschlusses und auch nicht um die Gebühr für den öffentlichrechtlichen Rundfunk, die von der GEZ eingezogen wird. Vielmehr sind die Teilnehmerentgelte eine besondere Form der Finanzierung, die in erster Linie zur Erreichung der wirtschaftlichen Tragfähigkeit der lokalen und regionalen Fernsehanbieter sowie einer möglichst gleichwertigen Versorgung mit lokalen und regionalen Fernsehangeboten in Bayern beitragen soll. Gegenwärtig werden insgesamt 33 private Rundfunkangebote durch Zuschüsse aus den Teilnehmerentgelten unterstützt.
Das Teilnehmerentgelt betrug ursprünglich 3, 30 DM. Bis zum Jahr 2008 wird es stufenweise auf monatlich ,30 Euro pro Kabelhaushalt zurückgeführt. Zur Zeit beträgt es , 45 Euro. Zum 31. Dezember 2008 tritt die Regelung über das Teilnehmerentgelt außer Kraft.
Der Beschwerdeführer war vom 1. Juli 1992 bis zum 31. Juli 1996 Inhaber eines Breitbandkabelanschlusses. Für diese Zeit verlangte eine Medienbetriebsgesellschaft, die für die Einspeisung von Programmen nach dem Bayerischen Mediengesetz in das Breitbandkabelnetz zuständig war, von dem Beschwerdeführer die Zahlung von insgesamt 152, 70 DM. Das Amtsgericht verurteilte den Beschwerdeführer zur Zahlung dieses Betrags. Die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde war im Hinblick auf die der Entscheidung des Amtsgerichts zugrunde liegenden gesetzlichen Regelungen erfolgreich.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zur Grunde:
1. Die Pflicht der Inhaber von Kabelanschlüssen zur Zahlung des Teilnehmerentgelts beeinträchtigt ihre Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG). Diese Beeinträchtigung ist nicht gerechtfertigt.
Die Regelungen über das Teilnehmerentgelt zielen auf die Gewährleistung der Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG). In der dualen Ordnung eines Nebeneinander von öffentlichrechtlichem und privatwirtschaftlichem Rundfunk soll der Rundfunkfreiheit dadurch gedient werden, dass die durch die verschiedenartigen Strukturen der Veranstalter ermöglichten unterschiedlichen Programmorientierungen zur Breite und Vielfalt des Programmangebots insgesamt beitragen. Allerdings sichern Marktprozesse allein nicht, dass lokale und regionale Angebote überall auch finanziell tragfähig entstehen und konkurrierend so in Erscheinung treten, dass dies in diesem Bereich zu publizistischer Vielfalt führt. Es stimmt daher mit dem Auftrag des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zur Gewährleistung einer vielfältigen Rundfunkordnung überein, wenn der bayerische Gesetzgeber dazu beitragen will, dass Hörfunk- und Fernsehprogramme auch insoweit möglich werden, als Marktprozesse dies allein nicht sichern. Dabei hat der Gesetzgeber von der in der dualen Rundfunkordnung nahe liegenden Möglichkeit abgesehen, die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten zu entsprechenden Programmangeboten zu verpflichten und dafür auch die finanziellen Voraussetzungen zu schaffen. Motiviert er stattdessen privatwirtschaftlich finanzierte Veranstalter durch die Aussicht auf eine gesetzlich bereitgestellte finanzielle Förderung zu entsprechenden Rundfunkangeboten, muss er aber Vorsorge treffen, dass die von den Rundfunkanbietern als "Gegenleistung" für die Zahlung des Entgelts bereitgestellten Programme grundsätzlich den Kommunikationsinteressen aller Zahlungspflichtigen dienen. Die Entgeltpflicht ist daher nur dann eine der verfassungsmäßigen Ordnung entsprechende Beschränkung der Handlungsfreiheit der Zahlungspflichtigen, wenn der Gesetzgeber Vorkehrungen für hinreichende Sicherungen einer gleichgewichtigen Vielfalt in den geförderten Programmangeboten trifft.
Diesen Anforderungen wird das bayerische Rundfunkrecht nicht in ausreichender Weise gerecht. Der Gesetzgeber begnügt sich damit, dass die durch Zuschüsse begünstigten Programmangebote den allgemein im bayerischen Medienrecht enthaltenen, auf die Veranstaltung und Verbreitung von privatwirtschaftlich getragenen Programmen bezogenen Vorgaben entsprechen. Zwar wirkt die Landeszentrale ausweislich ihrer Stellungnahme unter Nutzung der gesetzlichen und der in der Hörfunk- und Fernsehsatzung enthaltenen Möglichkeiten auf vielfältige Programmangebote hin. Besondere Anforderungen zur Sicherung der gleichgewichtigen Vielfalt in den geförderten Programmen sind in den zugrunde liegenden Normen jedoch nicht vorgesehen.
2. Trotz Verfassungswidrigkeit können die angegriffenen Regelungen über das Teilnehmerentgelt noch für eine Übergangszeit bis zum 31. Dezember 2008 angewandt werden. Auf Grund des gesetzlich normierten Fristablaufs für die Erhebung eines Teilnehmerentgelts ist zu erwarten, dass der Gesetzgeber zuvor eine Entscheidung über die Zukunft des Teilnehmerentgelts treffen wird. Die vorgesehene Absenkung des Teilnehmerentgelts ermöglicht es, Erfahrungen darüber zu sammeln, welchen Einfluss die Förderung und ihr allmählicher Abbau für die betreffenden Angebote haben. Die Möglichkeit gründlicher Evaluation entfiele, wenn die Verfassungswidrigkeit der Regelungen zum Teilnehmerentgelt zu deren Nichtigkeit führte. Demgegenüber ist die gegenwärtige finanzielle Belastung für die Teilnehmer relativ gering.
3. Da die angegriffenen Regelungen trotz ihrer Verfassungswidrigkeit vorerst anwendbar bleiben, ist die auf ihrer Grundlage getroffene Entscheidung des Amtsgerichts verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 05.12.2005
Quelle: Pressemitteilung Nr. 118/05 des BVerfG vom 02.12.2005
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