21.11.2024
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Dokument-Nr. 20794

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Beschluss05.03.2015Bundesverfassungsgericht1 BvR 3362/14
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • BRAK-Mitt 2015, 144Zeitschrift: BRAK-Mitteilungen (BRAK-Mitt), Jahrgang: 2015, Seite: 144
  • NJW 2015, 1438Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2015, Seite: 1438
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Bundesverfassungsgericht Beschluss05.03.2015

Strenge Regeln für Schockwerbung durch RechtsanwälteGeltendes Sachlich­keitsgebot bei Werbung von Rechtsanwälten verfassungs­rechtlich unbedenklich

Das Bundes­verfassungs­gericht hat die Verfassungs­beschwerde eines Rechtsanwalts gegen anwalts­ge­richtliche Entscheidungen und Bescheide der Rechts­an­walts­kammer über die berufs­rechtliche Beurteilung einer geplanten Werbemaßnahme nicht zur Entscheidung angenommen. Dass für die Werbung von Rechtsanwälten - vor dem Hintergrund ihrer Stellung als Organ der Rechtspflege - ein Sachlich­keitsgebot gilt, ist verfassungs­rechtlich unbedenklich. Eine Verletzung von Grundrechten im konkreten Fall hat der Beschwer­de­führer nicht hinreichend dargelegt.

Der Beschwer­de­führer des zugrunde liegenden Verfahrens ist Rechtsanwalt. Er bat die zuständige Rechts­an­walts­kammer um Prüfung, ob eine beabsichtigte Werbemaßnahme berufsrechtlich zulässig sei. Es handelte sich dabei um Tassen mit der durch­ge­stri­chenen Abbildung einer Frau, die mit einem Knüppel auf das entblößte Gesäß eines Kindes schlägt. Neben der Abbildung sollten der Text "Körperliche Züchtigung ist verboten § 1631 Abs. 2 BGB" sowie der Name, die Berufs­be­zeichnung "Rechtsanwalt" und die Kontaktdaten des Beschwer­de­führers abgedruckt werden. Die Rechts­an­walts­kammer teilte dem Beschwer­de­führer mit, dass sie die Werbemaßnahme wegen eines Verstoßes gegen das Sachlichkeitsgebot gemäß § 43 b der Bundes­rechts­an­walts­ordnung (BRAO) für unzulässig halte.

Eine zweite Anfrage des Beschwer­de­führers bezog sich wiederum auf die beabsichtigte Gestaltung von Werbetassen. Eine Abbildung zeigte einen älteren Mann, der mit einem Stock auf das entblößte Gesäß einer Frau schlägt; daneben sollte die Frage "Wurden Sie Opfer einer Straftat?" stehen. Eine weitere Abbildung zeigte eine Frau, die sich eine Schusswaffe an den eigenen Kopf hält und offenbar im Begriff ist, sich selbst zu töten; daneben sollte der Text "Nicht verzagen, R... fragen" abgedruckt werden. In beiden Gestaltungen sollten wiederum der Name, die Berufs­be­zeichnung "Rechtsanwalt" und die Kontaktdaten des Beschwer­de­führers hinzugefügt werden. Die Rechts­an­walts­kammer teilte dem Beschwer­de­führer mit, dass auch diese Werbemaßnahmen unzulässig seien und wiederholte im Wesentlichen die bereits im ersten Bescheid enthaltenen Erwägungen.

Klagen des Beschwer­de­führers bleiben erfolglos

Die Klage des Beschwer­de­führers gegen die beiden Bescheide blieb sowohl vor dem Anwalts­ge­richtshof des Landes Nordrhein-Westfalen als auch vor dem Bundes­ge­richtshof ohne Erfolg.

BVerfG verneint Verletzung der Meinungs­freiheit

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht entschied, dass auf der Grundlage der Ausführungen des Beschwer­de­führers weder eine Verletzung der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) noch der Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) oder der Freiheit der Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) ersichtlich ist. Der Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG erstreckt sich auch auf kommerzielle Meinung­s­äu­ße­rungen sowie reine Wirtschafts­werbung, die einen wertenden, meinungs­bil­denden Inhalt hat. Die vom Beschwer­de­führer beanstandeten Entscheidungen der Rechts­an­walts­kammer und der Ausgangs­ge­richte können zwar in die Meinungs­freiheit des Beschwer­de­führers eingreifen. Er hat indes nicht hinreichend dargelegt, dass dieser Eingriff verfas­sungs­rechtlich nicht gerechtfertigt gewesen sei.

Reißerische Werbung mit Stellung des Rechtsanwalts nicht vereinbar

Bei § 43 b BRAO handelt es sich um ein allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG, das als Schranke der Meinungs­freiheit in Betracht kommt. Schutzzweck der Regelung ist die Sicherung der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege. Mit der Stellung des Rechtsanwalts ist im Interesse des rechtsuchenden Bürgers insbesondere eine Werbung nicht vereinbar, die ein reklamehaftes Anpreisen in den Vordergrund stellt, mit der eigentlichen Leistung des Anwalts nichts mehr zu tun hat und sich nicht mit dem unabdingbaren Vertrau­ens­ver­hältnis im Rahmen eines Mandats vereinbaren lässt. Es bestehen keine Bedenken gegen die Verfas­sungs­mä­ßigkeit der Vorschrift, zumal der Beschwer­de­führer eine solche weder geltend gemacht noch dargelegt hat.

Beabsichtigte Maßnahmen des Beschwer­de­führers sind als Werbung einzustufen

Dass die Ausgangs­ge­richte bei der Auslegung und Anwendung des § 43 b BRAO die Ausstrah­lungs­wirkung des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht hinreichend beachtet haben, macht der Beschwer­de­führer nicht hinreichend deutlich. Es begegnet keinen verfas­sungs­recht­lichen Bedenken, dass die Ausgangs­ge­richte die Rechtmäßigkeit der vom Beschwer­de­führer selbst so genannten "Werbetassen" am Maßstab des § 43 b BRAO geprüft haben. § 43 b BRAO normiert spezielle Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Werbung für anwaltliche Dienst­leis­tungen. Bei den beabsichtigten Maßnahmen des Beschwer­de­führers handelt es sich - jedenfalls auch - um Werbung. Sein Vortrag, er beabsichtige mit dem Druck und der Verteilung der Tassen keine Werbemaßnahme, sondern wolle lediglich einen gesellschafts- und rechts­po­li­tischen Diskurs anstoßen, geht offensichtlich an den Tatsachen vorbei. Überdies beschreibt der Beschwer­de­führer selbst in der Begründung seiner Verfas­sungs­be­schwerde sein beabsichtigtes Vorgehen als eine "Werbeaktion", die sein "zurückliegendes rechts­po­li­tisches Engagement als Unter­schei­dungs­merkmal zu anderen Kanzleien hervorheben" soll. Dass der Beschwer­de­führer neben der Werbung unter Umständen daneben noch weitere Anliegen, etwa das Anstoßen eines gesell­schafts­po­li­tischen Diskurses, verfolgen könnte, hindert die Anwendbarkeit des § 43 b BRAO nicht.

Rechtsanwalt unterliegt bei Werbung für berufliche Tätigkeit besonderen Einschränkungen

Hiermit setzt sich der Beschwer­de­führer nicht hinreichend auseinander. Er gründet seine Behauptung eines Verfas­sungs­ver­stoßes letztlich allein auf die Überlegung, dass die Ausgangs­ge­richte die Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts zur Werbung der Firma Benetton (BVerfGE 102, 347) auch in seinem Fall hätten anwenden müssen, ohne dabei zu berücksichtigen, dass er als Rechtsanwalt und damit als Organ der Rechtspflege bei der Werbung für seine berufliche Tätigkeit besonderen Einschränkungen aufgrund des § 43 b BRAO unterliegt.

Behauptete Verletzung der Kunstfreiheit nicht ausreichend begründet

Auch die behauptete Verletzung seiner Kunstfreiheit macht der Beschwer­de­führer nicht hinreichend deutlich. Ungeachtet der Frage, ob die Ausgangs­ge­richte überhaupt in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG eingegriffen haben, setzt sich der Beschwer­de­führer mit einer möglichen verfas­sungs­recht­lichen Rechtfertigung eines etwaigen Eingriffs nicht hinreichend auseinander. Auch insoweit bezieht er sich auf Ausführungen des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts zur Benetton-Werbung, ohne den Unterschied zur Zulässigkeit der Werbung eines Rechtsanwalts heraus­zu­a­r­beiten und sich mit den unter­schied­lichen Voraussetzungen ausein­an­der­zu­setzen.

Eingriff in Berufsfreiheit ebenfalls nicht plausibel begründet

Gleiches gilt für die behauptete Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG. Auch hier beachtet der Beschwer­de­führer nicht, dass ihm als Rechtsanwalt durch § 43 b BRAO besondere Grenzen für die Werbung gezogen sind, seine freie Berufsausübung insoweit also durch Gesetz beschränkt ist. Dass die Norm als solche oder im konkreten Fall ihrer Anwendung in nicht zu recht­fer­ti­gender Weise in seine Berufsfreiheit eingreifen könnte, legt der Beschwer­de­führer mit seinen pauschalen, in erster Linie auf die Meinungs- und Kunstfreiheit bezogenen Ausführungen nicht hinreichend dar.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online

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