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- BRAK-Mitt 2015, 144Zeitschrift: BRAK-Mitteilungen (BRAK-Mitt), Jahrgang: 2015, Seite: 144
- NJW 2015, 1438Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2015, Seite: 1438
- Anwaltsgerichtshof NRW, Urteil06.09.2013, 2 AGH 3/13
- Abbildungen von sexualisierender körperlicher Gewalt: Rechtsanwalt darf nicht mit "Schockwerbung" auf seine Tätigkeit aufmerksam machenBundesgerichtshof, Urteil27.10.2014, AnwZ (Brfg) 67/13
Bundesverfassungsgericht Beschluss05.03.2015
Strenge Regeln für Schockwerbung durch RechtsanwälteGeltendes Sachlichkeitsgebot bei Werbung von Rechtsanwälten verfassungsrechtlich unbedenklich
Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde eines Rechtsanwalts gegen anwaltsgerichtliche Entscheidungen und Bescheide der Rechtsanwaltskammer über die berufsrechtliche Beurteilung einer geplanten Werbemaßnahme nicht zur Entscheidung angenommen. Dass für die Werbung von Rechtsanwälten - vor dem Hintergrund ihrer Stellung als Organ der Rechtspflege - ein Sachlichkeitsgebot gilt, ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Eine Verletzung von Grundrechten im konkreten Fall hat der Beschwerdeführer nicht hinreichend dargelegt.
Der Beschwerdeführer des zugrunde liegenden Verfahrens ist Rechtsanwalt. Er bat die zuständige Rechtsanwaltskammer um Prüfung, ob eine beabsichtigte Werbemaßnahme berufsrechtlich zulässig sei. Es handelte sich dabei um Tassen mit der durchgestrichenen Abbildung einer Frau, die mit einem Knüppel auf das entblößte Gesäß eines Kindes schlägt. Neben der Abbildung sollten der Text "Körperliche Züchtigung ist verboten § 1631 Abs. 2 BGB" sowie der Name, die Berufsbezeichnung "Rechtsanwalt" und die Kontaktdaten des Beschwerdeführers abgedruckt werden. Die Rechtsanwaltskammer teilte dem Beschwerdeführer mit, dass sie die Werbemaßnahme wegen eines Verstoßes gegen das Sachlichkeitsgebot gemäß § 43 b der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) für unzulässig halte.
Eine zweite Anfrage des Beschwerdeführers bezog sich wiederum auf die beabsichtigte Gestaltung von Werbetassen. Eine Abbildung zeigte einen älteren Mann, der mit einem Stock auf das entblößte Gesäß einer Frau schlägt; daneben sollte die Frage "Wurden Sie Opfer einer Straftat?" stehen. Eine weitere Abbildung zeigte eine Frau, die sich eine Schusswaffe an den eigenen Kopf hält und offenbar im Begriff ist, sich selbst zu töten; daneben sollte der Text "Nicht verzagen, R... fragen" abgedruckt werden. In beiden Gestaltungen sollten wiederum der Name, die Berufsbezeichnung "Rechtsanwalt" und die Kontaktdaten des Beschwerdeführers hinzugefügt werden. Die Rechtsanwaltskammer teilte dem Beschwerdeführer mit, dass auch diese Werbemaßnahmen unzulässig seien und wiederholte im Wesentlichen die bereits im ersten Bescheid enthaltenen Erwägungen.
Klagen des Beschwerdeführers bleiben erfolglos
Die Klage des Beschwerdeführers gegen die beiden Bescheide blieb sowohl vor dem Anwaltsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen als auch vor dem Bundesgerichtshof ohne Erfolg.
BVerfG verneint Verletzung der Meinungsfreiheit
Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass auf der Grundlage der Ausführungen des Beschwerdeführers weder eine Verletzung der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) noch der Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) oder der Freiheit der Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) ersichtlich ist. Der Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG erstreckt sich auch auf kommerzielle Meinungsäußerungen sowie reine Wirtschaftswerbung, die einen wertenden, meinungsbildenden Inhalt hat. Die vom Beschwerdeführer beanstandeten Entscheidungen der Rechtsanwaltskammer und der Ausgangsgerichte können zwar in die Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers eingreifen. Er hat indes nicht hinreichend dargelegt, dass dieser Eingriff verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt gewesen sei.
Reißerische Werbung mit Stellung des Rechtsanwalts nicht vereinbar
Bei § 43 b BRAO handelt es sich um ein allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG, das als Schranke der Meinungsfreiheit in Betracht kommt. Schutzzweck der Regelung ist die Sicherung der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege. Mit der Stellung des Rechtsanwalts ist im Interesse des rechtsuchenden Bürgers insbesondere eine Werbung nicht vereinbar, die ein reklamehaftes Anpreisen in den Vordergrund stellt, mit der eigentlichen Leistung des Anwalts nichts mehr zu tun hat und sich nicht mit dem unabdingbaren Vertrauensverhältnis im Rahmen eines Mandats vereinbaren lässt. Es bestehen keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift, zumal der Beschwerdeführer eine solche weder geltend gemacht noch dargelegt hat.
Beabsichtigte Maßnahmen des Beschwerdeführers sind als Werbung einzustufen
Dass die Ausgangsgerichte bei der Auslegung und Anwendung des § 43 b BRAO die Ausstrahlungswirkung des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht hinreichend beachtet haben, macht der Beschwerdeführer nicht hinreichend deutlich. Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass die Ausgangsgerichte die Rechtmäßigkeit der vom Beschwerdeführer selbst so genannten "Werbetassen" am Maßstab des § 43 b BRAO geprüft haben. § 43 b BRAO normiert spezielle Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Werbung für anwaltliche Dienstleistungen. Bei den beabsichtigten Maßnahmen des Beschwerdeführers handelt es sich - jedenfalls auch - um Werbung. Sein Vortrag, er beabsichtige mit dem Druck und der Verteilung der Tassen keine Werbemaßnahme, sondern wolle lediglich einen gesellschafts- und rechtspolitischen Diskurs anstoßen, geht offensichtlich an den Tatsachen vorbei. Überdies beschreibt der Beschwerdeführer selbst in der Begründung seiner Verfassungsbeschwerde sein beabsichtigtes Vorgehen als eine "Werbeaktion", die sein "zurückliegendes rechtspolitisches Engagement als Unterscheidungsmerkmal zu anderen Kanzleien hervorheben" soll. Dass der Beschwerdeführer neben der Werbung unter Umständen daneben noch weitere Anliegen, etwa das Anstoßen eines gesellschaftspolitischen Diskurses, verfolgen könnte, hindert die Anwendbarkeit des § 43 b BRAO nicht.
Rechtsanwalt unterliegt bei Werbung für berufliche Tätigkeit besonderen Einschränkungen
Hiermit setzt sich der Beschwerdeführer nicht hinreichend auseinander. Er gründet seine Behauptung eines Verfassungsverstoßes letztlich allein auf die Überlegung, dass die Ausgangsgerichte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Werbung der Firma Benetton (BVerfGE 102, 347) auch in seinem Fall hätten anwenden müssen, ohne dabei zu berücksichtigen, dass er als Rechtsanwalt und damit als Organ der Rechtspflege bei der Werbung für seine berufliche Tätigkeit besonderen Einschränkungen aufgrund des § 43 b BRAO unterliegt.
Behauptete Verletzung der Kunstfreiheit nicht ausreichend begründet
Auch die behauptete Verletzung seiner Kunstfreiheit macht der Beschwerdeführer nicht hinreichend deutlich. Ungeachtet der Frage, ob die Ausgangsgerichte überhaupt in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG eingegriffen haben, setzt sich der Beschwerdeführer mit einer möglichen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung eines etwaigen Eingriffs nicht hinreichend auseinander. Auch insoweit bezieht er sich auf Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Benetton-Werbung, ohne den Unterschied zur Zulässigkeit der Werbung eines Rechtsanwalts herauszuarbeiten und sich mit den unterschiedlichen Voraussetzungen auseinanderzusetzen.
Eingriff in Berufsfreiheit ebenfalls nicht plausibel begründet
Gleiches gilt für die behauptete Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG. Auch hier beachtet der Beschwerdeführer nicht, dass ihm als Rechtsanwalt durch § 43 b BRAO besondere Grenzen für die Werbung gezogen sind, seine freie Berufsausübung insoweit also durch Gesetz beschränkt ist. Dass die Norm als solche oder im konkreten Fall ihrer Anwendung in nicht zu rechtfertigender Weise in seine Berufsfreiheit eingreifen könnte, legt der Beschwerdeführer mit seinen pauschalen, in erster Linie auf die Meinungs- und Kunstfreiheit bezogenen Ausführungen nicht hinreichend dar.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 20.03.2015
Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online
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