03.12.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss30.10.2010

BVerfG: Erblasser können nicht gegen Erbschaftsrecht klagen - Verfas­sungs­be­schwerde gegen Regelung des Erbschafts­steu­er­rechts unzulässigErfordernis der Selbst­be­trof­fenheit der Beschwer­de­führer nicht erfüllt

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat mehrere Verfas­sungs­be­schwerden von Erblassern gegen Regelungen des Erbschaft­steu­er­rechts nicht zur Entscheidung angenommen, da eine erforderliche Selbst­be­trof­fenheit der Beschwer­de­führer nicht vorlag.

Im zugrunde liegenden Fall wandten sich die drei Beschwer­de­führer mit ihren Verfas­sungs­be­schwerden gegen die unter­schied­lichen Steuersätze, Freibeträge und Steuer­be­freiungen nach dem Erbschaftsteuer- und Schen­kung­s­teu­er­gesetz in der Fassung des Erbschaft­steu­er­re­form­ge­setzes vom 24. Dezember 2008, durch die sie als Erblasser unmittelbar in der Ausübung ihrer Testierfreiheit betroffen seien. Die Beschwer­de­führer sind Eigentümer erheblichen, vererbbaren Vermögens - darunter Wohn- bzw. Gewer­beim­mo­bilien sowie ein mittel­stän­disches Produk­ti­o­ns­un­ter­nehmen -, das nach ihrem Vorbringen nicht unter die Steuerbefreiung bzw. die steuerlichen Vergünstigungen nach dem ErbStG fällt. Sie machen im Wesentlichen geltend, dass die gesetzliche Ausgestaltung der Steuerbefreiung von Familienheimen sowohl gegenüber sonstigem Vermögen als auch im Hinblick auf die Wohnflä­chen­be­grenzung gleich­heits­widrig sei. Diskriminierend sei es ferner, dass das Familienheim zwar für Ehegatten und gleich­ge­schlechtliche Lebenspartner, nicht hingegen für verwandt­schaftliche Einstands­ge­mein­schaften steuerfrei gestellt werde. Die Erbschaftsteuer stelle einen Anreiz dar, Betriebe oder Immobilien vor dem Erbfall zu veräußern und das Vermögen ins erbschaft­steu­erfreie Ausland zu verlagern.

Für Beschwerde erforderliche Selbst­be­trof­fenheit nicht erkennbar

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat die Verfas­sungs­be­schwerden nicht zur Entscheidung angenommen. Sie sind unzulässig, weil sie die erforderliche Selbst­be­trof­fenheit der Beschwer­de­führer durch das neue Erbschaft­steu­er­gesetz nicht hinreichend erkennen lassen.

Bei Beschwerden gegen gesetzliche Vorschriften muss unmittelbare Grund­rechts­ver­letzung des Beschwer­de­führers vorliegen

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde: Richtet sich eine Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen eine gesetzliche Vorschrift oder einen sonstigen Hoheitsakt, muss der Beschwer­de­führer darlegen, durch die angegriffene Norm selbst, gegenwärtig und unmittelbar in seinen Grundrechten oder grund­rechts­gleichen Rechten verletzt zu sein.

Erbschaftsteuer betrifft nur Erben nicht Erblasser

Dieses Erfordernis der Selbst­be­trof­fenheit ist hier nicht erfüllt, da nicht erkennbar ist, dass die Beschwer­de­führer als Erblasser von dem Erbschaft­steu­er­gesetz in den als verletzt gerügten Grundrechten, namentlich der Testierfreiheit (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 2. Alt GG), selbst betroffen werden. Die Erbschaftsteuer belastet die Bereicherung des Erben; der Nachlass als solcher ist nicht Besteu­e­rungs­ge­genstand. Steuer­pflichtiger ist allein der Erbe, nicht der Erblasser. Der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. GG umfasst, soweit er den Erblasser betrifft, lediglich dessen Recht zu vererben, d. h. die Testierfreiheit als Verfü­gungs­be­fugnis über den Tod hinaus, die auch durch eine ausschließlich an den Erben adressierte Erbschaftsteuer nicht ausgehöhlt werden darf. Jedoch vermag nicht schon jeder durch ökonomische Günstig­keits­er­wä­gungen veranlasste Einfluss auf die Testie­rent­scheidung des Erblassers im Hinblick auf einen künftigen Erbfall eine die Zulässigkeit der Verfas­sungs­be­schwerde rechtfertigende Selbst­be­trof­fenheit durch das Erbschaft­steu­errecht zu begründen.

Testierfreiheit des Erblassers bleibt durch Erbschaft­steu­errecht unberührt

Die von den Beschwer­de­führern angegriffenen Regelungen des Erbschaft­steu­er­rechts lassen die Testierfreiheit des Erblassers unberührt. Es ist allen potentiellen Erblassern weiterhin unbenommen, als Erben einzusetzen, wen sie wollen, und frei über die Zuwendung ihrer Vermö­gens­ge­gen­stände zu entscheiden. Die Beschwer­de­führer tragen auch nicht plausibel vor, dass in ihrem Fall die angefochtenen Regelungen zu einer Aushöhlung der Testierfreiheit führen oder dass aufgrund der angefochtenen Vorschriften das Vererben für sie wirtschaftlich sinnlos erscheint. Soweit sie sich auf die negative finanzielle Anreizfunktion der Erbschaftsteuer berufen, ist ihrem Vorbringen nicht konkret zu entnehmen, dass sie bei einer anderen rechtlichen Ausgestaltung der Erbschaftsteuer in anderer Weise testieren würden. Zudem haben die Beschwer­de­führer als testierende Erblasser keinen entscheidenden Einfluss darauf, ob die Erben letztlich mit Erbschaftsteuer belastet werden oder in den Genuss der durch bestimmte testa­men­ta­rische Gestaltungen angestrebten Steuer­ver­güns­ti­gungen kommen. Denn Erben können vorversterben, das Erbe ausschlagen oder sich gar zum Beispiel aufgrund einer erst nach dem Erbfall bekannt gewordenen Verfehlung gegenüber dem Erblasser als erbunwürdig erweisen.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online

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