Dokument-Nr. 10670
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Bundesverfassungsgericht Beschluss30.10.2010
BVerfG: Erblasser können nicht gegen Erbschaftsrecht klagen - Verfassungsbeschwerde gegen Regelung des Erbschaftssteuerrechts unzulässigErfordernis der Selbstbetroffenheit der Beschwerdeführer nicht erfüllt
Das Bundesverfassungsgericht hat mehrere Verfassungsbeschwerden von Erblassern gegen Regelungen des Erbschaftsteuerrechts nicht zur Entscheidung angenommen, da eine erforderliche Selbstbetroffenheit der Beschwerdeführer nicht vorlag.
Im zugrunde liegenden Fall wandten sich die drei Beschwerdeführer mit ihren Verfassungsbeschwerden gegen die unterschiedlichen Steuersätze, Freibeträge und Steuerbefreiungen nach dem Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz in der Fassung des Erbschaftsteuerreformgesetzes vom 24. Dezember 2008, durch die sie als Erblasser unmittelbar in der Ausübung ihrer Testierfreiheit betroffen seien. Die Beschwerdeführer sind Eigentümer erheblichen, vererbbaren Vermögens - darunter Wohn- bzw. Gewerbeimmobilien sowie ein mittelständisches Produktionsunternehmen -, das nach ihrem Vorbringen nicht unter die Steuerbefreiung bzw. die steuerlichen Vergünstigungen nach dem ErbStG fällt. Sie machen im Wesentlichen geltend, dass die gesetzliche Ausgestaltung der Steuerbefreiung von Familienheimen sowohl gegenüber sonstigem Vermögen als auch im Hinblick auf die Wohnflächenbegrenzung gleichheitswidrig sei. Diskriminierend sei es ferner, dass das Familienheim zwar für Ehegatten und gleichgeschlechtliche Lebenspartner, nicht hingegen für verwandtschaftliche Einstandsgemeinschaften steuerfrei gestellt werde. Die Erbschaftsteuer stelle einen Anreiz dar, Betriebe oder Immobilien vor dem Erbfall zu veräußern und das Vermögen ins erbschaftsteuerfreie Ausland zu verlagern.
Für Beschwerde erforderliche Selbstbetroffenheit nicht erkennbar
Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen. Sie sind unzulässig, weil sie die erforderliche Selbstbetroffenheit der Beschwerdeführer durch das neue Erbschaftsteuergesetz nicht hinreichend erkennen lassen.
Bei Beschwerden gegen gesetzliche Vorschriften muss unmittelbare Grundrechtsverletzung des Beschwerdeführers vorliegen
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde: Richtet sich eine Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen eine gesetzliche Vorschrift oder einen sonstigen Hoheitsakt, muss der Beschwerdeführer darlegen, durch die angegriffene Norm selbst, gegenwärtig und unmittelbar in seinen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt zu sein.
Erbschaftsteuer betrifft nur Erben nicht Erblasser
Dieses Erfordernis der Selbstbetroffenheit ist hier nicht erfüllt, da nicht erkennbar ist, dass die Beschwerdeführer als Erblasser von dem Erbschaftsteuergesetz in den als verletzt gerügten Grundrechten, namentlich der Testierfreiheit (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 2. Alt GG), selbst betroffen werden. Die Erbschaftsteuer belastet die Bereicherung des Erben; der Nachlass als solcher ist nicht Besteuerungsgegenstand. Steuerpflichtiger ist allein der Erbe, nicht der Erblasser. Der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. GG umfasst, soweit er den Erblasser betrifft, lediglich dessen Recht zu vererben, d. h. die Testierfreiheit als Verfügungsbefugnis über den Tod hinaus, die auch durch eine ausschließlich an den Erben adressierte Erbschaftsteuer nicht ausgehöhlt werden darf. Jedoch vermag nicht schon jeder durch ökonomische Günstigkeitserwägungen veranlasste Einfluss auf die Testierentscheidung des Erblassers im Hinblick auf einen künftigen Erbfall eine die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde rechtfertigende Selbstbetroffenheit durch das Erbschaftsteuerrecht zu begründen.
Testierfreiheit des Erblassers bleibt durch Erbschaftsteuerrecht unberührt
Die von den Beschwerdeführern angegriffenen Regelungen des Erbschaftsteuerrechts lassen die Testierfreiheit des Erblassers unberührt. Es ist allen potentiellen Erblassern weiterhin unbenommen, als Erben einzusetzen, wen sie wollen, und frei über die Zuwendung ihrer Vermögensgegenstände zu entscheiden. Die Beschwerdeführer tragen auch nicht plausibel vor, dass in ihrem Fall die angefochtenen Regelungen zu einer Aushöhlung der Testierfreiheit führen oder dass aufgrund der angefochtenen Vorschriften das Vererben für sie wirtschaftlich sinnlos erscheint. Soweit sie sich auf die negative finanzielle Anreizfunktion der Erbschaftsteuer berufen, ist ihrem Vorbringen nicht konkret zu entnehmen, dass sie bei einer anderen rechtlichen Ausgestaltung der Erbschaftsteuer in anderer Weise testieren würden. Zudem haben die Beschwerdeführer als testierende Erblasser keinen entscheidenden Einfluss darauf, ob die Erben letztlich mit Erbschaftsteuer belastet werden oder in den Genuss der durch bestimmte testamentarische Gestaltungen angestrebten Steuervergünstigungen kommen. Denn Erben können vorversterben, das Erbe ausschlagen oder sich gar zum Beispiel aufgrund einer erst nach dem Erbfall bekannt gewordenen Verfehlung gegenüber dem Erblasser als erbunwürdig erweisen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 03.12.2010
Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online
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