18.10.2024
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Dokument-Nr. 977

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Bundesverfassungsgericht Beschluss24.08.2005

Erfolgreiche Verfas­sungs­be­schwerde gegen Verweigerung von BAföG nach Fachrich­tungs­wechselBundes­ver­fas­sungs­gericht hebt Entscheidung des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts auf

Der Bf (Beschwer­de­führer) studierte ab dem Wintersemester 1996/1997 vier Semester Zahnmedizin. Ihm wurden Leistungen nach dem Bundes­aus­bil­dungs­för­de­rungs­gesetz (BAföG) gewährt. Bereits während seines Studiums entschloss er sich, Humanmedizin zu studieren.

Seine Bewerbungen um einen Studienplatz waren jedoch wegen der bestehenden Zulas­sungs­be­schränkung zunächst erfolglos. Zum Wintersemester 1998/1999 wurde der Beschwer­de­führer zur Humanmedizin zugelassen. Unter Anrechnung der in der Zahnmedizin erbrachten Leistungen wurde er in das dritte Fachsemester eingereiht. Den Antrag des Beschwer­de­führers auf weitere Förderung nach dem BAföG lehnte das Förderungsamt mit der Begründung ab, er habe erst nach dem vierten Fachsemester gewechselt. Seine hiergegen gerichtete Klage wurde in letzter Instanz vom Bundes­ver­wal­tungs­gericht abgewiesen.

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hob das Urteil des BVerwG auf, da es den Beschwer­de­führer in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG (Allgemeiner Gleichheitssatz) verletzt. Die Sache wurde an das BVerwG zurückverwiesen.

Die Regelung des § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BAföG a.F. benachteiligt nach Auffassung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts in der Auslegung, die ihr das Bundes­ver­wal­tungs­gericht gegeben hat, den Beschwer­de­führer gegenüber jenen Studenten, die ohne Anrechnung der im ersten Studium erbrachten Leistungen zum Beginn des dritten Fachsemesters wechseln. Diese Benachteiligung des Beschwer­de­führers ist nicht durch hinreichend gewichtige Gründe gerechtfertigt. In der genannten Vorschrift fand sich die Regelung, dass bei Auszubildenden an Hochschulen die Förderung einer anderen Ausbildung nur möglich war, wenn der Wechsel der Fachrichtung bis zum Beginn des dritten Fachsemesters erfolgte (mittlerweile bis zum vierten Fachsemester - d. Red.).

Der Gesetzgeber hatte § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BAföG a.F. vor allem damit begründet, dass der Auszubildende im Interesse eines sinnvollen Einsatzes der Fördermittel angehalten werden müsse, sich vor Beginn des dritten Fachsemesters darüber klar zu werden, ob die Ausbildung in einer bestimmten Fachrichtung seinen Neigungen und seinem Leistungs­vermögen entspreche. Diese Erwägung tragte die rechtliche Benachteiligung des Beschwer­de­führers nicht. Nach den Feststellungen des Berufungs­ge­richts habe sich sein Neigungswandel bereits im ersten Fachsemester vollzogen. Ein Wechsel in das Wunschstudium sei ihm allein wegen der dort vorhandenen Zulas­sungs­be­schränkung erst nach dem vierten Fachsemester gelungen.

Darüber hinaus dauere die Förderung der Vergleichs­gruppen insgesamt gleich lang: Ein Student, der ohne Anrechnung von Leistungen zum dritten Fachsemester wechsle, werde für zwei Semester der Erstausbildung und für die Förde­rungs­höchstdauer der anderen Ausbildung gefördert. Demgegenüber erhalte der Bf zwar für vier Semester seines ersten Studiums Förde­rungs­leis­tungen; dafür sei aber die Förde­rungs­höchstdauer des neuen Studiums wegen der Anrechnung um zwei Semester gekürzt worden.

§ 7 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BAföG a.F. sei daher verfas­sungs­konform dahingehend auszulegen, dass ein Student die Fachrichtung auch dann noch "bis zum Beginn des dritten Fachsemesters" wechsle, wenn er zwar mehr als zwei Semester in der bisherigen Fachrichtung studiert habe, unter Berück­sich­tigung der Anrechnung dieser Fachsemester aber die maßgebliche Zeitschwelle nicht überschreite.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 84/2005 des Bundesverfassungsgerichts vom 14.09.2005

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